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Asslar - Die Woche
Ausgabe 13/2023
Gestaltung Innenteil Seite 3
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Hermann Hesse und die Natur

Elke Schlösser wusste ihr Publikum zu begeistern und war sicher nicht zum letzten Mal in Aßlar.

Bereits zum dritten Mal war am Dienstagabend Elke Schlösser im evangelischen Gemeindehaus in Aßlar zu Gast, wo sie ihrem Publikum eine weitere Seite des Literaten Hermann Hesse näher brachte. Die Diplom-Sozialarbeiterin begleitete die evangelische Kita Regenbogen seit 2008 auf dem Weg zum Familienzentrum und gehört mittlerweile schon fest zur evangelischen Kirchengemeinde Aßlar. In der Zusammenarbeit mit der Leiterin Kerstin Novak fand sich die Liebe zu Hermann Hesse als gemeinsame Leidenschaft und der erste Hesse-Abend war perfekt. Dieses Mal ging es unter der Überschrift "Verliebt in die verrückte Welt - Hermann Hesse und die Natur" um das tiefe Empfinden des Literaten für die Pflanzen- und Tierwelt sowie Natur- und Landschaftserlebnisse. Da die frühe interkulturelle Förderung von Sprache und Literalität der freiberuflichen Referentin und pädagogischen Fachbuchautorin rein beruflich schon sehr am Herzen liegt, ist Hesse mit seinen feinfühligen Beschreibungen der unendlichen Facetten der Natur für sie als Person und Autor ein hervorragendes Beispiel.

"Ich freue mich sehr, am heutigen Tag des Waldes ein so zahlreiches Publikum begrüßen zu können", so Novak, die sich in Zeiten von Klimawandel und Baumsterben Inspiration erhoffte, die Natur zu behüten, vorsichtig mit ihr umzugehen und sie zu beschützen.

"Dieser Vortrag ist entstanden, weil mich die Natur in der Pandemie aufrecht erhalten hat", so Schlösser, die Hesses Originaltexte und dessen Biografie mit ihren eigenen Gedanken verband. "Keiner schreibt, ohne ein Stück von sich selbst preis zu geben", so Schlösser, die erstmals einen Vortrag mit Bildern begleitete, hat der große Literat sich doch auch als Maler betätigt, der Natur und die Arbeit im Garten als inneren Ausgleich fand. So war der Vortrag auf die Aspekte "von Blumen und Bäumen", "von Wolken und Wetter", "von Schmetterlingen und Gärten" sowie "von Bergen und Landschaften" ausgerichtet, die Hesse selbst in seinen Naturbeschreibungen vorgegeben hat.

Hesses Mutter Marie sprach schon im Alter von Vier Jahren von Hesse als einem Burschen mit einer Riesenstärke, mächtigem Willen und großem Verstand, dessen innere Kämpfe gegen seinen hohen Tyrannengeist, sein leidenschaftliches Stürmen und Drängen und sein stolzer Sinn sie bange machten. Das Leben formte ihn zum Pazifisten, zu einem empfindsamen Menschen, der die Magie der Natur schätzte, die ihn verliebt in diese verrückte Welt machte, die immer wieder Erstaunliches zu bieten hat. Elke Schlösser verstand es, eindrucksvoll vom Leben und Wirken des klugen Kopfes zu berichten, von seinen Romanen wie "Steppenwolf", der 1927 heraus kam, oder dem "Glasperlenspiel", das während des Zweiten Weltkriegs entstand, vom Zusammenleben mit seinen drei Frauen und seinen Lebensumständen zu berichten und immer wieder ein Gedicht oder einen Prosatext einfließen zu lassen. Ein wahres Plädoyer für einen Mann, der immer korrekt angezogen war, noch beim Malen und für sein umfangreiches Wirken mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Der zweistündige Vortrag machte mit seiner Fülle an Informationen Lust, sich selbst mit dem Werk Hermann Hesses zu beschäftigen. Hier nur ein Beispiel, dass die Persönlichkeit Hesses auf den Punkt bringt.

Stufen

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend

Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,

Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend

Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.

Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe

Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,

Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern

In andre, neue Bindungen zu geben.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,

Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,

An keinem wie an einer Heimat hängen,

Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,

Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten.

Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise

Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,

Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,

Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde

Uns neuen Räumen jung entgegen senden,

Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…

Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!