Das Fensterln ist eine heute nicht mehr vorhandene Brautwerbung, die es im süddeutschen Raum einschließlich Österreich im 19. Jahrhundert gegeben hat. Dabei machte der Brautwerber nachts der Geliebten heimlich seine Aufwartung, in dem er mit Hilfe einer Leiter zum betreffenden Fenster kletterte und dort Einlass fand. So haben die pfälzischen Kantonsärzte, Vorgänger der heutigen Amtsärzte, in ihrem Sonderbericht 1861 festgestellt, dass in Neuburg das Fensterln wohl bekannt sei und praktiziert werde. In dem Bericht steht (nachfolgender Text wurde ohne Korrektur übernommen):
„Eine eigenthümliche Sitte, die schon vielfach zu polizeylichen Einschreitungen, (…) Veranlassung gegeben, besteht teilweise heute noch in Neuburg. Sobald nemlich ein junges Mädchen confirmirt, d.h. mannbar geworden ist, so wird dasselbe aus dem elterlichen Zimmer, wo es bis dahin seine Schlafstelle hatte auf den sogenannten Trippel (Anmerkung: Dachboden) mit seinem Bette verwiesen (…).
Mit dieser Verlegung auf den Trippel ist sogleich die offizielle, wiewohl stillschweigende Erklärung von Seiten der Eltern gegeben, daß das Mädchen mannbar sey und einen Brautwerber annehmen dürfe. Hat sich nun ein solcher gefunden, so brachte es die Sitte mit sich, daß der Liebhaber (gewöhnlich Samstags) abends nach Sonnenuntergang mit einer Leiter auf dem Rücken bey der Wohnung seiner Geliebten sich einfindet, die Leiter an das Fenster ihres Gelasses anstellt und zu derselben einstieg, wo er dann einen Theil der Nacht bei derselben zubrachte, jedoch vor Tagesanbruch mit seiner Leiter sich wieder entfernte (…).
Dies geschah und geschieht mit Wissen und Willen der Eltern, sofern diese mit der Bewerbung einverstanden waren, ja es sollen Fälle vorgekommen seyn, daß, wenn das Mädchen wegen kleinem Zerwürfniß etwa dem anklopfenden Liebhaber das Fenster nicht öffnen wollte, dieser bei den Eltern den Eingang zu der Tochter verlangt und erlangt haben soll. Hatten solche nächtlichen Zusammenkünfte Folgen, so wurden diesselben durch baldige Heirat ausgeglichen.“
Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass nach den Erzählungen eines Neuburgers auch ein „Habacher“ das Fensterln in Neuburg versucht habe. Mit dieser Brautwerbung seien die Eltern aber nicht einverstanden gewesen. Der „Habacher“ soll mit samt seiner Leiter vom Dach gestoßen worden sein.
In dem Bericht steht auch, dass die Bewohner in den Rheinniederungen, vor allem deren Genuss von Brandwein, den Medizinern große Sorgen bereite. Hinzu komme, dass sie den Wirtshäusern an keinem Tage in der Woche aus dem Wege gingen. Heute dürften selbst die Amtsärzte nichts dagegen haben, wenn die Bewohner in Neuburg und Umgebung am Wochenende das Oktoberfest besuchen, das anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Verbandsgemeinde Hagenbach stattfindet.