Hier entsteht derzeit ein neuer sozialter Treff für Hemmessen.
HEMMESSEN. TW. Was tun, wenn das soziale Leben nach und nach wegbricht und es keine Treffpunkte mehr gibt? In Hemmessen können die Menschen von dieser Situation ein Lied singen. Aber es gibt auch Hoffnung, dafür sorgt ein neu gegründeter Verein.
Hemmessen ist ein Quartier zwischen den beiden großen Stadtteilen Ahrweiler und Bad Neuenahr. Eigentlich ein Ortsteil Neuenahrs neben Beul und Wadenheim, zeigt Hemmessen nach außen hin einen recht eigenständigen Charakter, wird auch gerne als „Bindestrich-Quartier“ bezeichnet. Am letzten Wochenende war Kirmes. Ein Fest, dass das Dilemma des Ortsteils mehr als jedes andere Event dort verdeutlicht. „Klein, aber oho“, das konnte Hemmessen noch vor fünf Jahren von sich sagen. Nicht nur zur Kirmes tobte dort das Leben. Wer rausgehen wollte, ging ins Hotel Zum Ahrtal. Dort feierten die Vereine ihre Feste und die Menschen die Höhepunkte des Lebens. Doch plötzlich war Schluss, 2020 wurde nicht nur für immer geschlossen, es rückten auch bald die Abrissbagger an. Die Hemmesser standen auf der Straße.
Nur gut, dass es eine funktionierende Bürgergesellschaft gibt. Die hatte auch einen Ort für die künftigen Feiern parat, aber der liegt in den Weinbergen hoch über der Stadt. Wer nicht mehr so gut zu Fuß ist, muss zur Hemmessener Hütte gefahren werden. Dann kam Corona, vor allem aber im Juli 2021 die Flutkatastrophe, die Hemmessen voll erwischte. Jetzt, dreieinhalb Jahre später, sieht es immer noch düster aus. Das Café in der kleinen Bäckerei Degen an der Ecke, gegenüber des einstigen Hotels „Zum Ahrtal“, hat immer noch geschlossen, vermutlich wird es dort nach einer Wiedereröffnung nur einen Shop, aber kein Café mehr geben. Auch das italienische Restaurant La Concordia, dass die Nachfolge der Pizzeria Rosengarten angetreten hatte und das viele Hemmesser besuchten, wird wohl nicht wieder öffnen. Der Inhaber ist mittlerweile in den Lebensmittelhandel gewechselt, zuvor war er an immer wieder wechselnden Gutachten schier verzweifelt.
Und noch ein sozialer Treffpunkt liegt immer noch in Trümmern: Der Supermarkt Ahrtal-Center sieht noch aus, als wären die braunen Fluten dort erst vor wenigen Tagen durchgeschossen. Die Neubaupläne sind längst vom Stadtrat abgesegnet, doch auf Bau- und Abrissgenehmigung warten Pächter und Inhaber auch weit mehr als 1000 Tage nach der Katastrophe noch vergeblich. Heißt im Klartext: Von einst vier sozialen Treffpunkten, die das Leben in Hemmessen ausmachten, ist keiner mehr da. Von hundert auf null: Das soziale Leben ist weggebrochen.
Eine Entwicklung, die viele der Einwohner trotz der Schwere der Ereignisse und vielfach eigener Betroffenheit so nicht hinnehmen wollen. Und so fußt das soziale Leben aktuell auf den Schultern zweier Vereine. Da ist zum einen die rührige Bürgergesellschaft, 1964 ins Leben gerufen. Sie ist an vielen Stellen aktiv, lädt zu Kirmes und Bürgerfest ein. Die Gesellschaft richtet Tages- und Mehrtagesfahrten aus, in einer Sozialgruppe kümmern sich Senioren um ihresgleichen und an rund 50 Terminen öffnet und bewirtschaftet die Gesellschaft die Hemmessener Hütte, die im Sommer viele Wanderer und Spaziergänger anlockt. „Das ist auch für dieses Jahr alles gesichert“, sagt Friedrich Moßmann. Er rückte im Jahr 2018 als damaliger Schatzmeister eigentlich eher kommissarisch auf das Amt des Vorsitzenden, weil sein Vorgänger erkrankt war. Nun steht er immer noch an der Spitze, aber nur noch bis zum kommenden Jahr. Dann will Moßmann bei den Vorstandswahlen nicht mehr antreten. Was er allerdings befürchtet: Es wird schwer werden, einen Nachfolger zu finden. In den Vereinen weit und breit reißt sich kaum mehr jemand um einen Job im Ehrenamt, der große Teile der Freizeit verschlingt und oft genug mit wenig Dank honoriert wird. Was aber, wenn die Bürgergesellschaft keinen Vorsitzenden finden sollte? Das mag sich der aktuelle Mann an der Spitze gar nicht ausdenken. Aber die Strukturen der Gesellschaft zeigen ein hohes Durchschnittsalter, Nachwuchs steht nicht bereit. Wie fast überall in den Vereinen. Bricht Hemmessen die Bürgergesellschaft weg, wäre es der nächste schwere Schlag.
Ortsvorsteher Richard Lindner hat bereits angekündigt, sich in Kürze mit Vertretern aller drei Bürgergesellschaften aus Hemmessen, Beul und Wadenheim treffen zu wollen, um die Probleme zu erörtern und über Lösungsmöglichkeiten nachzudenken. Zwei Jahre nach der Flut wurde der Verein „Förderkreis Hemmessener Dom“ gegründet. Der will nicht nur die bislang nur rudimentär erfolgte Sanierung der Kapelle begleiten, sondern auch das kulturelle, soziale und liturgische Leben im Ort unterstützen. Dafür hat der Verein nun die Räume des ehemaligen Café Degen gemietet, will diese möblieren, dort neue Farbe an die Wand bringen und einen Quartierstreff eröffnen. Veedelstreff DomCafé soll es heißen, die Kosten zumindest für die kommenden beiden Jahre werden aus Spendengeldern der Flutkatastrophe getragen. Geplant ist ein Begegnungsort mit Café von BürgerInnen für BürgerInnen und einem bunten Programm, dass aber auch für private Feiern angemietet werden kann. Derzeit laufen die Arbeiten, ab und an werden bereits Gruppen empfangen. Wie immer im Ehrenamt wird dann alles davon abhängen, ob es genügend Mitarbeiter gibt, die sich unentgeltlich für die Allgemeinheit engagieren. Der Lohn: Hemmessen kommt wieder ein Stück weit auf die Beine.