Während sich die Natur so allmählich an der Edeka-Ruine breit macht, entsteht im Hintergrund das nagelneue Mercedes-Autohaus.
HEMMESSEN. TW. Drei Jahre nach der Flutkatastrophe im Ahrtal geht es voran. Sollte man meinen. Tatsächlich ist einiges Zerstörte schon fertig oder kurz vor der Fertigstellung. Vieles aber noch nicht. Diskrepanzen gibt es überall, nicht nur im privaten Wiederaufbau. Auch in der kommunalen Wiederherstellung des einstigen Status Quo unter Beachtung neuer Gesetzgebungen hakt es an vielen Ecken. Im gewerblichen Wiederaufbau ist das nicht anders. Blickt man in den Kreisstadt-Stadtteil Hemmessen, dann fallen dem Betrachter in der Sebastianstraße schicke neue Hallen in schwarzer Farbe und eine große Ausstellungshalle mit riesigen Fensterfronten ins Auge. Hier entsteht das neue Mercedes-Benz Autohaus der KBM Motorfahrzeuge GmbH & Co. KG. Noch in diesem Jahr soll Eröffnung gefeiert werden, in der Werkstatt werden schon mehr als ein Jahr lang die Nobelkarossen mit dem Stern gewartet.
Wand an Wand steht das Autohaus mit dem zur Weinbergstraße hin gelegenen Edeka-Markt „Ahrtal-Center“ mitten in Hemmessen. Der Supermarkt sieht noch aus, als wäre die große Flut gerade erst vor wenigen Tagen durchs Ahrtal gerauscht. Die Natur holt sich derzeit am Gebäude und auf dem ehemaligen Parkplatz die Flächen allmählich zurück. Hier war einst Unternehmer Timo Boden erfolgreich tätig. Bis zu jedem 14. Juli 2021. Da wurde von den Wassermassen alles zerstört, sogar ein PKW stand anderntags in den Resten des Supermarktes. „Im Keller wurde für 50.000 Euro Wein vernichtet“, so der Hobby-Sommelier Boden. In der Folge begannen stürmische Zeiten, die bis heute anhalten. Nur Boden, Pächter des Marktes und auch des Nachfolgegebäudes ist ruhiger geworden. „Hätte ich mich in jedes neue Thema rund um den Neubau so richtig reingeklemmt, wäre ich heute wohl depressiv“, sagt der Unternehmer. Er macht aber auch klar, dass der Neubau längst bis ins kleinste Detail geplant ist. „Ich kann heute schon sagen, wo welche Flasche Ketchup stehen wird“, sagt Boden.
Ketchup haben sie nebenan bei Mercedes keinen im Angebot. Dort stehen zum einen der Verkauf verschiedenster Mercedes-Automobile und -Lastwagen, aber auch Service und Reparatur an. Letzteres läuft schon seit rund einem Jahr. Auf Basis der von der Flut übrig gelassenen Werkstattmauern habe man den Servicebereich noch einmal vergrößert, um rund 200 Quadratmeter. Dies auch, weil die E-Mobilität bei Mercedes Einzug genommen hat. Es ging im Vergleich mit anderen Gewerben flott, bestätigt Betriebsleiter Thomas Stapel. Rund ein Jahr nach der Katastrophe habe der Wiederaufbau auf dem Gelände an der Sebastianstraße begonnen. Schon kurz nach der Flut war bei KBM der Beschluss gefasst worden, die Präsenz im Ahrtal auf jeden Fall beibehalten zu wollen. Frühzeitig begannen in der Zentrale in Neuwied die entsprechenden Planungen. Größere Probleme mit den Genehmigungsbehörden habe es ebenfalls nicht gegeben, sagt Thomas Stapel. Das KBM-Gelände liegt ohnehin außerhalb des festgelegten vorzeitigen Überflutungsbereichs.
Nebenan bei Edeka flatterten Timo Boden immer mehr Entwürfe für ein künftiges Aussehen eines Nachfolgers des im Jahr 1978 erstellen Ahrtal-Centers über den Schreibtisch. Boden blickte selbst kaum mehr durch. Auch der Stadtrat wurde angesichts von Gerüchten über einen geplanten Wohnungsbau nervös und verwies auf die Ausweisung der Fläche als „Nahversorgungsstandort Weinbergstraße.“ Schließlich wurde eine finale Planung mit einem Supermarkt und 1.700 Quadratmetern Verkaufsfläche final im Stadtrat besprochen. Der erteilte im März 2023 sein Einvernehmen zum Bauantrag für den neuen Supermarkt mit insgesamt 76 PKW-Stellplätzen.
Seither ist augenscheinlich nicht mehr viel passiert. Der Grund: die Grundstücken, auf denen beide Unternehmen beheimatet sind, weisen kleine Flächen auf, die jeweils ins andere Grundstück hineinreichen. Hier sind die Parteien bemühte, entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Das dauert. Da sich ein Abriss des Ahrtal-Centers am wirtschaftlichsten in Kombination mit der sofortigen Umsetzung des Neubaus darstellen lässt, warten die Eigentümer des Geländes nun auf die Erteilung der Baugenehmigung, um mit dem Bau des neuen Nahversorgers starten zu können. Timo Boden sieht es mittlerweile mit einer gewissen Gelassenheit. Denn sein Blick ins gesamte Flutgebiet zeigt, dass es vor allen bei den großen Wiederaufbauprojekten an allen Ecken und Enden hakt. „Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass auch noch drei Jahren die großen Projekte augenscheinlich nicht vorankommen.“ Boden wirft dabei so mancher Amtsstube vor, viel zu sehr ins „klein-klein“ zu verfallen.
Ist die Baugenehmigung für das neue Ahrtal-Center da, dann werden die Abrissarbeiten rund einen Monat dauern. Der Neubau ist mit 14 bis 16 Monaten geplant. Für die Inneneinrichtung rechnet Timo Boden mit vier bis sechs Wochen. Frühestens Mitte 2026 ist für den neuen Markt ein realistischer Eröffnungstermin. Nachbar KBM will sein neues Autohaus Ende 2024 bereits vollkommen fertiggestellt haben.