Titel Logo
Asslar - Die Woche
Ausgabe 40/2022
Gestaltung Innenteil Seite 5
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

Erntedankfest an der Scheune

Der Hof der Familie Löderbusch war der ländliche Hintergrund für den Erntedankgottesdienst.

Die evangelische Kirchengemeinde Aßlar gestaltete ihren Erntedankgottesdienst am Sonntag einmal mehr ganz ländlich. Im Hof der Familie Löderbusch in Klein-Altenstädten, die in der Wilhelmstraße einen alten Bauernhof bewohnt, trafen sich die Gottesdienstbesucher an der Scheune und dankten mit Pfarrer Reibis und Prädikantenanwärter Patrick Stübiger für die Gottes Gaben. Die musikalische Umrahmung übernahm der gemischte Chor der Chorgemeinschaft Klein-Altenstädten unter der Leitung von Holger Hedrich. Hier sorgten die Hühner im Stall für schmunzelnde Gesichter, die den Gesang mit ihrem Gegacker scheinbar unterstützen wollten.

Jedes Jahr im Herbst wird dieses Fest gefeiert, das besonders im ländlichen Raum eine wichtige Rolle spielt. Es soll an die Abhängigkeit des Menschen von der Natur erinnern und deutlich machen, dass der Mensch die Schöpfung Gottes nicht unter Kontrolle hat, sondern selbst ein Teil dieser Schöpfung ist. Christen danken Gott für die Feld- und Obsterträge des Jahres. Erntedank führt immer wieder vor Augen, dass der Mensch trotz allen wissenschaftlichen Fortschritts keinen Einfluss auf wachsen und vergehen der Natur Einfluss hat. Trotz aller Pläne kann alles immer anders kommen. Das Erntedankfest gehört zu den großen traditionellen Bauern-Feiertagen beider großer christlichen Kirchen. Es wird am letzten Sonntag im September oder am ersten Oktobersonntag mit Gottesdiensten und Prozessionen gefeiert. Die katholische Bischofskonferenz hat den ersten Sonntag im Oktober als Termin festgelegt - in der evangelischen Kirche hat sich der Sonntag nach dem Michaelstag am 29. September (Fest des Erzengels Michael) als Erntefesttag durchgesetzt. In diesem Jahr fiel der Tag für beide Kirchen auf den 2. Oktober. In der christlichen Tradition weiß man um das Fest seit dem 3. Jahrhundert, in vorchristlicher Zeit gab es bei den Griechen und Römern ähnliche Bräuche.

Bei den Germanen war die Tag-und-Nacht-Gleiche (21. September) der Schlusspunkt der bäuerlichen Arbeit auf dem Feld. Mühsal und Plagen waren vorbei, wenn die Ernte eingebracht war. Es konnte endlich gefeiert werden. Die heidnischen Völker feierten den Erntedank mit großen Opfern. Die Früchte des Feldes – Obst, Getreideähren, Rüben – wurden auf Altären Wotan geopfert, die früh einsetzende Dunkelheit mit Laternenumzügen erhellt. Im Judentum war das Laubhüttenfest der Erntedank. Viele Erntedank-Bräuche hat die Kirche nach der Christianisierung übernommen. Symbole sind zum Beispiel der geflochtene Erntekranz und die Erntekrone, die nach alter Tradition mit Gerste, Roggen, Weizen sowie Hafer gebunden und mit Blüten und Schleifen geschmückt wird. Außerdem gibt es festlich geschmückte Erntewagen ("die letzte Fuhre"), mit denen in vielen Regionen noch heute Umzüge durchgeführt werden. Dieses Brauchtum erinnert daran, wie abhängig früher die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln von der Arbeit der örtlichen Bauern war.

In den Kirchen werden meist Körbe mit bunten Früchten und Kornähren vor den Altären aufgebaut und für die Ernte mit Gebeten gedankt. In einigen Regionen wird gleichzeitig mit dem Erntedank Kirchweih gefeiert. Dabei ist es auf Jahrmärkten Brauch, Strohpuppen zu verbrennen und Erntedankfeuer anzuzünden. In all diesen Bräuchen schimmert die heidnische Wurzel der Opfergaben durch. In vielen Familien gehört ein Festessen im Verwandten- und Freundeskreis zum zentralen Brauchtum am Erntedankfest dazu. Meist wird ein Menü aus Früchten und Gemüsesorten der Saison nach Kirchgang und Festumzug aufgetischt. In der katholischen Kirche St. Norbert heißt es am Mittwochmittag zum Beispiel "Werdorf is(s)t zusammen".