Am „Tag des offenen Denkmals“ am 8. September 2013 fand auf Anregung von Klaus Burr zum ersten Mal in Zusammenarbeit mit dem Landesdenkmalamt Saarbrücken eine Führung über den Jüdischen Friedhof Ottweiler statt. Über 100 interessierte BürgerInnen nahmen die Möglichkeit wahr, den normalerweise verschlossenen Friedhof zu besichtigen und sich über die Geschichte der ehemaligen jüdischen Gemeinde Ottweiler zu informieren. Diese große Resonanz veranlasste Klaus Burr gemeinsam mit Hans-Joachim Hoffmann seither Führungen über den jüdischen Friedhof Ottweiler anzubieten.
Seit April 2016 führen wieder historische Figuren durch die Stadt Ottweiler. Wegen der räumlichen Entfernung des Jüdischen Friedhofs vom Stadtzentrum kann dieses Kulturdenkmal nicht in die Stadtführungen einbezogen werden. Da aber die Geschichte der jüdischen Gemeinde auch Teil der Stadtgeschichte Ottweilers ist, bietet am Sonntag, den 19. Mai 2024, 17.00 Uhr, Hans-Joachim Hoffmann eine weitere Führung an.
Mit dem jüdischen Friedhof verfügt Ottweiler über ein unbequemes Denkmal, denn es erinnert an eine dunkle Seite unserer Stadtgeschichte: Die Geschichte der ehemaligen jüdischen Gemeinde Ottweiler nahm ihren Anfang um die Wende 18./19. Jahrhundert und endete am 22.10.1940 mit der Deportation der letzten jüdischen BürgerInnen des Ortes im Zuge der Aktion Bürckel nach Gurs und von dort in die Vernichtungslager des Ostens. Die Stele „Gebrochene Säule“ symbolisiert, dass das kurze Leben der jüdischen Gemeinde Ottweiler ein jähes Ende fand. Nur der jüdische Friedhof bietet als letzte noch erhaltene Stätte jüdischen Lebens und jüdischer Kultur interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit – wenn auch eingeschränkt auf den Totenkult – sich mit der lokalen Geschichte des Judentums auseinanderzusetzen.
Abgeschlossen (wie unsere Kirchen auch) ist der Friedhof die einzige Erinnerungsstätte, die das Zusammenleben jüdischer BürgerInnen mit Angehörigen anderer Konfessionen in Ottweiler in unser Bewusstsein zu rufen vermag. Gleichzeitig ruft er uns alle gegen das Vergessen auf. Gerade der letzte Aspekt steht im Vordergrund der Entscheidung, Führungen anzubieten.
Direkt neben dem jüdischen Friedhof Ottweiler liegt der sog. „Paritätische Friedhof“, angelegt auf Betreiben der KP-Ortsgruppe Ottweiler 1951, um Konfessionslosen eine würdevolle Bestattung zu gewähren. Auf ihm finden sich heute nur noch einige wenige Grabsteine, die Zeugnis davon ablegen, dass Menschen anderer politischer Überzeugung ausgegrenzt wurden. Ist es Zufall, dass die Friedhöfe nebeneinanderliegen? Während die erhaltenen Grabmale auf dem jüdischen Friedhof zumindest ansatzweise die Entwicklung der jüdischen Gemeinde Ottweilers bis zu ihrer Auslöschung durch den NS – die beiden letzten Bestattungen fanden 1935 statt – nachvollziehbar macht, können die wenigen erhaltenen Grabsteine des „Paritätischen Friedhofes“ als Dokumente der Ausgrenzung atheistisch gesinnter BürgerInnen – meist auch Mitglieder der KP-Ortsgruppe Ottweiler – gewertet werden.
In den Mittelpunkt der Führung stellt der Referent die Entstehung und Entfaltung der jüdischen Gemeinde Ottweiler, aber auch ihre Vernichtung durch den Nationalsozialismus. Dabei betont er die Bedeutung des jüdischen Friedhofs als historische Quelle: Die Grabmale bieten die Möglichkeit, über die Familiengeschichte das Leben der jüdischen Gemeinde Ottweiler zu rekonstruieren. Erläuterungen zu Grabinschriften und den Symbolen auf den Grabsteinen ergänzen die Ausführungen.
Die Führung versteht sich zugleich als Mosaikstein im Rahmen der Umsetzung der „Aktion Stolpersteine“ in Ottweiler, durch die an die verfolgten, deportierten und ermordeten jüdischen Bewohner, aber auch an politisch Verfolgte und Euthanasie-Opfer aus Ottweiler erinnert werden soll.
Die kostenlose Führung findet mit Unterstützung der KVHS Neunkirchen statt; eine Anmeldung ist nicht erforderlich, aber erwünscht. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Teilnahme an dieser Führung auf eigenes Risiko erfolgt; insofern stellen die Teilnehmer*innen sowohl den Landkreis als Träger der KVHS als auch die Synagogengemeinde Saar, die Stadt Ottweiler und das Stadtgeschichtliche Museum Ottweiler als Mitveranstalter und den Referenten von etwaigen Schadensersatzansprüchen frei.
Termin: 19. Mai 2024 – 17.00 Uhr
Ort: Jüdischer Friedhof, Ottweiler Maria-Juchacz-Ring
Dauer: ca. 1 ½ Std. Foto: Margarete Singer