Pfarrer Henn mit Konfirmanden auf dem Weg zur Kirche.
Der Hohenlohe-Saal des Aßlarer Heimatmuseums im Werdorfer Schloss war am Sonntag gut gefüllt und das hatte einen guten Grund: Auf dem Vortragsprogramm des Vereins für Heimatgeschichte stand der Werdorfer Manfred Dietz, der unter der Überschrift "Feier mit Hindernissen - die kuriose Hochzeit unseres ehemaligen Pfarrers Otto Henn" referierte und so mancher Lacher kam aus den Reihen. Viele kannten den Theologen als ernsten, strengen und bisweilen cholerischen Mann - seine humorvolle Seite und vor allem sein Talent Geschichten und Gedichte zu schreiben kam am Sonntag zum Tragen. Manfred Dietz hatte sich Band 87 der Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte ausgewählt, in der Rudolf Mohr unter der Überschrift "Otto Henn Pfarrer in Greifenstein" Autobiografisches, Predigten, Erzählungen und Gedichte zusammen getragen hat. "Pfarrer Henn ist 1882 in Braunfels geboren und trat nach dem Studium 1911 seine erste Pfarrstelle in Greifenstein an", so Dietz zum Lebenslauf des Pfarrers, der von 1936 bis zu seiner Pensionierung in 1952 in Werdorf tätig war. Danach ging er zurück nach Greifenstein, wo er 1956 verstarb.
Als Otto Henn 1922 heiratete, waren seine Lebensumstände in Greifenstein nicht die besten. Der Vater war 1919 verstorben, Mutter, Tante und die Schwester wollten nicht zu ihm nach Greifenstein umsiedeln und das Miteinander mit seiner Haushälterin bezeichnet Henn als "unhaltbaren Zustand". So drängten alle zur Heirat und Henn fragte kurzentschlossen seine Cousine zweiten Grades, Marie Köhler aus Neuwied, ob sie seine Frau werden wolle und sie stimmte zu. Probleme waren allerdings vorprogrammiert, weil die Braut im damals von Frankreich besetzten Rheinland lebte. Dabei lief alles zunächst wie am Schnürchen, das Aufgebot wurde am 4. Mai bestellt und wenn sein Mariechen am anvisierten 4. August noch Schule halten musste, hätte alles funktioniert: Pfarrer, Köchin, Chor waren organisiert, trotz Inflation und schwieriger Zeiten, hatten die beiden ihre Möbel beisammen und es fehlte nur noch die Einreiseerlaubnis für den Bräutigam. Hier kam der erste Haken, weil Briefe zu dieser Zeit von Greifenstein nach Neuwied stolze acht Tage brauchten. Zunächst ließ die Erlaubnis auf sich warten und auf Nachfrage kam dann die Ablehnung, mit der Begründung, es seien jetzt keine Zeiten für eine Hochzeit. "Komm hierher", forderte Henn seine Braut auf und alles wurde umorganisiert. Henn fragte den Standesbeamten, Chorleiter und hatte sogar die Dianaburg als Ziel der Hochzeitsreise fest gemacht. "Der Himmel hat doch alles tadellos gefügt", fand Otto Henn. In Neuwied herrschte der Belagerungszustand, als Marie mit dem letzten Schiff am 2. August zu ihrer Hochzeit aufbrach. In Köln übernachtete sie im Wartesaal und über Elberfeld, Hagen und Siegen sollte sie direkt in die Arme ihres Liebsten fahren. Doch der Zug wurde umgeleitet, hielt nur in Dillenburg und Otto Henn setzte sich um zehn Uhr am Vormittag in Marsch, um sie um 15 Uhr abzuholen. Mit dem Bummelzug ging es nach Edingen, wo im Gasthaus "Zum Dilltal" der Wirt, Posthalter und Standesbeamte Becker die Papiere prüfen musste und prompt die Trauung verweigerte, weil der Kollege im Rheinland die entsprechende Zeile durchgestrichen hatte. Im Kreishaus in Wetzlar war niemand zu erreichen, doch anderntags gab es vom Landratsamt die Erlaubnis. Dann konnte Pfarrer Stuhl plötzlich nicht und die Hochzeit hätte schon fast in Braunfels stattgefunden, als doch auch hier wieder umgeschwenkt wurde. Chor abbestellt und wieder neu bestellt, eiligst ein Hochzeitsessen organisiert, die Braunfelser Verwandtschaft vom Zug abgeholt, umgezogen und als dann schlussendlich in der Kirche auch noch mit lauten Getöse der Putz von der Decke fiel und Pfarrer Stuhl von Schwindel geplagt nur die Einsegnung sprechen konnte und Otto Henn seinen Traugottesdienst selbst fertig halten musste, waren die Katastrophen noch nicht vorbei. Auf dem Weg zur Dianaburg verlief sich der Pfarrer im Wald, die Braut verhedderte sich im Brombeergebüsch und das Paar kam viel zu spät an, wurde aber doch noch eingelassen und konnte seine Flitterwochen genießen, da keiner da Ziel der Reise kannte. Allerdings trafen die Henns am Edinger Bahnhof nach drei Tagen auf Leute, die das Dilemma mitbekommen hatten. „Herr Parre, woas ma sei doa fier Sache - sei hun sich joa sälwer getraut!“
Auf die abschließende Nachfrage: Das Buch kann man noch kaufen, es ist im Rheinland-Verlag 1986 erschienen und hat die ISBN-Nummer 3792709325.