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Stadtzeitung Bad Neuenahr-Ahrweiler
Ausgabe 49/2023
Aktuelles
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Stellwerktechnik der 1950er Jahre hat ausgedient

Bezirksleiter Sascha Hennen muss der alten Technik "Lebe wohl" sagen.

Georg Laumen erläutert die neue Steuerzentrale.

Am 12. Dezember beginnt auf der Ahrtalbahn eine neue Zeitrechnung

AHRWEILER. TW. Lange geplant und nun im Schnellschuss umgesetzt: so kann man die jüngste Entwicklung der Ahrtalbahn hin zu einer elektrifizierten Bahnstrecke mit Schienenverkehr im 20-Minuten bezeichnen. Ein erster großer Schritt ist die Verabschiedung der Stellwerkstechnik auss den 1950er Jahren mit ihren drahtgebundenen Signal- und Weichenstellungen. Die Technik trägt sogar das Produktionsdatum 1910. Ab dem 12. Dezember sorgte ein elektronisches Stellwerk (ESTW) dafür, dass der Bahnverkehr zunächst zwischen Remagen und Walporzheim in geordneten Bahnen verläuft.

Der Grund für die Eile ist klar: die Ahrtalbahn wurde am 14./15. Juli 2021, als sich eine Flutwelle den Weg durch das Ahrtal bahnte, zu großen Teilen zerstört. Die Bilanz seinerzeit: fünf Verkehrsstationen zerstört, eine durch Aufräumarbeiten schwer beschädigt, weitere überflutet. Zwischen Walporzheim und Ahrbrück wurden neun Brücken zerstört, alle Stützbauwerke fielen der Flut zum Opfer und 14 Kilometer Schienen sind nicht mehr befahrbar. Auf mindestens fünf Kilometer muss der komplette Bahnkörper wieder neu hergestellt werden. Wie zwischen Mayschoß und Laach, wo die Ahr ihr Bett komplett zum Berghang hin versetzte und Bahn samt Radweg förmlich verschluckte.

Seit diesem Jahr läuft der Wiederaufbau, dabei wird die komplette Ahrtalbahn auf den neuesten technischen Stand gebracht. Mit allen Konsequenzen, die beispielsweise die Tunnelquerung von fünf Eisenbahntunneln mit sich bringt. Damit dort Oberleitungen installiert werden können, müssen die Tunnelböden vertieft oder die Tunnel generell aufgeweitet werden. Viel Arbeit, zumal sich Genehmigungsbehörden, wie Eisenbahnbundesamt oder SGD Nord auch noch über ihre Kompetenzbereiche uneinig sind.

Mit dem 12. Dezember wird nun ein erster großer Schritt auf dem Teil der Ahrtalbahn vollzogen, der weniger schwer betroffen war und wo längst wieder Züge fahren. Ab dann will die Bahn Züge zwischen Remagen und Walporzheim per Mausklick steuern. Vorbei ist das Setzen schwerer Hebel in mechanischen Anlagen. Damit moderne Leit- und Sicherungstechnik künftig die Züge im Ahrtal steuert, nimmt die Bahn zwei neue ESTW in Betrieb. Dank dieser ESTW können die Züge künftig bei Bedarf besser die Gleise wechseln und der Bahnbetrieb wird insgesamt flexibler und leistungsfähiger. Der Einsatz der modernen Leit- und Sicherungstechnik ist zudem der erste wichtige Schritt zur Einführung eines 20-Minuten-Verkehrstaktes auf der Ahrstrecke. Den wird es aber erst nach Fertigstellung der gesamten Strecke zwischen Remagen und Ahrbrück geben. Avisiert ist das für Dezember 2025. Derzeit ist die Bahn noch voll im Zeitplan, wie Projektleiter Jonas Haffmann betont.

Die beiden neuen ESTW ersetzen die vier mechanischen Stellwerke aus den 1950er Jahren in Bad Neuenahr, Ahrweiler, Walporzheim und Bad Bodendorf. Mit den Stellwerken verschwinden auch die Menschen in den Technikräumen. Schienen werden künftig nicht mehr von Hand heruntergedreht, die Strecke nicht mehr durch Augenschein beobachtet. Niemand wird mehr über Fernsprechleitungen Meldungen absetzen. Stimmt etwas nicht, gibt es eine elektronische Informationen an den Fahrdienstleiter, dafür sorgen dann Sensoren. Nur in Bad Bodendorf sind an einem der beiden Bahnübergänge noch Kameras installiert, hier kann sich der Fahrdienstleiter bei Bedarf ein direktes Bild der Situation machen. Menschen sitzen dann nur noch im ESTW in Ahrweiler, alle anderen Stellwerke, also auch die noch zu errichtenden im Bereich zwischen Walporzheim und Ahrbrück, sind unbemannt.

Auf dem Abschnitt zwischen Walporzheim und Remagen hat sich zuletzt viel getan. Seit Juli haben die Bauteams insgesamt 40 Signale, Weichen und Gleissperren an die ESTW in Ahrweiler und Bad Bodendorf angeschlossen. Zudem hat die Bahn acht Bahnübergänge modernisiert und technisch angepasst. Bevor die beiden neuen ESTW ihre Arbeit aufnehmen können, checken zertifizierte Abnahmeprüfer vom 4. bis zum 11. Dezember die gesamte Elektronik und Software auf Herz und Nieren. Außerdem prüft die DB den Betrieb mit Testfahrten auf der Strecke, die am 11. Dezember stattfinden soll. Dann gibt es auch kein zurück zur alten Technik mehr.

Für die Reisenden heißt es dann noch einmal: Ersatzverkehr mit Bussen im Halbstunden-Takt. An den Schultagen gibt es zusätzlich ergänzende Einzelfahrten.

Die vier alten mechanischen Stellwerke baut die DB sukzessive ab dem 4. Dezember ab und führt die Technik soweit möglich einer alternativen Nutzung zu. Die Anlage in Walporzheim findet samt Gebäude zum Beispiel im Freilichtmuseum in Kommern ein neues zu Hause. Hier können Interessierte die Technik künftig aus eigener Anschauung kennenlernen und sich über die Geschichte des Stellwerks informieren. Auch hier beginnen die Mitarbeiter des Freilichtmuseums schon in wenigen Tagen mit dem Abbau. Ins alte Stellwerkgebäude in Ahrweiler wollen die Ahrtalbahnfreunde einziehen.