Schon oft wurde ich gefragt, was denn für mich der schönste Vogelgesang sei. Anfangs kam von mir dann meist die Antwort: ja der Sumpfrohrsänger singt toll! ...oder auch die Gartengrasmücke singt ganz besonders! Auch der Hänfling wurde erwähnt oder gar die Heidelerche.
Heute, nach vier Jahrzehnten der Beschäftigung mit der Vogelwelt antworte ich, es sind unsere Drosseln.
Als eine der ersten Vogelgesänge des Jahres singt die Heckenbraunelle, ein hell klingelndes Silberstimmchen, aber was den Winter verabschiedet und den Frühling ankündigt ist die Misteldrossel. Laut, wie alle Drosseln, klar und sehr melancholisch. Etwas später kommt die Singdrossel. Laut, klar und mit Variationen, die sie wirklich immer wiederholt. Zwei- bis fünf- oder sechsmal. Mein Favorit aber ist die Schwarzdrossel, besser bekannt als Amsel.
Schon im Winter kann man gelegentlich ihren wunderschönen abwechslungsreichen Gesang hören, allerdings ziemlich leise.
Wohl kaum ein anderer Sänger hat derart viele Melodien in petto. Man muss ihr schon sehr lange zuhören, um eine Wiederholung zu erkennen.
Besonders laut und auch besonders schön konnte ich in diesem Jahr ein Amselmännchen genießen, welches auf unserem Dachfirst seine Singwarte hatte.
Erst nach einiger Zeit konnte ich zufällig entdecken, dass nah beim Haus in einem Holunderstrauch die Ursache dieses immer präsenten Gesanges zu finden war.
Dort befand sich das Nest des Amselpärchens und Frau Amsel war feste am Brüten.
Der Zufall gestaltete sich folgendermaßen.
Der Amselhahn sitzt auf dem First und singt. Unvermittelt bricht er ab und stürzt sich volle Karacho in die Hecke, an der genannter Holunder steht. Einen Augenblick später kommt der Hahn mit einer fetten Raupe aus der Hecke und schlüpft in den Holunder.
Diesen Vorgang müssen auch die vier Jungelstern beobachtet haben, die ich seit einigen Tagen um meinen Garten herum feststellte. Elstern brüten alljährlich irgendwo in der Nähe, in einem der hohen
Bäume. Noch ahnte ich nichts von einem Drama, das mir sehr nahe ging, aber in der Natur so oder so ähnlich täglich abläuft.
Einer meiner Nachbarn beschloss seinen Rasen zu mähen. Die Katze des Rasenbesitzers flüchtete ob des Lärms herüber zu meiner Hecke. Schnell war die Katze von dem Amselpaar entdeckt und ein Gezeter hob an, so wie es von besorgten Eltern erwartet werden kann. Durch das Gezeter aufmerksam geworden, spähte ich durch eines meiner Dachfenster und konnte gerade noch beobachten wie zwei Elstern nach vollendeter Plünderung des Nestes ohne Hast aus dem Hollerbusch entwichen.
Noch zwei Tage vorher hatte ich voller Stolz meinem Enkel das entdeckte Nest gezeigt. Wie hat er gestaunt über das stabile Nest in dem Ästegewirr.
Die Amsel singt jetzt nicht mehr. Aber ich seh die beiden immer mal wieder. Ich denke sie werden einen neuen Versuch wagen.