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Grafschafter Zeitung
Ausgabe 33/2022
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Erst die Äpfel, dann der Strom

Max Trommsdorff vom Fraunhofer-Institut ISE (l.) und Johannes Nachtwey (2.v.l.) erklärten Ministerin Katrin Eder (2.v.r.) die Anlage.

Auf großes Interesse stieß bei der Ministerin auch ein eTraktor, der Prototyp wird in Gelsdorf getestet.

Die Agri-PV-Anlage ist bereits von Vögeln in Beschlag genommen, wie dieses Nest zeigt.

Klimaschutzministerin Katrin Eder kam zur Ernte von klima-positiven Äpfeln nach Gelsdorf

GELSDORF. TW. Sie habe ihre Mitarbeiter regelrecht gedrängelt, sich die Agri-Photovoltaik-Anlage (Agri-PV) beim Gelsdorfer Bio-Obsthof Nachtwey anzusehen, gab die rheinland-pfälzische Ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Katrin Eder am Donnerstag vergangener Woche unumwunden zu. Nun war Eder Gast beim Hoffest anlässlich der ersten Apfelernte unter der Photovoltaikanlange. Die im Mai des vergangenen Jahres gesetzten Apfelbäume von acht verschiedenen Sorten tragen derzeit erstmals Früchte. Auf die erste Stromernte muss man in Gelsdorf dagegen noch warten, denn noch sind nicht alle Komponenten installiert. In wenigen Monaten soll es so weit sein. „Wir haben uns nach der Flutkatastrophe im Ahrtal erst einmal hintenangestellt, da gab es wichtigeres für die Stromversorger zu tun, als unsere Anlage ans Netz zu bringen“, erklärte Johannes Nachtwey die Verzögerung.

Dennoch geht es voran bei Deutschlands erster Agri-PV-Anlage auf einer Obstplantage. Der Betrieb testet auf einem Drittel Hektar die Doppelnutzung der Fläche mit Solaranlage und Obstbau. Dabei müsse die Erzeugung der Äpfel oberste Priorität haben, sagte Christian Nachtwey beim Ortstermin in der Plantage. Erst in zweiter Linie sei die Stromerzeugung zu sehen. So sieht es auch die Gesetzeslage vor, demnach der landwirtschaftliche Ertrag gegenüber einer herkömmlichen Anlage mindestens bei zwei Dritteln liegen muss. Als Referenz wurden gleich neben der Anlage Systeme mit Hagelschutznetzen und mit Folien installiert. Dabei erfüllt die Agri-PV-Anlage neben der Stromgewinnung auch noch andere Zwecke. Auch sie dient dem Schutz vor Hagel, aber auch dem Schutz vor extremer Sonneneinstrahlung und Sonnenbrand bei den Früchten. Die Entwicklung und Bewertung der Agri-PV-Anlage und ihr Einfluss auf die Obsternte erfolgt in einem Forschungsprojekt, bei dem das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) federführend für die Projektkoordination ist. Gefördert wird das Projekt unter anderem vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) und dem rheinland-pfälzischen Klimaschutzministerium.

Kreistagsmitglied Wolfgang Schlagwein berichtete der Ministerin und den rund 100 Gästen noch einmal von Anfängen. Die Idee kam aufgrund eines ähnlichen Forschungsprojekts einer Anlage über Gemüseanbau am Bodensee auf. Die Obstregion Grafschaft bot sich da förmlich für ein weiteres Projekt an, Bio-Obstbauer Nachtwey war schnell überzeugt.

Max Trommsdorff vom Fraunhofer-Institut ISE aus Freiburg berichtete über den Projektaufbau und die Förderungsschwerpunkte von Land und Bund. Während sich die Landesförderung mit den Schwerpunkten Technik, Politik und Ökonomie befasse, konzentriere sich die Förderung des Bundeslandwirtschaftsministeriums auf die Themen Landwirtschaft und Gesellschaft.

Jürgen Zimmer vom Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum Rheinpfalz (DLR) blickte auf die landwirtschaftlichen Fragen. So gebe es im Land bereits Sonnenschäden bei Äpfeln von 20 bis 30 Prozent, unter der Anlage liegen diese Zahlen nahe Null. Geprüft werde derzeit, welche anderen Schutzfunktionen die Anlage über ihren eigentlichen Zweck hinaus noch leisten kann. Dass es zu Hagelschäden gekommen sei, wollte Zimmer nicht allzu hoch bewerten, schließlich seien die Bäume noch jung und bei stärkerem Wuchs resistenter. Zudem habe man mit drei Meter langen Solarpanels geplant, der Markt gab jedoch nur zwei Meter lange Panels her. Was Zimmer bereits jetzt sagen kann: Das bis April 2025 ausgelegte Forschungsprojekt bedürfe einer Verlängerung, auf die man hoffe, denn es werden bis 2025 keine drei vollen Ertragsjahre zu realisieren sein. „Man lernt jeden Tag neu dazu und bekommt neue Daten“, betonte Zimmer die Wichtigkeit des Projekts mit spannenden und teilweise nicht erwarteten Ergebnissen.

Maximilian Tegtmeyer vom ausführenden Konzern BayWa erläuterte den Gästen den Aufbau der Anlage mit acht Reihen PV-Modulen, von den drei Reihen mit drehbaren PV-Tracker ausgestattet seien. Es werden acht verschiedene Apfelsorten getestet, mit dem Ziel darzustellen, wie der klima-positive Apfel erzeugt werden kann. Mehr als 1000 Module in drei verschiedenen Ausführungen stehen in gut drei Metern Höhe über 1.200 Apfelbäumen. Der erzeugte Strom wird später 270 Megawattstunden Strom ins Netz einspeisen. Genug, um rund 70 Haushalte das ganze Jahr über mit Strom zu versorgen.

Mit der Wahrnehmung und Akzeptanz solcher Anlagen beschäftigt sich Sebastian Gölz von Fraunhofer ISE. In einer ersten Analysephase hatte er diejenigen befragt, die sich direkt mit dem Projekt beschäftigen, nämlich Akteure aus dem Energiesektor, der Landwirtschaft, den Landwirtschaftsverbänden und Umweltverbänden. Dabei sehen alle Akteure Wirtschaftlichkeit der und Mehrfachnutzung der Flächen als positiv an. Probleme sieht man noch in der aktuellen Gesetzgebung, hier gibt es noch viele Fragen und Unklarheiten. Bei den befragten Akteuren aus dem Landwirtschaftssektor wurden keinerlei Faktoren, die die Befürwortung einer Agri-PV hemmen könnten, genannt.

eTraktor im Test

Zu den Akteuren im Agri-PV-Projekt zählen auch die Energiewerke Schönau, die für die Ausarbeitung und Abwicklung des Stromabnahmekonzepts zuständig sind. Sie werden den erzeugten Strom in ihren Bilanzkreis aufnehmen und vermarkten. Einen besonderen Hingucker lieferte die AGCO GmbH. Man stellte für das Projekt einen von nur vier in der Probephase befindlichen batteriebetriebenen Traktoren zur Verfügung. Der Fendt e100 soll in die tägliche Arbeit auf dem Bio-Obsthof eingebunden werden, um das Potential der CO2-Einsparung durch Verwendung von grüner Energie im Vergleich zu dieselbetriebenen Traktoren zu ermitteln.