Florian Maubach, Hans-Georg Klein, Jubiläumsbesucherin Martina May, Peter Diewald, Heike Hollunder, Dr. Wilbert Herschbach.
AHRWEILER. TW. Da staunte Martina May aus Essen nicht schlecht: als sie Freitagmorgen ihr Ticket für den Zutritt zum Regierungsbunker löste, war es die Eintrittskarte mit der laufenden Nummer 1.000.000. May war tatsächlich die einmillionste Besucherin des einstigen „Staatsgeheimnisses Nummer eins.“ Statt eines einfachen Tickets gab es Gratulationen, Ahrtaler Weine und einen Gutschein für ein weiteres Wochenende im Ahrtal. Damit habe sie nun wirklich nicht gerechnet, so die glückliche Jubilarin, die genau das verkörperte, was in den letzten 15 Jahren unter den Weinbergen bei Ahrweiler passierte: May war mit einer 71 Personen starken Reisegruppe vor Ort, die Bunkerführungen waren Abschluss eines Kurztrips ins Ahrtal. Der Kreis schloss sich, weil die Gewinnerin zu einer Gruppe des Thyssen-Krupp-Managements gehörte. Auch deren Stahl war beim Bau der Dokumentationsstätte verarbeitet worden, wußte der Vorsitzende des Heimatvereins Alt-Ahrweiler, Hans-Georg Klein. Klein hatte zu einem Empfang anlässlich der neuen Siebenstelligkeit der Besucherzahlen eingeladen.
Dabei kam die Geschichte des einst 17,6 Kilometer langen Stollenbauwerks, von dem 203 Meter als Museum blieben und nicht zurückgebaut gebaut wurden, noch einmal auf den Tisch. Was einst große Probleme waren, wurde nun in Anwesenheit zweier „Väter der Erfolgsgeschichte“ beschmunzelt. Einer von ihnen war Dr. Wilbert Herschbach, damals Vorsitzender des Heimatverein Alt-Ahrweiler, der sich mehr oder minder von Landrat Pföhler den Bunker aufs Auge drücken ließ, so die Ausdrucksweise von Hans-Georg Klein. Klein war seinerzeit selbst Gegner des Projekts, nur wegen der Kündigungsfrist von gerade einmal vier Monaten habe er zugestimmt. Wichtigste Person aus den Anfangstagen des Museums aber war Florian Mausbach, der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Er plauderte aus dem Nähkästchen, vom ungewöhnlichen Auftrag der Regierung an das BBR, einen Atombunker zurückzubauen, vom Wehmut der dortigen Mitarbeiter, dass dieses technische Wunderwerk seiner Zeit zurückgebaut werde und von den Bemühungen des Landrats, den Bunker zu erhalten.
Als Mausbach bei einer Wanderung eher zufällig der Bunkereingang bei Ahrweiler ins Auge fiel, war ihm die Idee des Museums in einem kleinen Teilbereich gekommen, Landrat Pföhler sei begeistert gewesen. Mausbach aber sei „von Pontius zu Pilatus“ mit seiner Idee gelaufen und fand erst beim ersten Chef des neu gegründeten Bundesamts für Immobilienaufgaben (BIMA) Gehör. Nur sagte die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler den geplanten Betrieb mit dem Kreis ab, was Mausbach zu einem Zitat bewog, dass Hans-Georg Klein gerne noch einmal ausführte: „Da steh ich nun mit meinem Bunker, den niemand haben will.“
Wenig begeistert war Mausbach auch, als Pföhler ihm einen Heimatverein als Betreiber des Museums präsentierte. Immerhin war zwischenzeitlich die Finanzierung geklärt, denn vereinbart wurde, eine Dokumentation über das zweitgrößte Relikt des Kalten Krieges nach der Berliner Mauer zu erstellen. Selbst DDR-Spionagechef Markus Wolf war kontaktiert und zum Wissen der DDR-Spionage zum Bunker befragt worden. „Die wußten alles, was die Sowjetunion wissen sollte, nämlich dass die Bundesregierung einen Schutz vor einem Atomwaffenschlag hatte“, so Mausbach. Derweil sollte auf einen Rückbau der Lüftungsschächte am Berg verzichtet und diese stattdessen mit Hinweisschildern auf ihre ehemalige Funktion versehen werden. Das Museumsprojekt war gesichert, der 1997 aufgegebene Bunker wurde ab 2001 zurückgebaut – auch nach den Anschlägen auf die USA am 11. September und dem damit ausgerufenen NATO-Bündnisfall. Bis auf besagte 203 Meter.
Vor 15 Jahren öffnete das Museum, es wurden 100 Besucher pro Monat prognostiziert und es waren schon im ersten Jahr 82.000 Menschen. Die New York Times widmete dem Projekt eine ganze Seite, Bundespräsident Horst Köhler schauderte vor Ort ob des Präsidentenbereichs unter Tage. Viel Prominenz und noch mehr Touristen kamen und 2009 erhielt die Anlage den Europa Nostra Preis für herausragende Leistungen im Bereich der Erhaltung von Kulturerbe. Die Dokumentationsstätte ist seither europäisches Kulturgut. Die Besucherzahlen blieben hoch, nur Corona und die Flutkatastrophe verhinderten, dass das Ticket Nummer 1.000.000 schon im Jahr 2020 verkauft wurde, sicherlich zur Freude von Martina May aus Essen.
Stadt und Heimatverein hatten sich nach dem Rückzug aus dem Rathaus auch schnell versöhnt, heute unterstützt die Kommune einen der wichtigsten Frequenzbringer, wie der Erste Beigeordnete Peter Diewald betonte. Jährlich erhält die Dokumentationsstätte, die für einen Auftrieb der ohnehin guten Besucherzahlen im Museum Römervilla sorgte, einen namhaften finanziellen Betrag von der Stadt, dazu wurden Wasserleitungen gelegt oder ein großer Parkplatz gebaut. Dass die „Zeitenwende“ den Bunker wieder mehr in den Fokus rücke und dieser als Mahnmal einer historischen Ära plötzlich wieder aktuell in den Fokus gerät, merkte Diewald ebenfalls an.
Heike Hollunder führt ein ungewöhnliches Museum
Museumspädagogin Heike Hollunder ist „die Chefin im Bunker“, sie leitet dieses ungewöhnliche Museum, das mittlerweile 50.000 Führungen erlebte und in dem fast 50 Menschen als Museumsführer oder in anderen Tätigkeiten arbeiten. Aktuell wolle der Heimatverein wieder neue Führer ausbilden, auch in Fremdsprachen, wobei niederländische Touristen den größten Anteil ausländischer Besucher ausmachen. Hollunder freut sich auch heute noch über Exponate aus dem Kalten Krieg, die dem Museum zukommen. Gerade erst erhielt sie einen Computer aus dem Bonner Kanzleramt. Spione hatten sich nach dessen Installation in einem benachbarten Hotel eingenistet, weil sich das Geschriebene vom Bildschirm in den Fenstern des Kanzleramtes spiegelte.