Trauben, die ein solches Fass, wie Marc Linden es hier zeigt, füllen, fehlen dem Winzer nach dem Diebstahl.
BAD NEUENAHR. TW. Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren zu massiven Traubendiebstählen im Ahrtal. Dabei wurden meist ganze Weinberge abgeerntet. Jetzt hat es das Bad Neuenahrer Weingut Sonnenberg „erwischt“, in dessen Keller nun rund 2.000 Liter Weißwein fehlen. Den entstandenen Schaden beziffert Winzer Marc Linden auf 18.500 Euro.
Dabei hätte die Lese für Linden eigentlich kaum besser beginnen können. Der rund ein Viertel Hektar große Weinberg im Ahrweiler Ursulinengarten hing voller weißer Solaris-Trauben. Eine letzte Probe ergab Ende August mehr als 100 Grad Oechsle. Mit der zu erwartenden Menge von rund 2.000 Litern hatte Marc Linden schon einiges geplant, denn der Solaris ist nicht nur ein guter Grundwein für einen Landwein. Also wurden die Reben mit Netzen abgedeckt, denn „die Vögel wissen auch, wo die süßen Trauben hängen“, so der Winzer. Gegen Wanderer nützen die Netze übrigens wenig, aber die holen sich zumeist auch nur eine Traube. Offiziell verboten ist aber auch das, auch wenn es in der Tourismusregion Ahrtal nicht geahndet wird. „Die leckeren Trauben sind eher Werbung für die Region“, sagt auch Weinbaupräsident Hubert Pauly mit einem Augenzwinkern. Auch er beobachtet den massiven Diebstahl von Lesegut mit Sorge, macht aber auch klar: „Bei uns im Ahrtal passiert das nicht allzu oft, da sind eher die Pfalz oder Rheinhessen betroffen. In den großen Weinbauregionen kommt es auch schon Mal vor, dass Lesehelfer mit den großen Erntemaschinen versehentlich in der falschen Parzelle ernten.“
Winzer Marc Linden nützt das zumindest in diesem Jahr wenig. Als nämlich im Weingut Sonnenberg einige Tage nach der letzten Oechslemessung die ersten Erntehelfer ankamen, schickte der Winzer diese sogleich in den Ursulinengarten zur Lese des Solaris. Ernüchternd war es dann, als ihn kurze Zeit später ein Anruf aus dem Weinberg ereilte: „Chef, die Trauben sind weg und die Netze alle geöffnet.“ Der Schaden war groß, der komplette Weinberg mit seinen 2.500 Quadratmetern Fläche bis auf wenige Trauben leergefegt. Hier waren Profis am Werk. Für Linden eine klare Sache: „Der Weinberg nahe der Martinsfeuerstelle der Ahrhut ist sehr gut über Wirtschaftswege erreichbar. Die Trauben dort passen in zwei große Bottiche, dafür benötigt man nur einen kleinen Traktor mit Anhänger oder zwei Lieferwagen, bestückt mit je drei Leuten. Dann ist der Weinberg schnell abgeerntet.“ Auch nachts. Linden vermutet zumindest, dass die Traubendiebe zu nächtlicher Stunde kamen, zur Zeit des Traubendiebstahls herrschte Vollmond. Da bedarf es keiner Taschenlampen, die aus dem Tal hätten gesehen werden können. Die Tatsache, dass vereinzelt Trauben vergessen wurden abzuernten, könnte die Annahme des Winzers untermauern. Hubert Paulys Vermutung geht jedoch eher in Richtung des Diebstahls am Tag. Da werde überall gelesen und niemand überprüfe die Erntehelfer, meint er.
Auf alle Fälle fehlen dem Weingut Sonnenberg nun rund 2.000 Liter Wein, eines der großen Fässer wird leerbleiben. Marc Linden blieb nichts anderes übrig, als den Diebstahl mittels Kamera zu dokumentieren, bei der Polizei zur Anzeige zu bringen, den Schaden zu errechnen und eine entsprechende Meldung an die Weinkontrolle abzusetzen.
Aber wer kann etwas mit 2.500 Kilogramm Trauben anfangen, die schnell verarbeitet werden müssen? Auch hier gehen die Spekulationen weit auseinander. Das Lesegut kann gut gekühlt einen Tag halten, muss aber dann verarbeitet werden. „Winzerkollegen“, die an Genossenschaften liefern, können es wohl kaum sein, denn dann würden sich Abweichungen in den Erntemengen ergeben, die hinterfragt würden. Macht der Dieb, egal ob Winzer oder Nicht-Winzer mit entsprechenden Geräten, aus dem Wein allerdings Federweißen, was nicht sonderlich schwer ist, sieht die Sache ganz anders aus. „Federweißer wird doch im Herbst an allen größeren Straßen angeboten, ich kann mir nicht vorstellen, dass der nicht auch durch die Bücher geht“, vermutet Linden eine Verarbeitung und einen Schwarzverkauf des Diebesgutes, um einen „schnellen Euro“ zu erwirtschaften. Mangels flächendeckender Kontrollen sei das naheliegend. Hubert Pauly hat noch eine weitere Idee, nämlich im Zuzug aus osteuropäischen Gebieten. „Die Menschen dort kommen überwiegend aus der Landwirtschaft und haben die Erzeugnisse aus ihren Gärten immer zum Eigenbedarf verarbeitet“, sagt er und macht gleich klar, dass auch das nur eine Spekulation sein kann und man niemanden anklagen wolle und könne. Wer die Trauben letztendlich geerntet hat, wird wohl nie zutage kommen, denn die Staatsanwaltschaft informierte den Bad Neuenahrer Winzer, dass das Verfahren mangels Aussicht auf Erfolg eingestellt wurde.
„Bisher haben wir immer Glück gehabt, aber dieses Jahr hat es uns voll getroffen“, resümiert Marc Linden. Neben den Trauben sei im Juli nach dem Burgunderfest ein rund 10.000 Euro teures Stromkabel gestohlen worden. Zudem habe er Wohncontainer für die Erntehelfer bestellt und bezahlt, den Lieferanten gebe es nun plötzlich nicht mehr. Und auf dem Hof kam es zu Einbrüchen und Diebstählen in Lagerstätten.