Titel Logo
Kelsterbach aktuell
Ausgabe 10/2025
Seite 4
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

„Kelsterbach wird’s schwach“

Der Frankfurter Friedrich Stoltze, er lebte von 1816 bis 1891, ist den Kelsterbachern zumindest durch sein Gedicht über die „Feuerreiter von Kelsterbach“ bekannt. Doch Friedrich Stoltze war nicht nur ein „Blümchendichter“ (Es will mer net in de Kopp enei, wie kann nor en Menschen net von Frankfort sei!“) mit gefälligen Reimen, sondern er war auch ein Verfechter der 1848/49er Revolution (Paulskirchen-Parlament) und ein bissiger und sehr exakter Beobachter seiner Zeit, Anhänger von Demokratie und Freiheit. Seine „Krebbelzeitung“, die Mitarbeit am „Volksblatt für Rhein und Main“ und vor allem die Zeitung „Frankfurter Latern“ von 1860 an waren sein Hauptwerk.

In der „Frankfurter Latern“ von Juni 1872 karikierte Stoltze die Auswirkungen der Mainkanalisation auch auf die Main-Anrainer-Gemeinden flussabwärts. Der „Kanalrath“ im unteren rechten Bildrand sagt „Ich rieche nichts“, doch die Abwasserbelastung des Mains bei Frankfurt war um diese Zeit enorm. Ab 1867 stehen Vater und Sohn Lindley aus Frankfurt für den Anschluss der Haushalte an das Abwassernetz. Erst rund 30 Jahre später waren alle Frankfurter Haushalte mehr oder weniger angeschlossen, und die erste Kläranlage in Niederrad nahm 1887 ihren nach heutigen Maßstäben gemessenen mäßigen Reinigungsbetrieb auf.

Stoltze beschreibt die Wirkung der Frankfurter Kanalisation auf die Mainufer-Bewohner. „Schwanheim kann‘s nicht mehr aushalten“ oder „Das Baden braucht nicht verboten zu werden“, es war in der Fluss-Brühe nahezu auch kaum möglich. „Höchst desinfiziert“ (mit Mainwasser), in „Kelsterbach wird’s schwach „ (das Mainwasser). „Eddersheim zieht aus“, „Hochheim hilft sich“ (durch Betrinken) und auf der anderen Mainseite „Raunheim nimmt’s von der praktischen Seite“ und düngt seine Gemarkung mit Mainwasser. Das „Goldene Mainz“ gegenüber der Mainspitze wiederum „dankt für das Anlaufen“ (des schmutzigen Mainwassers). Der alte „Vater Rhein“ in der rechten oberen Bildhälfte betrachtet den „Mainwasser Königstrank“ mit Grausen. Nun, noch zu Stoltzes Zeiten wurden Teile des Trinkwassers aus dem Main entnommen und mit Grundwasser vermischt, eine für Stoltze grausige Vorstellung. Viele Frankfurter scheuten sich gar in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Mainwasser zum Gießen zu verwenden. Stoltze resümierte 1887, „wohl dem, der einen im Garten gegrabenen Brunnen habe, dessen Geschmack und Temperatur nicht an verlängerte Fleischbrühe erinnere“. Wer mehr über Stoltze wissen will, dem sei ein Besuch im Museum in der neuen Frankfurter Altstadt bei freiem Eintritt empfohlen.

(hb)