Soll zugunsten von Renditeobjekt verschwinden: Villa Schmitz
Alte Zeiten werden als Werbeträger bemüht - aber zeitgeschichtliche Zeugnisse erhalten will niemand? Entdecke den Widerspruch. BI „lebenswerte Stadt“ bedauert Geschichtsvergessenheit.
BAD NEUENAHR. Gerne wird die durchaus illustre Vergangenheit des Bades Neuenahr bemüht, wenn es darum geht, vermeintlichen Flair früherer Tage heraufzubeschwören und sich heute im Glanz von damals zu sonnen. So beispielsweise umreißt der aktuelle “Guide” des Ahrtal-Tourismus blumig einen Ort voller Jugendstilpracht, den die Stadt nie hatte, und beschwören ein Kaiserbad herauf, das Neuenahr nie war. So lassen auch historische Aufnahmen in Schaufenstern großformatig verblichene Noblesse am Platz an der Linde auferstehen und legen doch nur ernüchternd offen, wie rigoros diese Stadt, deren Baukultur mit Baden Baden konkurrieren konnte, Ortsgestaltung mit der Abrissbirne betrieb.
Richtig ist: Historie verweist auf Herkunft, schafft Identität und ist der Grundstein für die Zukunft. Doch dazu braucht es mehr als hehre Worte und bildhafte Verweise, Bücher mit alten Fotos oder nostalgische Kettenkarussells im Kurpark. Es braucht Fingerspitzengefühl, Kreativität und vor allem politischen Willen.
Nun bietet sich in der Mittelstraße 31 die gute Gelegenheit, die o.g. Bekenntnisse zur Historie in die Tat umzusetzen: zum Abriss steht die stadtgeschichtlich, baukulturell und architektonisch wertvolle Villa, die Badearzt Sanitätsrat Dr. Schmitz repräsentativ und gleich am Kurviertel 1866 mit weit vorgelagertem Vorgarten errichten ließ. Das Haus bot Praxisräume, Gästezimmer und Wohnung. Zu seinen Patienten zählten Karl Marx (1877) oder die junge Erzherzogin Stephanie von Österreich (1890). Später leicht neubarock und klassizistisch überformt, bot die Villa nach bewegter Geschichte zuletzt der OKUJA Heimstatt. Der Bau stellt ein beredtes Zeugnis des aufstrebenden Heilbades dar und verdeutlicht, wie der zentrale Kurbetrieb zum großen Teil von engagierten Anbietern ergänzt wurde.
Die Bausubstanz der Villa ist auch nach der Flut noch solide, wie der Stadt vorliegende Gutachten beweisen. Eine denkmalgerechte Sanierung ist problemfrei machbar und finanzierbar. Es fehlen nur noch der wünschenswerte Einsatz der Ratsherren und –frauen und der Stadtverwaltung für den Erhalt.
Die BI „lebenswerte Stadt“ setzt sich für eine behutsame Stadtentwicklung unter Erhalt der Historie ein. Weitere Informationen und eine ausführliche kunsthistorische Beschreibung der Villa auf www.lebenswertestadt.jimdo.com.
[Pressemeldung der BI „lebenswerte Stadt“]