Liebe Aßlarer,
in der vergangenen Woche erreichten mich einige Anfragen zu einem Artikel in unserer Tageszeitung, der sich eigentlich mit einem besonders positiv verlaufenden Projekt der Dorfentwicklung beschäftigte. Viele von Ihnen waren verunsichert, weil die Überschrift des Artikels eine sehr negative Erwartung geweckt hat - obwohl der Inhalt des Beitrags das genaue Gegenteil berichtete.
Ich nahm dann die Gelegenheit wahr, mich direkt mit dem zuständigen Redakteur auszutauschen. Dabei wurde mir erklärt, dass er ausschließlich für die Online-Ausgabe der Zeitung schreibt. Hier folgt die Arbeit offenbar eigenen Gesetzen: Überschriften werden absichtlich auffallend und provokant gewählt, um möglichst viele Klicks im Internet zu erhalten. Der Gedanke dahinter ist, dass ein starker Titel die Aufmerksamkeit erzeugt - und der eigentliche, ausgewogene Bericht folgt erst nach dem Anklicken. Mit der gedruckten Printausgabe habe der Redakteur kaum Kontakt, das Einstellen des Textes für die Zeitung übernimmt eine andere Abteilung. Die Überschrift könne für die gedruckte Version übernommen werden, müsse aber nicht.
Gemeinsam kamen wir zu dem Schluss, dass es in der Printausgabe viel sinnvoller wäre, Überschriften sachlich und realitätsnah zu gestalten. Schließlich interessieren sich die Leserinnen und Leser der gedruckten Zeitung doch bereits für das Thema - unabhängig davon, wie plakativ oder überspitzt die Überschrift gestaltet ist.
Für mich war diese Praxis befremdlich. Es entsteht bei mir unausweichlich der Eindruck, dass Schnelligkeit und Klickzahlen heute oft vor Gründlichkeit und Qualität im Journalismus stehen. Allein im letzten Jahr musste ich dreimal eine Richtigstellung in der Zeitung beantragen. Während in der Online-Ausgabe Korrekturen unkompliziert eingearbeitet werden können, braucht es für die Printausgabe eine gesonderte Veröffentlichung am nächsten Tag. Dies alles trägt dazu bei, dass oft der erste Eindruck durch eine irreführende Überschrift oder Missverständnisse im Text bei vielen Menschen im Gedächtnis bleibt.
Ich meine, Journalismus sollte in erster Linie sachlich, fundiert und fair berichten. So wünsche ich mir auch für Aßlar, dass wir uns weiterhin auf eine verlässliche und ausgewogene Berichterstattung verlassen können. Vor dem Hintergrund dieser Arbeitsweise, dürfen wir als Leserinnen und Leser lernen, kritisch zu hinterfragen und die Inhalte einer Zeitung - ganz gleich, ob online oder gedruckt - mit gesundem Menschenverstand zu beurteilen.
Kommen Sie gut durch die Woche - und lesen Sie weiter aufmerksam und vielleicht auch mit etwas kritischem Abstand, was allgemein in Zeitungen oder Online-Artikeln steht.