Tina Baumann, Leiterin des Stadtforstes Frankfurt, Fabian Müller, Revierförster Schwanheim, sowie Christian Schönstein, Zweiter Vorsitzender des VBW fuhren traditionell in einer Kutsche vor.
Ebenfalls Tradition: Der Austausch der Andreassprüche.
Musikalisch eröffneten die Lämmerspieler Jagdhornbläser das Andreasgelage.
Die Organisatoren vom Volksbildungswerk freuten sich über einen gut besuchten Bürgersaal.
Mit viel Humor und Fachwissen fesselte Gastredner Dr. Michael Maaser das Publikum.
Auch der Volkschor sorgte mit drei Darbietungen für festliche Stimmung.
Zum 56. Mal wurde am vergangenen Freitag im Fritz-Treutel-Haus die Tradition des Andreasgelages der Moderne gepflegt. Seine Wurzeln hat die Veranstaltung bereits im Mittelalter, als Kelsterbach und Frankfurt im Jahr 1372 die Vereinbarung getroffen hatten, dass die Bauern aus der kleinen Gemeinde bis zum Andreastag ihr Vieh in den Wald des großen Nachbarn treiben durften. Im Gegenzug dafür musste ein Weidezins entrichtet werden, der im Rahmen eines opulenten Gelages übergeben wurde. Auch wenn bei der modernen Variante das gemeinsame Speisen, zur Enttäuschung von so manchem Gast, nicht mehr wie einst zu einer großen Schlemmerei mutiert, steht die Pflege der Beziehungen und des Brauchtums zwischen den Städten bis heute im Mittelpunkt des Andreasgelages. Dies wird seit der Wiederbelebung im Jahr 1966 vom Kelsterbacher Volksbildungswerk (VBW) ausgerichtet.
Dass Tradition dabei auch im Jahr 2024 großgeschrieben wird, machte bereits die Eingangszeremonie deutlich. Hier fuhren Tina Baumann, Leiterin des Stadtforstes Frankfurt, Fabian Müller, der als neuer Revierförster Schwanheims erstmals am Andreasgelage teilnahm, sowie Christian Schönstein, Zweiter Vorsitzender des VBW zu den Klängen der Lämmerspieler Jagdhornbläser in einer Kutsche auf dem Vorplatz des Fritz-Treutel-Hauses vor. Dort empfingen sie Bürgermeister Manfred Ockel, der Vorsitzende des VBW Hartmut Blaum, der Stadtverordnetenvorsteher Frank Wiegand, der Erste Stadtrat Kurt Linnert, die Landtagsabgeordnete Kerstin Geis und der Erste Kreisbeigeordnete Adil Oyan.
Im Bürgersaal wurden Schönstein, Baumann und Müller von rund 200 Gästen erwartet, vor denen sie nach weiteren Darbietungen der Lämmerspieler Jagdhornbläser den traditionellen Austausch der Andreassprüche vornahmen, getreu dem Motto „Es bleibt alles beim Alten, wie es anhero gehalten.“ Anschließend ergriff Blaum das Wort und relativierte nach der Begrüßung der Gäste zunächst das Wort Gelage: „Wir essen beim Andreasgelage tatsächlich mit Messer und Gabel und trinken aus Gläsern.“ Angesichts des Festvortrags mit dem Titel „Erst Umsturz, dann Gelage – Folgen der französischen Revolution für die Esskunst“ hoffe er, dass „unser wildes Gelage noch ein wenig weiter kultiviert wird.“
Bürgermeister Ockel hob in seinen Begrüßungsworten die Bedeutung von Traditionen hervor. Daher sei ein gut betreutes Archiv von großer Bedeutung und ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der Stadtgeschichte. Danach ging Ockel an den Ort zurück, an dem die Ursprünge des Andreasgelages zu finden sind – den Wald: „Leider wurde für den Bau der Regionaltangente West sowohl in Kelsterbach als auch in Frankfurt stark in den bestehenden Wald eingegriffen“, so der Bürgermeister. Auch wenn er die Anbindung des Nahverkehres an die Taunusgemeinden für sehr wichtig erachte, müsse man sich dennoch fragen, ob der Eingriff nicht umweltverträglicher und kostengünstiger hätte vorgenommen werden können. Es gebe aber auch gute Nachrichten zum Thema Landschaftspflege, da die Pflege und Ernte von rund 700 Bäumen auf der Kelsterbacher Streuobstwiese in die fachmännischen Hände des Ehepaars Thomas und Kerstin Laux übergeben wurde (siehe Bericht in dieser Ausgabe). Er freue sich darauf, wenn 2026 der erste Kelsterbacher Apfelwein gekeltert werde, der freilich keine Konkurrenz zu dem feinen Tropfen darstelle, mit dem die Kelterei Nöll aus Griesheim seit vielen Jahren das Andreasgelage versorgt.
Der Erste Kreisbeigeordneten Oyan zeigte sich überzeugt, dass sein erster Besuch beim Andreasgelage sicherlich nicht sein letzter gewesen sei. Er schätze es, dass hier eine gute Nachbarschaft gepflegt werde. Friedliches Zusammenleben und Zusammenarbeit seien der Kern dieser Traditionsveranstaltung, für deren Organisation er dem VBW seinen Dank aussprach. Nach diesen Grußworten sorgte der Volkschor mit „Lass die Sonne in Dein Herz“, „Aber Dich gibt’s nur einmal für mich“ und der deutschen Version des Klassikers „My way“ für festliche Stimmung, bevor der Gastredner des Abends ans Mikrofon trat.
Privatdozent Dr. Michael Maaser, Archivar der Goethe-Universität, ging zunächst auf humorvolle Art auf Ockels Loblied auf die Arbeit der Archivare und die Bedeutung der Archive ein, bevor er sich den Auswirkungen der Französischen Revolution auf die Esskultur widmete. In knapp 40 Minuten fütterte er das gespannt lauschende Publikum mit allerhand Fakten, etwa zur Entstehung der Restaurants oder dem Hervorgehen eines Nationalfeiertags aus einem Gelage. Zwischendurch machte der Dozent mit Einblicken in die französische Küche seiner Zuhörerschaft den Mund wässrig. Da war es nur gut, dass der Tierschutzverein schon bereitstand, um dem aufgekommenen Hunger mit dem Servieren von Rindswürsten zu begegnen.
Nach einem durchaus gesitteten Gelage sprach Stadtverordnetenvorsteher Wiegand die Schlussworte, in denen er nicht nur den Verantwortlichen für die Umsetzung der Veranstaltung sowie für die musikalische Unterhaltung, den informativen Vortrag und die Bewirtung der Gäste dankte. Er hob auch hervor, wie wichtig eine Veranstaltung wie das Andreasgelage sei: „Diese Traditions- und Freundschaftspflege mit unserer Nachbarstadt Frankfurt brauchen wir.“