In der Maiausgabe berichtete ich über die Zwillingsarten Fitis/ Zilpzalp, zwei kleine Singvögel, die als sehr häufig vorkommend eingestuft sind. In diesem Erlebnisbericht möchte ich zwei weitere unscheinbare, doch sehr interessante Zwillingsarten vorstellen.
Begonnen hat das Erlebnis damit, dass ich mit meinem alten „Eulenkollegen Werner“ unterwegs war, um Brutkontrollen durchzuführen. Der Raufußkauz zählt zu den Kleineulen, sowie auch der Sperlingskauz und der Steinkauz (letzterer kommt in unserem Gebiet nicht vor). Allen drei Arten kann oder sollte durch das Angebot von speziellen Nistkästen ein raubzeugsicherer Brutplatz angeboten werden.
Gleich beim ersten Kasten machte mein Freund W. mich auf ein abfliegendes Vögelchen aufmerksam. Es war ein Gartenbaumläufer, der in dem Winkel hinter den Seitenblechen sein Nest angelegt hatte. Um es vorweg zu nehmen. An den rund dreißig weiteren Kästen, die an dem Tag von uns aufgesucht wurden, passierte es noch fünfmal, dass bei Annäherung ein Baumläufer abflog.
Immerhin, denn auf Seiten des Raufußkauzes waren wir weniger erfolgreich. Kein einziger Brutnachweis.
Aber zurück zu unseren Zwillingsarten. Die beiden Baumläuferarten sind insofern besonders, dass sie ihren Körperbau vollständig an den Lebensraum „Baumstamm“ angepasst haben. Beginnend bei ihrer Färbung, die dem Borkenmuster vieler unserer Bäume gleicht. Weiter geht es mit den Schwanz-Stützfedern, ähnlich denen von Spechten und nicht zuletzt, ihren langen, gebogenen Pinzett-Schnäbelchen, ähnlich denen der tropischen Nektarvögel, die damit tief in Blüten der Urwaldstauden eintauchen, um Nektar zu schlürfen. Die Baumläufer fahren mit ihren Schnäbeln in die Ritzen der Borke von Eiche, Erle, Fichten und vielen anderen Bäumen, um Spinnentiere, kleinste Insekten, deren Larven oder Eier aufzusammeln. Gebrütet wird in Baumspalten von Totholz oder sturmgeschädigten Bäumen, oft hinter abgelöster Baumrinde.
Eine Chance die beiden Arten voneinander sicher zu unterscheiden ergibt sich am ehesten an den Gesängen. Jeweils unterschiedlich lange, sehr hohe, trillernde, blaumeisenähnliche Strophen.
Beide Arten bleiben auch den Winter über bei uns. Und im Winter ist die Sicht auf die ruckartig oder spiralförmig an Bäumen hoch kletternden Vögel eher möglich, weil das störende Laubwerk fehlt. Was Baumläufer nicht können, ist, wie die Kleiber kopfüber am Stamm runterklettern. Immer geht´s aufrecht rauf; runter wird geflogen und zwar an den Fuß des nächsten Baumes. Und jetzt fällt auf, wenn man sich die Zeit nimmt und ein Fernglas zur Hand hat, der Waldbaumläufer hat eine strahlend weiße Kehle, Brust, Bauch. Das Weiß des Gartenbaumläufers ist durchsetzt von dunklen Strichelchen und erscheint schmutzig weiß.
Wiederum fast perfekte Zwillinge.