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Amtsblatt der VG Hagenbach
Ausgabe 45/2022
Seite 3
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1972 – 2022: 50 Jahre Verbandsgemeinde Hagenbach

Grillen im Himmelreich. In Scheibenhardt ist das möglich.

Thema: Verfassungsbeschwerde

Was viele nicht wissen: Die Ortsgemeinde Scheibenhardt hat rheinland-pfälzische Verfassungsgeschichte geschrieben. Es war 2004, als das Land eine Änderung des Landespflegegesetzes verabschiedete, die am 25. Mai 2004 in Kraft trat. Von der Umsetzung waren in der Verbandsgemeinde vor allem die Scheibenhardter betroffen. Es ging um die Ausweisung und den Schutz sogenannter Flora-Fauna-Habitat- und Vogelschutzgebiete. Schützenswerte Bereiche sind in dem Grenzdorf so umfangreich vorhanden, dass fast das gesamte Gemarkungsgebiet betroffen war.

Die Ortsgemeinde und die Verbandsgemeinde befürchteten erhebliche Einschränkungen. Sie waren mit der Gesetzesänderung nicht einverstanden, weil in Scheibenhardt eine Siedlungsentwicklung wie die Ausweisung eines Baugebiets nicht mehr möglich gewesen wäre. Die Scheibenhardter legten beim Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz (VGH) mit Sitz in Koblenz ein Verfassungsbeschwerde ein.

Am 11. Juli 2005 stand der Rechtsstreit auf der Tagesordnung des VGH und es kam zu einem Novum. Zum ersten Mal in der rheinland-pfälzischen Verfassungsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg verhandelte das ranghöchste rheinland-pfälzische Gericht den Rechtsstreit nicht am Gerichtssitz in Koblenz, sondern im Ratssaal der Ortsgemeinde Scheibenhardt. Diese Besonderheit dokumentiert, dass für den Senat die Entscheidung von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung war. Vermutlich war das auch der Grund, warum die Verhandlung in Scheibenhardt ein großes Medieninteresse fand. Regional und überregional wurde über die Scheibenhardter Normenkontrollklage berichtet.

In dem gefassten Urteil sprach sich der VGH unter Vorsitz von Richter Prof. Dr. Meyer grundsätzlich nicht gegen die Festlegung von FFH- und Vogelschutzgebieten in Gemeinden aus. Wie der Urteilsbegründung aber entnommen werden kann, darf eine solche Ausweisung nicht dazu führen, dass die verfassungsrechtlich geschützte Selbstverwaltungshoheit der Gemeinden ins Leere läuft. Ein Mindestmaß an kommunalen Planungen muss einer Gemeinde noch gestattet sein. Damit stand fest, dass innerhalb der Schutzflächen eine städtebauliche Entwicklung wie die Erschließung eines Baugebiets grundsätzlich möglich blieb. In diesem Punkt hatte Scheibenhardts Verfassungsbeschwerde Erfolg.

An der Schutzwürdigkeit hat sich bis heute nichts geändert. Der Ort ist umgeben von einer idyllischen Landschaft, die in weiten Teilen durch die Lauter geprägt wird. Da ist es verständlich, dass der eine oder andere schon ins Schwärmen kommt und bei dieser wunderbaren Natur Vergleiche zum Himmelreich anstellt. Vermutlich ohne zu wissen, dass es in Scheibenhardt bis zum Himmelreich gar nicht so weit ist, denn es gibt im Ort einiges, was an das Himmelreich erinnert.