Im Seniorentanz am Montag sind die Tänzerinnen und Tänzer bei Block- und Kreistänzen noch flott unterwegs.
In der Jahreshauptversammlung des TV Werdorf konnte Gertraut Holzer für 75 Jahre Mitgliedschaft geehrt werden. Dabei legt die fast 90-jährige gebürtige Ostrauerin die Hände noch nicht in den Schoß. Montags leitet sie noch den Seniorentanz des Vereins und mittwochs bei der Seniorengymnastik ist sie auch noch dabei. Sie ist das Urgestein der heimischen Sportwelt schlechthin und hat für heutige Verhältnisse Unglaubliches geleistet und bereits 1999 den Landesehrenbrief für ihr unermüdliches Engagement für den TV Werdorf, den Turngau Lahn-Dill und den Sportkreis Lahn-Dill erhalten. Tanzen und Turnen sind der Lebensinhalt der pensionierten Lehrerin, die das Fach Sport nicht studierte, weil sie damals schon mehr konnte als die Dozentin. Kein Wunder, treibt sie doch seit frühester Jugend Sport und erinnert sich noch an das Landesturnfest in Kassel in 1950, bei dem es nur einen Wettkampf gab, zu dem es auch eine Übung an den Schaukelringen gab, die es in Werdorf nicht gab. "Ich bin mit Irmgard Bauer nach Ehringshausen zum Üben und habe auch eine Urkunde bekommen", erinnert sie sich - auch daran, dass Kassel seinerzeit noch schwer vom Weltkrieg gezeichnet war. 1953 war sie auch beim ersten deutschen Turnfest nach dem Krieg dabei. "Wir haben in Hamburg-Harburg gewohnt und gelangten über die Gleise zu den Sportstätten", so Holzer. Ein ganzes Jahr hatte sie vorher in Wetzlar trainiert, um beim Gymnastikwettkampf anzutreten. 1955 waren die Werdorfer beim Landesturnfest in Kassel dabei und Gertraut Holzer hatte mit ihren 22 Lenzen die Verantwortung für die Werdorfer Jugendlichen, die heute noch mit ihr im Seniorentanz zusammen sind. "Die Gertraut gonnt uus goarnaut", erinnert sich Gottfried Pöllmitz an den Kommentar einer Sportkameradin und schöne Jugendzeiten. Die Anekdoten sprudeln nur so in der Runde. "Wir haben viel Spaß gehabt", ergänzt Friedel Abel. "Wir haben schon im Rohbau der Turnhalle getanzt, die 1957 eingeweiht wurde", erinnert sich Inge Pöllmitz, auch daran, dass Gertraut Holzer in Werdorf die Frauengymnastik gründete und beim TV Hermannstein die Leitung einer Tanzgruppe übernahm, um einen Kontakt mit Sportkollegen aus der Schweiz zu vertiefen, der beim deutschen Turnfest in Hamburg entstand. Damals war sie in Weilburg noch in Ausbildung.
Wimpelwettstreite ab 1967 beim Bergfest in Greifenstein, Wahlwettbewerbe mit singen, tanzen und wandern als Disziplinen bei denen viele Pokale gewonnen wurden, die Entstehung der Wirbelsäulengymnastik, die Holzer 2002 von Inge Pöllmitz übernahm, 40 Teilnehmer bei der Seniorengruppe, die 1981 startete, die "Er und Sie"-Gruppe - Gertraut Holzer war weit in der Region immer und überall dabei und ist es bis heute.
Hier nur einige Stationen: Von 1950 bis 63 war die engagierte Sportlerin Kinderturnwartin im TV Werdorf, 1958 bis 63 Gaujugendwartin, 1959 bis 63 nebenbei Gauschwimmwartin, danach bis 1968 Gaukinderturnwartin und ab 1989 übernahm sie das Amt der Gaufrauenwartin. "Ich war sogar Landesjugendschwimmwartin und weiß noch, wie ich als Kampfrichterin 1960 nach Coburg gefahren bin, als ich gerade so mein erstes Auto hatte", erinnert sich die rührige Seniorin, die so manches Abenteuer erlebte und dabei so manche Lanze für die Frauen brach, die seinerzeit im Sport noch rar waren. "Bei den Familienabenden im TV waren wir immer das Highlight", weiß Inge Pöllmitz. Noch für das Landesturnfest in 2017 hat Holzer eine Choreographie für mehr als 200 Turnerinnen ausgedacht und einstudiert. Aber auch beim Stadtfest und beim Seniorentag in Aßlar waren die Werdorfer aktiv. "Früher waren Turnen und der Spielmannszug das Kerngeschäft im TV Werdorf und heute leider nur noch Beiwerk in vielen Abteilungen", bedauert Gertraut Holzer die allgemeine Entwicklung ein wenig. Froh ist sie, dass montags um 9.30 Uhr noch der Seniorentanz stattfindet und auch die Seniorengymnastik am Mittwoch besteht.