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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 7/2024
Aus dem Gerichtssaal
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Sie war wohl überfordert

Eine junge Frau sitzt wegen Betrugs auf der Anklagebank. Einmal hat sie den Tierarzt, der ihre Katze behandelt hat, nicht bezahlt; das sind zwar nur 110 Euro, aber die Höhe spielt für die Frage einer Straftat letztlich keine Rolle. Der zweite Fall liegt schon etwas höher: Für über 500 Euro hat sie medizinische Geräte – zur Behandlung einer Skoliose, sagt sie – bestellt und auch erhalten, aber ebenfalls nicht bezahlt.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, in beiden Fällen gewusst zu haben, dass sie überhaupt nicht bezahlen konnte. Aber das lässt sie so nicht stehen und sagt zunächst, dass sie die Tierarztrechnung nicht bezahlen wollte, weil ihre Katze nachweislich falsch behandelt worden ist. Kurz darauf erklärt sie aber, dass ihr damaliger Partner das Geld überweisen sollte, nachdem sie wegen psychischer Probleme zur Therapie ins Krankenhaus gegangen sei. Zu der Bestellung sagt sie erst, ihr Vater habe ihr das Geld geben wollen. Dann meint sie, sie hätte den Vater beauftragt, das Geld zu überweisen; sie habe das aber nicht mehr überprüft. Bei ihrer Vernehmung durch die Polizei hatte sie auch hier gesagt, ihr „Ex“ hätte das erledigen sollen, wirft Richterin Buchenberger ein. Die Angeklagte wirkt während der gesamten Verhandlung – vorsichtig ausgedrückt – etwas unkonzentriert...

Als die Richterin einen Blick in die Kontoauszüge der Angeklagten aus der fraglichen Zeit wirft, wird schnell klar, dass diese damals kein Geld gehabt hat, um die Rechnungen zu bezahlen. „Das Konto war nicht besonders gut gedeckt im Tatzeitraum“, meint die Juristin. Der damalige Partner der Frau – inzwischen ist sie mit einem anderen Mann verheiratet und hat ein kleines Kind – ist als Zeuge geladen. Er kann sich nicht daran erinnern, dass er den Tierarzt hätte bezahlen sollen. Was er noch genau weiß ist, dass die Rechnung wegen der Falschbehandlung überhaupt nicht bezahlt werden sollte. Von den Geräten weiß er gar nichts, sagt er, denn zu der Zeit sei die Beziehung schon auseinander gewesen.

Weil die Angeklagte im Tatzeitraum noch Heranwachsende war, ist auch die Jugendgerichtshilfe eingeschaltet worden. Deren Bericht, den Richterin Buchenberger verliest, zeichnet kein positives Bild von der Kindheit der Frau. Als sie fünf Jahre alt ist, lassen sich die Eltern scheiden und sie wechselt in der Folgezeit mehrmals hin und her. Die Schulkarriere verläuft eher schleppend; immerhin hat sie mit 18 Jahren die mittlere Reife geschafft. Eine Berufsausbildung hat sie nicht. Heute lebt sie mit Mann und Kind zusammen mit ihrem Vater und den Großeltern unter einem Dach. Die Jugendgerichtshilfe plädiert für die Anwendung von Jugendstrafrecht, weil die Angeklagte mit allem überfordert gewesen sei.

Der Staatsanwalt stimmt dem zu und meint, es habe sich um eine einmalige jugendliche Verfehlung gehandelt. Deshalb hält er eine Verwarnung für ausreichend, weil die Frau sich in einer schwierigen finanziellen Situation befunden hat, nicht vorbestraft ist und seit der Tatzeit auch nicht wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.

Auch das Gericht schließt sich dem an und macht der Angeklagten zur Auflage, innerhalb von sechs Monaten zwei Termine bei der Schuldnerberatung wahrzunehmen und das dem Gericht nachzuweisen, damit sowas nicht noch einmal passiert. „Ihre Aussagen sind allein durch die Kontostände widerlegt“, erklärt Richterin Buchenberger. Außerdem habe die Angeklagte heute andere Aussagen gemacht als bei der Polizei. Verfahrenskosten werden der Frau nicht auferlegt, weil sie kein Einkommen hat. Allerdings ordnet das Gericht an, dass die erlangten Vermögensvorteile eingezogen werden, was aber erst geschieht, wenn die inzwischen beantragte Privatinsolvenzverfahren abgeschlossen ist.

Das Urteil ist rechtskräftig, weil sowohl die Angeklagte als auch der Staatsanwalt die Entscheidung akzeptieren.