Der Gedenkstein in 2024 noch mit Schrifttafel.
Der 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers in Auschwitz, war am Montag auch in Aßlar erneut Anlass, sich am Gedenkstein an die ehemaligen jüdischen Mitbürger zu treffen. Der internationale "Holocaust Gedenktag", den die Vereinten Nationen ins Leben riefen, um der Opfer des Holocaust zu gedenken, zu erinnern und vor den Gefahren des Rassismus und Nationalismus zu mahnen. Die meisten der direkten Augenzeugen sind mittlerweile verstorben und vor dem Hintergrund der weltweiten Entwicklung des Rechtsextremismus gilt es umso mehr, Signale zu setzen. Bestürzt mussten die Teilnehmer zur Kenntnis nehmen, dass die Gedenktafel entfernt wurde. "Es wird natürlich eine neue Tafel angebracht werden", so Bürgermeister Christian Schwarz.
"Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht", zitierte Pfarrer Martin Reibis den Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer und zeigte den Anwesenden zwei historische Gegenstände aus der Aßlarer Stadtgeschichte. "Jemand hat mir diesen Yad übergeben, einen Zeigestock an dessen Ende eine kleine Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger sitzt, mit dem einst in der Aßlarer Synagoge der Vorleser die Zeilen der Tora verfolgte", so Reibis. Zusammen mit einem weiteren Gegenstand soll dieser in einem jüdisches Museum in Wetzlar gezeigt werden, das in der Entstehung ist. Außerdem erzählte der Theologe vom jährlichen Besuch mit den Konfirmanden im "NS-Erziehungsheim" in Hadamar, das eigentlich eine Tötungsanstalt für "halbjüdische Kinder und Jugendliche" war. Seine Geschichte von den Brüdern Heinemann rührte nicht nur den Pfarrer zu Tränen. Die Mutter hatte ihre Jungen ausfindig gemacht, der Älteste war bereits tot und der Jüngste flehte: "Mutti nimm mich mit nach Hause!" Wenige Tage später wurde auch der Kleine umgebracht - die Mutter dufte ihn nicht mitnehmen. "40 von 45 Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 19 Jahren wurden dort getötet, um das jüdische Blut auszurotten", so Reibis und wies auf die neue Online-Ausstellung des Museums in Hadamar hin, in der auf fünf Einzelschicksale eingegangen wird. "Ich schäme mich meiner Tränen nicht, doch ich will keine Heulsuse sein, sondern mich mit all meiner Kraft und Liebe gegen Rassismus und Menschenverachtung einsetzen, damit es nicht wieder geschieht!" endete Pfarrer Reibis seine Ansprache, die von einem gemeinsamen "Vater unser" unterstrichen wurde. "Was für ein Geschenk für uns, diese Gegenstände aus der Geschichte unserer Stadt sehen zu dürfen", so Christian Schwarz und dankte für die berührenden Worte. "Heute findet man im Internet wieder überall den Aufruf #nie wieder und wir haben die Möglichkeit, die Zukunft zu ändern", so Schwarz und wies auf die Bundestagwahlen in vier Wochen hin, bei denen politische Kräfte antreten, die nicht demokratisch sind. "Deshalb erinnern wir uns heute an die schlimme Zeit, die Stadt unterstützt die alljährliche Fahrt nach Buchenwald unserer Schule und wir stehen hier stellvertretend für rund 14000 Aßlarer, um die Zukunft positiv zu verändern." Die Landtagsabgeordnete Cirsten Kunz dankte den Aßlarern für ihr Engagement und ergänzte: "#Nie wieder ist heute!"
Der VdK-Vorsitzende Heinz Valentin zitierte den Dichter Heinrich Heine, der 1823 in seiner Tragödie "Almansor" schrieb: "Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen." und bezeichnete die Bücherverbrennung in der Nacht vom 10. auf 11. Mai 1933 als ersten Höhepunkt des schrecklichen Weges, der 1933 mit der Machtergreifung der NSDAP begann. Valentin erinnerte auch an die Reichspogromnacht am 9. November: " Zwischen dem 7. und 13. November wurden im damaligen Reichsgebiet bis zu 2000 jüdische Todesopfer gezählt. Über 1400 Synagogen, Betstuben, Versammlungsräume sowie
Tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden gestürmt, zerstört oder brannten." Hiervon müsse die Bevölkerung Kenntnis erlangt haben - es passierte in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft. Ab dem 10.November begannen die Deportationen der jüdischen und nicht lebenswerten Menschen in die KZs, Gaskammern und die Versuchslabore der Krankenanstalten, wie zum Besipiel in Hadamar. "Diesem beispiellosen Völkermord fielen über 6 Millionen Menschen zum Opfer und damit sich hier die Geschichte nicht wiederholt - gerade in der Zeit wo es wieder Salonfähig ist, mit rechten Parolen gegen anders Denkende, Aussehende, Glaubende zu hetzen, sind wir alle gefragt. Wir haben es in der Hand wohin sich unsere Gesellschaft entwickelt", schloss Valentin die Veranstaltung.