Es ist ein Urteil mit Folgen für die Musikschulen im ganzen Land: Im Juni 2022 urteilte das Bundessozialgericht, dass Honorarlehrkräfte an Musikschulen nicht wirklich selbstständig sind, sondern dass sie sich unter bestimmten Arbeitsbedingungen in einer abhängigen Beschäftigung befinden. Das hat zur Folge, dass Sozialversicherungsbeiträge der letzten Jahre möglicherweise nachgezahlt und die Honorarkräfte als Konsequenz daraus zukünftig in einer sozialversicherungspflichtigen Festanstellung beschäftigt werden müssen. Dieses sogenannte Herrenberg-Urteil führt bei vielen Verantwortlichen zu tiefen Sorgenfalten, bedeutet es doch eine deutliche finanzielle Mehrbelastung, wenn Honorarkräfte festangestellt werden. Es wird befürchtet, dass dann Gebühren erhöht, Lehrkräfte entlassen und im schlimmsten Fall Musikschulen ganz geschlossen werden müssen.
Marc Fischer, Leiter der Musikschule Kelsterbach, sieht zwar auch große Herausforderungen auf die hiesige Einrichtung zukommen. Allerdings überwiegen für ihn die positiven Aspekte, die das Urteil mit sich bringt. Die Dozentinnen und Dozenten seien als festangestellte Lehrkräfte sozial besser abgesichert, zudem seien Kooperationen mit Kitas und Schulen – gerade mit Blick auf den ab 2026 geltenden Rechtsanspruch auf ein Ganztagsangebot an den Grundschulen und den damit verbundenen steigenden Bedarf an einer Zusammenarbeit mit der Musikschule – nur mit festangestellten Lehrkräften zu bewerkstelligen.
In der letzten Stadtverordnetenversammlung des vergangenen Jahres wurde einstimmig beschlossen, dass alle in 2025 noch bestehenden Honorarverträge zum 31. März gekündigt und die Dozentinnen und Dozenten ab April in sozialversicherungspflichtige Angestelltenverhältnisse übergeleitet werden. Dadurch entstehen Mehrkosten von rund 144.000 Euro, da den bisherigen Honorarkosten von 207.000 Euro im Jahr 2023 Lohnkosten von rund 351.000 Euro gegenüberstehen. Natürlich müsse man auch in Kelsterbach über eine Erhöhung der Gebühren nachdenken, um der finanziellen Mehrbelastung zu begegnen, da diese nur zu einem Teil durch höhere Zuwendungen des Landes Hessen abgedeckt werden könne. Allerdings, so Fischer, solle sich eine mögliche Erhöhung in Grenzen halten, damit die Musikschule auch weiterhin ein Angebot für alle Interessierten bleiben könne.
Um wirtschaftliche wie thematische Synergien zu schaffen, werde zudem eine interkommunale Zusammenarbeit mit der Stadt Raunheim geprüft, wo die Musikschule keine städtische Institution ist, sondern über einen Verein organisiert wird. Möglich sei, eine Art Außenstelle der Kelsterbacher Musikschule in Raunheim zu errichten, wobei die Verwaltung von Kelsterbach aus organisiert würde. „Unsere beiden Städte haben eine ähnliche Bevölkerungsstruktur, da kann man etwas Schönes aufbauen“, glaubt Fischer. Es soll nun ein Konzept erstellt werden, auf dessen Grundlage die Möglichkeiten einer Kooperation geprüft wird. Bürgermeister Manfred Ockel sagte in der Stadtverordnetenversammlung, dass es bei allen Maßnahmen das vorrangige Ziel sei, den Betrieb und die Qualität der Musikschule zu sichern. Auch hier steht Fischer den Herausforderungen positiv gegenüber: „Umstrukturierung ist immer schwierig, aber wir werden den Qualitätsstandard, den wir bisher hatten, auch in Zukunft aufrechterhalten.“ (sb)