Titel Logo
Asslar - Die Woche
Ausgabe 17/2025
Gestaltung Innenteil Seite 2
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

Steine erzählen Geschichte

Anfang April hatte der Verein für Heimatgeschichte Werdorf unter der Überschrift "Sprechende Steine" zu seinem zweiten Vortrag der Themenreihe "Erzähl mir was" eingeladen. Für den Dorfrundgang konnte mit dem Diplom-Geophysiker Gerd Mathes aus Tiefenbach ein exzellenter Fachmann für die Entstehung von Steinen gefunden werden, der noch dazu in der Geschichte der heimischen Region zu Hause ist. In seiner humorvollen Art gab er sein immenses Wissen an die Teilnehmer weiter, die begeistert zuhörten. Nach der Begrüßung im Werdorfer Schlosshof ging der Referent zunächst auf die dort ausgestellten Steine ein und erläuterte den Zusammenhang von den in unserer Region vorkommenden Steinen und deren Verwendung in alten Gebäuden und Mauerwerken. Im denkmalgeschützten historischen Ortskern wurden insbesondere die auch in der Gemarkung Werdorf vorkommenden Kalksteine, die Grauwacke und der Tonschiefer sowie die vulkanischen Gesteine Basalt, Diabas und Schalstein verbaut. Mathes erläuterte, dass ein Pflasterstein auch "Kipper" heißt, weil er beim Behauen immer eine Fläche weiter gekippt wird und erklärte auch die Bodenbefestigung von Höfen, Kellern und Scheunen mit den "Dill-Kieseln", die aufrecht im Untergrund stecken. In der Grenzsteinsammlung an der Remise wurden die dort vorhandenen historischen Grenzsteine und das Material angesprochen, aus dem sie hergestellt wurden. Besonders interessant ist an dieser Stelle ein Grenzstein einer gekappten Basaltsäule aus dem Steinbruch "Leuner Burg", der Ende des 19. Jahrhunderts von der damaligen Preußischen Forstverwaltung für die Grenzen der Forstdistrikte Verwendung fand.

Anschließend gab es Informationen zu den im Schloss verbauten Steinen, insbesondere dem in der Region vorkommenden Kalkstein. Hier wurde der Ausdruck "steinreich" erklärt. "Wer früher ein Haus aus Stein erbauen ließ, musste - wie am Werdorfer Schloss der Fürst zu Solms-Braunfels - ein wohlhabender Mensch sein. Der Fürst war auch vor über 300 Jahren in der Lage, den Schlosshofeingang mit damals sehr teuren roten Sandsteinpfeilern aus dem Marburger Raum zu gestalten. Denn diese Sandsteinblöcke mussten seinerzeit mit Pferde- oder Ochsenfuhrwerken über 50 km weit aus dem Marburger Land nach Werdorf transportiert werden. Jetzt wurde einer der Blöcke von einem großen Transporter umgefahren - der "Ersatz" kann mit einem Lastkraftwagen schneller und einfacher transportiert werden.

Anschließend ging es im Ortskern weiter zum Backhaus des Ortes, das im Jahr 1905 errichtet wurde. Im Untergeschoss wurden gebrannte rote Ziegelsteine verwendet, die in einer der heimischen Ziegeleien entstanden. Seit ca. 1850 wurde der in der Region vorhandene Lehm zu Ziegeln verarbeitet. Im gegenüberliegenden Fachwerkbau (Bachstraße 52) wurden die Probleme der Gesteinsverwitterung aufgegriffen, die bei Steinen des Gebäudefundaments durch Frosteinflüsse in den Wintermonaten auftreten und zu erheblichen Schäden im Mauerwerk führen. Hier gab es auch Informationen zur Benutzung von Lehmgeflechten in den Fachwerksegmenten, den so genannten "Gefachen". In der Hinterstraße stellte der Fachmann an einer alten Gebäudefassade die Verwendung des blau-grauen Dachschiefers vor, der vor allem in Ehringshausen überwiegend untertägig abgebaut und vor allem auf den Dächern, aber auch zum Schutz des darunter liegenden Fachwerks an den Fassaden der Gebäude-Wetterseiten verwendet wurde. Dachschiefer ist ein sehr langlebiger Baustoff mit einer Haltbarkeit von mehr als 100 Jahren. Nächste Station war die ehemalige Schule in der Hinterstraße, die 1848 errichtet wurde und ein Musterbeispiel für die Verwendung der Baustoffe Holz (Fachwerk), Lehm (Fachwerksegmente) und Bruchsteine (Gebäudesockel) ist. Besonders auch das Wohnhaus in der Hauptstraße 18, das 1830 in der französischen Stampflehm- oder Pisebauweise errichtet wurde. Hier wurde der nicht gebrannte Lehm mit Wasser versetzt, in eine Schalung eingebracht und dort gestampft. Die entstandene bis zu 80 cm starke Gebäudewand ist auch heute noch eine hervorragende Wärmeisolierung für das Gebäude. Abschluss der Exkursion war die evangelischen Pfarrkirche, wo sich an der östlichen Außenmauer des Turmes gut erhaltene Grabsteine aus dem 17. bis 19. Jahrhundert aus weißgrauem Lahnmarmor befinden, der insbesondere im ehemaligen Oberlahnkreis bei Villmar, Schupbach und Gaudernbach abgebaut und unter anderem auch im Empire State Building in New York verbaut wurde. Zum Abschluss bedankten sich die Veranstalter im Schlosshof bei Gerd Mathes für eine kurzweilige und sehr interessante zweistündige Exkursion durch die Werdorfer Baugeschichte.