Sugar erholt sich nun von ihrer Operation.
Sommerferien sind etwas Tolles. Das gute Wetter und die langen Tage verlocken dazu, sich viel draußen aufzuhalten oder in den Urlaub zu fahren. „Die lange Sommerferienzeit ist aber auch besonders vom Tiere-Aussetzen betroffen“, konstatiert Judith Wagner.
Je länger die Ferien, desto größer die Gefahr, dass die Haustiere abgeschoben oder sogar ausgesetzt werden? Im Prinzip schon. Steigende Lebenshaltungskosten haben auch vor Tierpensionen keinen Halt gemacht. Zudem gibt es wenig Plätze, die oft schon im März für den Sommer ausgebucht sind, so Wagner. In den letzten Jahren hätten daher die Fälle von ausgesetzten Hunden, Katzen aber auch Kleintieren zugenommen. Vögel werden oft einfach fliegen gelassen.
„Früher gab es mal viel mehr Tierpensionen, die sind jedoch mit der Zeit weggefallen, zum einen, weil die Leute altersbedingt aufhören mussten und keine Nachfolger hatten. Zum anderem gibt es aber auch immer weniger Menschen, die diese Arbeit auf sich nehmen wollen, weil die behördlichen Auflagen immer umfangreicher wurden.“ Heute braucht es nicht nur ein großes Herz und Platz, um sich um Tiere zu kümmern. Es müssen ein Quarantänezimmer, geflieste Räume sowie ein Berechtigungsschein nach Paragraf 11 vorhanden sein, der jemanden ausweist, mit Tieren umgehen zu können. Dieser Berechtigungsschein muss natürlich auf eigene Kosten gezahlt werden und für jede neue Anforderung bedarf es eines weiteren Berechtigungsscheins.
Eine Alternative für diejenigen, die keinen Platz in einer Tierpension bekommen haben, kann ein Catsitter sein. Hier kann die Katze in den eigenen vier Wänden bleiben und ein Sitter kommt täglich vorbei, um das Tier zu füttern und mit ihm Zeit zu verbringen. Viele wenden sich auch an den Kelsterbacher Tierschutzverein für eine Sommerbleibe. Doch „das können wir alleine aus Platzgründen nicht leisten“, sagt Wagner. Jedoch schreiben wir unsere Kontakte an und fragen nach, ob es eine freie Pflegestelle für die Sommerferien gibt. Generell empfiehlt sie, immer einen Plan B zu haben. Sollte der private Kontakt wegfallen, der sich um das Haustier kümmern wollte, ist eine gute Alternative wichtig.
„Ich habe mittlerweile vier Berechtigungsscheine“, sagt Wagner, die zwar für Transparenz in der Arbeit mit Tieren und vor allem im gemeinnützigen Bereich ist, aber eine Überbürokratisierung dieses Bereichs anprangert. „Ich musste einen Berechtigungsschein für die Arbeit im Tierheim in Rüsselsheim machen, dann einen weiteren, als ich den Tierschutzverein Kelsterbach anfing zu leiten, dann benötigte ich einen für den Umgang mit Wildtieren und plötzlich musste ich für den Verein Meerschweinchen in Not ebenfalls einen weiteren vorlegen – man sollte meinen, der Umgang mit Tierheimtieren qualifiziert mich auch für Meerschweinchen.“
Es ist dieser Aufwand, den sie dafür verantwortlich macht, dass viele Tierpfleger oder -pensionen aufgegeben haben. Heute müsse man in erster Linie Zeit und Geld investieren und alles genehmigen lassen. Auch den Tierschutzverein betrifft dies in jeder Hinsicht. Hier wird vom Finanzamt sogar die Wirtschaftlichkeit geprüft, da er als gemeinnütziger Verein eingetragen ist. So stand schon auf der Kippe, ob der Honig aus der eigenen Imkerei genug Einnahmen bringt. Und auch das Thema Sachspende ist nicht mehr so umsetzbar wir früher. Nun müsse für einen gespendeten Kühlwagen für ein Volksfest eine Rechnung vom Spender geschrieben und vom Tierheim auch bezahlt werden. Der Betrag könne rückwirkend wieder zurücküberwiesen werden, so Wagner. Aber eine einfache Sachspendenquittung wird vom Finanzamt nicht mehr akzeptiert. Ganz schön kompliziert.
Um so transparent wie gefordert zu sein, müssen Wagner und ihre Kollegen eigentlich jeden Namen und die Telefonnummer von Spendern und Menschen, die Tiere vorbeibringen, notieren. Viele wollen dies jedoch nicht. Dann macht sich Wagner eine Notiz, aus welcher Stadt angerufen wurde und unter welcher Nummer. Außerdem hat der Tierschutzverein einen Steuerberater. Das sei ihr wichtig, um nicht aus Unwissenheit Fehler zu begehen, die am Ende teuer werden.
Wie wichtig die Arbeit von Tierschutzvereinen und Tierheimen ist, sieht man auch am jüngsten Fall des Kelsterbacher Vereins. Vor ein paar Wochen wurde eine Hündin abgeben, da sich die Besitzer die anstehende teure Operation nicht leisten konnten. Der Tierschutzverein nahm die Hündin auf – und damit auch die Operationskosten auf sich. „Es handelt sich um eine junge, ganz liebe Hündin. So ein Tier lässt man nicht sterben“, erzählt Wagner. Natürlich habe man geholfen, doch nun eben auch die Operationskosten von 2000 Euro im Nacken.
Anja Eckert, ebenfalls vom Tierschutzverein berichtet: „Die Hündin Sugar wurde von uns von einem Animalhordingfall übernommen. Sie ist etwa achteinhalb Jahre alt, sehr unsicher und hochgradig futterallergisch, deshalb hat sie kein Fell am Bauch und teilweise an den Beinen. Anfang Mai ist sie durch einen Magendarminfekt fast gestorben - sie hatte bereits sehr schlechte Blutwerte. Durch die ganzen Untersuchungen wurde zudem eine Veränderung in ihrer Milz festgestellt und ein schwerwiegendes Herzproblem diagnostiziert. Sie bekommt wegen ihres Herzens zweimal täglich Medikamente und wir haben trotz des erhöhten Narkoserisikos die Milz entfernen lassen. Mehrere Tierärzte hatten zur Entfernung der Milz geraten, obwohl sie durch ihr Herzproblem ein erhöhtes Narkoserisiko hat. Doch einen Milzriss hätte sie nicht überlebt. Nach diesem ganzen Drama wird Sugar dauerhaft auf ihrer Pflegestelle bleiben - aber wir suchen nach Paten, die uns bei den Tierarztkosten unterstützen. Sugar muss halbjährlich zur Herzultraschallkontrolle und die Herzmedikamente muss sie dauerhaft nehmen.“
Judith Wagner sagt, dass es leider immer noch Tiere gibt, die während der Coronazeit angeschafft wurden und nun, wo das Leben wieder normal verläuft, abgegeben oder ausgesetzt werden. Auch die gestiegenen Tierarztkosten erleichtern es nicht, sich um ein Tier zu kümmern. Katastrationskosten für eine Hündin lägen beispielsweise mittlerweile bei bis zu 800 Euro, berichtet Wagner. Deshalb rät sie: „Überlegen Sie sich sehr gut, ob Sie die Zeit und das Geld aufbringen können, sich ein Tierleben lang um ein Haustier zu kümmern!“