Angesichts der zum Teil sehr ergiebigen Regenfälle der letzten Zeit mag es verwunderlich klingen, wenn im folgenden dritten und letzten Artikel zum Thema „Waldbrandgefahr in Kelsterbach“ von extremer Trockenheit gesprochen wird. Doch hält man sich vor Augen, was Martin Klepper, Leiter des für den Stadtwald und Forstbetrieb zuständigen Kelsterbacher Kommunalbetriebs (KKB), über die Waldböden sagt, relativiert sich das Ganze doch erheblich. Zwar bringe Regen, wie er seit einigen Tagen den Sommer dominiert, kurzfristig Entspannung, besonders beim Thema Waldbrandgefahr. Diese liegt laut Waldbrandgefahren-Index des Deutschen-Wetterdiensts momentan stabil auf Stufe 1, während vor Kurzem noch die deutlich höhere Stufe 4 galt. Doch damit das Wasser etwa zwei Meter tief in den Boden gelangt, wo es von den Pflanzen dringend benötigt wird, müsste es 280 Tage am Stück regnen. Das, was momentan vom Himmel fällt, ist im wahrsten Sinne des Wortes nur der Tropfen auf dem heißen Stein.
Durch mehrere Dürre-Sommer am Stück sind die Waldböden gerade im Bereich ab einem bis zwei Meter Tiefe viel zu trocken. An das Grundwasser, das zwischen sechs und 20 Meter tief im Boden liegt, kommen die Pflanzen mit ihren Wurzeln nicht heran. Eigentlich sind Bäume in der Lage, durch die sogenannte Waldpumpe indirekt Wasser aus tieferen Schichten zu nutzen: Dabei ziehen sie Wasser aus den oberen Bodenschichten und durch Kapillarwirkung wird dann das Wasser aus den unteren Schichten nach oben befördert. Das funktioniert allerdings nicht, wenn dazwischen – wie aktuell der Fall – eine komplett trockene Schicht liegt. Im Kelsterbacher Stadtwald kommt noch hinzu, dass hier kiesige und sandige Böden vorherrschen, durch die das Wasser bei Niederschlägen regelrecht durchrauscht. So steht den Bäumen nur das Oberflächenwasser zur Verfügung. Und davon gibt es insgesamt gesehen viel zu wenig.
Das hat für den Wald weitgehende Folgen. Klepper erklärt, dass die langanhaltenden Trocken- und Hitzeperioden der letzten Jahre dem Wald stark zugesetzt hätten. Es seien plötzlich Baumarten abgegangen, die früher als prädestiniert für diesen Standort galten. Dabei verweist er auf starke Schäden an Kiefern, Buchen und Eichen. „Der durch die klimatischen Extreme verursachte Stress schwächt die Bäume, die dann für Pilzbefall anfälliger werden“, erklärt Klepper den Kreislauf. Zudem gebe es mit steigenden Temperaturen und Trockenheit auch mehr Schädlinge, die an die klimatischen Veränderungen gewöhnt sind, wie den Buchprachtkäfer oder den Borkenkäfer. Ist ein Baum gesund, kann er sich mit Harz gegen solche Schädlinge zur Wehr setzen. Doch ohne Wasser ist keine Harzbildung möglich und ohne Harzbildung sind die Bäume den Schädlingen schutzlos ausgeliefert.
Der Verlust vieler älterer und kranker Bäume soll durch das Pflanzen von Setzlingen aufgefangen werden. Doch auch hier sorgt die Trockenheit für Probleme, angefangen bei der Beschaffung junger Pflanzen. Wenn es zu trocken ist, bilden die Bäume keine Früchte aus. Dadurch ist es für Baumschulen sehr problematisch, Saatmaterial zu bekommen, was es den Forstbetrieben wiederum schwer macht, neue Pflanzen zu erwerben. In diesem Jahr wurden in Kelsterbach zwar 52.000 Setzlinge gepflanzt, allerdings waren diese schon 2021 bestellt worden. Um wachsen und Wurzeln ausprägen zu können, brauchen diese jungen Pflanzen natürlich jede Menge Wasser. Im vergangenen Sommer war ein Mitarbeiter des KKB drei Monate lang damit beschäftigt, eine knapp drei Hektar große, neu bepflanzte Fläche den ganzen Tag zu bewässern, wofür insgesamt eine Million Liter Wasser in den Wald transportiert wurden.
„Wir haben die Sorge, dass wir nur mit sehr großen Anstrengungen den Wald halten können“, resümiert Klepper. Er prognostiziert, dass es in Zukunft weniger alte Bäume geben werde und weniger zusammenhängende Bestände. Darin liegt ein weiteres Problem. Denn dadurch würden Lichtlöcher entstehen, auf denen sich sogenannte Neophyten, also Pflanzen, die hier eigentlich nicht heimisch sind, ausbreiten. „Pflanzen wie die Kermesbeere machen den Boden großflächig zu, haben sehr hohe Reproduktionsraten und ziehen viel Wasser“, konstatiert Klepper. Bei Neupflanzungen setze man auf Bäume, die mit Trockenheit und Hitze besser zurechtkommen. Allerdings ist Kelsterbach beim Waldumbau an die Beschlüsse des Planfeststellungsbeschlusses zum Bau der Nordwestlandebahn gebunden. Das führt zu solch unverständlichen Maßnahmen, dass ein dicht gewachsener Bestand an Roteichen in den nächsten Jahren weichen muss, da diese als nicht heimisch gelten. Ersetzt werden diese dann durch rund 5000 heimische Laubbäume, sobald diese groß genug gewachsen sind.
Wie diese Artikelreihe gezeigt hat, gibt es mehrere Gründe, um beim Thema Wald sorgenvoll in die Zukunft zu blicken. So geht es auch Martin Klepper, auch wenn er verspricht: „Wir versuchen das Schlimmste zu verhindern.“ Ob dies gelingt, hängt von zu vielen Faktoren ab, um das sicher prognostizieren zu können. Eines aber ist gewiss: Der Kelsterbacher Stadtwald wird sich in den nächsten Jahren drastisch verändern. (sb)