Wenn im Amtsgericht auf der Liste der angesetzten Strafverhandlungen ein afrikanisch oder arabisch klingender Name steht, stellt sich diese Frage jedes Mal. Oft genug kommt es vor, dass zwar die geladenen Zeugen und ein Dolmetscher anwesend sind, doch vom Angeklagten fehlt jede Spur. Das Gericht muss dann 15 Minuten warten, bevor die Sache noch einmal aufgerufen wird. Ist der Angeklagte danach immer noch nicht da, beantragt die Staatsanwaltschaft normalerweise einen Haftbefehl gegen ihn, den das Gericht in der Regel auch ausstellt. Kann die Polizei den Angeklagten an der letzten bekannten Anschrift nicht mehr ausfindig machen, heißt es abwarten, denn in diesem Fall hilft meistens nur noch „Kommissar Zufall“.
Vorige Woche ist es wieder mal so weit. Nach Aufruf der Sache erscheinen lediglich einer von zwei geladenen Zeugen und ein routinierter Dolmetscher für Arabisch, den man schon öfter im Gerichtssaal gesehen hat. Der zweite Zeuge, ein Bruder des ersten, hat angeblich die Ladung nicht bekommen. Die Zustellungsurkunde ist aber in den Gerichtsakten abgeheftet, genau wie die für den Angeklagten. In welcher Form die Zustellung erfolgt ist, sagt Richterin Buchenberger aber nicht.
Man muss wissen, dass in gerichtlichen und wichtigen behördlichen Verfahren der Begriff „Zustellung“ nicht bedeutet, dass ein normaler Brief einfach mit der Post an den Empfänger verschickt wird. Vielmehr liegt dieser Brief in in einem größeren Kuvert, in dem sich zusätzlich eine Zustellungsurkunde befindet, die herausgezogen werden kann ohne den Brief zu öffnen. In dieser Urkunde dokumentiert der Briefbote das Datum und die Form der Zustellung und schickt sie an den Absender zurück.
Einfachste (und sicherste) Form der Zustellung ist natürlich die persönliche Übergabe an den Empfänger. Wird dieser nicht angetroffen, bestehen mehrere Möglichkeiten, von denen die letzte die sogenannte „Niederlegung“ ist. § 181 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung, der die Zustellung regelt, lautet: „Wird die Post mit der Ausführung der Zustellung beauftragt, ist das zuzustellende Schriftstück am Ort der Zustellung oder am Ort des Amtsgerichts bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle niederzulegen.“ Der Empfänger findet dann eine Mitteilung in seinem Briefkasten dass und wo er den Brief - hier die Ladung zur Verhandlung - innerhalb von drei Monaten abholen kann.
Man kann sich vorstellen, dass Menschen, die der deutschen Sprache nicht oder nur unzulänglich mächtig sind, von solchen behördlichen Vorgängen überfordert sind. Selbst wenn ihnen der Briefträger das Schreiben persönlich übergeben hat, wissen sie damit nicht unbedingt etwas anzufangen. Nicht immer dürfte es also böser Wille sein, wenn Angeklagte und/oder Zeugen nicht vor Gericht erscheinen.
Der Zeuge, der heute im Gerichtssaal anwesend ist, macht auch nicht den Eindruck, dass er das, was Richterin Buchenberger ihm über das Verfahren der Kostenerstattung erklärt (sein Onkel hat ihn mit dem Auto zum Gericht gebracht) wirklich verstanden hat, auch wenn der Dolmetscher ihm das alles übersetzt hat.
Die Problematik, der das Amtsgericht Hermeskeil hier vielleicht in höherem Maß als andere Amtsgerichte ausgesetzt ist, ergibt sich aus dem Vorhandensein der AfA in der früheren Hochwaldkaserne. Auch dort geschehen Straftaten, die die Justiz ja nicht einfach übergehen kann, insbesondere wenn es sich um ernst zu nehmende Dinge wie in diesem Fall um gefährliche Körperverletzung handelt. Dass die „Mühlen der Justiz“ in solchen Fällen besonders langsam mahlen, weil Angeklagte zur Fahndung ausgeschrieben oder Zeugen von der Polizei gesucht und zum Termin vorgeführt werden müssen, ist ohne Weiteres nachvollziehbar. (WIL-)