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Mitteilungsblatt für die Gemeinde Bischoffen
Ausgabe 48/2024
Aus dem Rathaus wird berichtet
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Ansprache zum Volkstrauertag 2024

Ich begrüße Sie ganz herzlich zur diesjährigen Gedenkveranstaltung anlässlich des Volkstrauertages 2024.

Am heutigen Volkstrauertag wird überall in Deutschland an die Opfer von Krieg und Gewalt erinnert und gleichzeitig zur Versöhnung untereinander, zur Verständigung und Frieden gemahnt.

In diesem Jahr 2024 jähren sich zum 80. Mal zwei bedeutende Ereignisse des Zweiten Weltkriegs.

Dies sind die Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 sowie das gescheiterte Attentat der Gruppe um Graf von Stauffenberg auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944.

Diese Ereignisse markieren entscheidende Wendepunkte, die die bevorstehende Niederlage des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland ankündigten.

Gleichzeitig erinnern wir auch in diesem Jahr wieder an den 110. Jahrestag des Beginns des 1. Weltkrieges.

Der Volkstrauertag gedenkt traditionell der Toten beider Weltkriege, aber seit Langem schon bezieht er die Opfer von Krieg und Gewalt in heutiger Zeit mit ein.

122 Mio. Menschen sind aktuell weltweit aus den unterschiedlichsten Gründen auf der Flucht. So viele wie noch nie.

In Deutschland leben 3,5 Mio. Flüchtlinge und auch nicht unerwähnt sollte bleiben, dass aufgrund der Reaktionen Israels wegen des Angriffs der Hamas seit Oktober 2023 schätzungsweise knapp 2 Mio. Menschen aus der Zivilbevölkerung innerhalb des Gazastreifens und in die umliegenden Nachbarländer geflohen sind.

Daher ist Gedenken an unsere Geschichte für uns nach wie vor aktuell und dringend erforderlich.

Wir brauchen den Volkstrauertag, aber er muss mehr sein als ein Ritual oder ein Alibi.

Er soll uns ermahnen, er soll uns immer wieder neu vermitteln, was Gedenken heißt.

Gedenken hat mit Denken zu tun, aber mit einem besonderen Denken.

Unser Denken hat sich für viele in Deutschland bis vor wenigen Jahren fast ausschließlich auf die alltäglichen Dinge und Probleme beschränkt.

Es ging um unsere Arbeit, unseren Partner, unsere Familie, es ging ums Geld, um den Termin der nächsten Autoinspektion oder den nächsten Urlaub oder Wochenendtrip.

Unsere Gedanken und Sorgen drehten und drehen sich für Manche noch immer beständig um uns selbst und die Konflikte auf der Welt waren und sind weit weg.

Gut, es kommen seit ein paar Jahren Flüchtlinge zu uns, das stellt unsere Gemeinden vor Herausforderungen und als Bürgerin und Bürger ist man ein wenig besorgt und hat auch Ängste, aber insgesamt ging es doch immer vorrangig um unser eigenes Heute und um das Morgen.

Das Vergangene konnte man getrost dem Fotoalbum überlassen, so schlimm wird’s schon nicht werden und unsere persönlichen Alltagskrisen fingen doch eher im Kleinen an - ich selbst hab da ja nichts mit zu tun!

Ein französischer Philosoph hat einmal gesagt:

„Weil die Toten schweigen, beginnt immer wieder alles von vorn.“

Oder ein anderer meinte passend dazu:

„Wer seine Geschichte vergisst, ist dazu verdammt sie zu wiederholen.“

Deutschland hat im Zuge beider Weltkriege unermessliches Leid über Europa und die Welt gebracht, insbesondere durch die systematische Ermordung von sechs Millionen Juden und gleichzeitig durch insgesamt fast 80 Millionen Opfer beider Kriege.

All das zeigt uns deutlich, wie wichtig es ist, an die Opfer von Krieg, Gewalt und Unterdrückung zu erinnern - bis zum heutigen Tag.

Wir sollten uns immer erinnern und niemals aufhören zu versuchen solchen Spiralen der Gewalt etwas entgegen zu setzen.

Dies gehört zu unserer Verantwortung, der Verantwortung der Generationen, aus deren Sichtweise, die Deutschland direkt betreffenden Kriege, weil sie Diese nicht erleben mussten, zeitlich und auch gedanklich weit entfernt sind, und auch weil der Tag naht, an dem der letzte Zeitzeuge des Wahnsinns für immer verstummen wird.

Leider müssen wir, gerade vor dem Eindruck des Krieges in der Ukraine lernen, dass unser liebgewonnenes Dasein vielleicht doch nicht so ganz selbstverständlich ist wie wir immer dachten.

Wir brauchen das Gedenken, wenn wir mitverantwortlich für unsere Nächsten, unser Land, ja unsere Welt leben wollen.

Mitmenschlichkeit, Nächstenliebe und auch die Verantwortung für unsere Gemeinschaft sind uns nicht in den Schoß gefallen, diese Haltungen müssen erfahren, ausprobiert und gelebt werden.

In Anbetracht der vielen Kriege und Auseinandersetzungen in der Welt, vor dem Eindruck der großen Flüchtlingsbewegungen weltweit und aufgrund der extremistischen Strömungen und teilweise offenem Antisemitismus aus verschiedenster Richtung auch in unserem Land muss man sich die Frage stellen:

Was hat die Menschheit eigentlich aus der Vergangenheit gelernt?

Die Antwort erscheint einfach - vermutlich nichts!

Genau deswegen brauchen wir den Volkstrauertag, als Stachel im Fleisch unserer Vergesslichkeit, als Aufschrei dagegen, dass Menschen unter Krieg und Vertreibung, Mord, Folter, Gewalt, Terror und Unterdrückung leiden.

Vermutlich würden viele der Menschen auf der Welt gerne ihre autokratischen oder diktatorischen Systeme oder ihre Armut in der sie leben gegen unsere Demokratie und unser Leben, wie wir es hier in Deutschland führen, eintauschen.

Dennoch sollten wir unsere Lebensweise nicht als Blaupause zur Lösung aller Probleme auf der Welt verstehen.

Dafür ist die Menschheit zu unterschiedlich.

Niemand von uns hier ist für das Leben, welches wir in diesem Land trotz aller vorhandenen Schwierigkeiten genießen können, auch nur annähernd selbst verantwortlich.

All unsere Privilegien verdanken wir denjenigen unseren Vorfahren, die dafür gesorgt haben, dass über viele Jahre und bis heute Demokratie, freies Leben und freie Meinungsäußerung sowie Frieden zum Normalzustand gehören.

Uns muss, beim Blick in unsere Geschichte zu dem uns der Volkstrauertag aufruft, klar sein, dass Freiheit und Frieden grundsätzlich keine Selbstverständlichkeit sind.

Sie müssen stetig neu errungen werden.

Für alles das müssen wir tagtäglich einstehen.

„Wenn die Toten schweigen, dann müssen die Lebenden die Stimme erheben, damit nicht alles wieder von vorn beginnt!“

Ob unser Land und wir Alle, die wir gewohnt sind in einer gewissen Komfortzone zu leben, den vielfältigen Aufgaben und kommenden Herausforderungen, vor die wir aktuell und in Zukunft gestellt werden könnten, wirklich gewachsen sein wird, das wird sich zeigen.

Wir sollten zumindest alles dafür tun unsere Demokratie zu verteidigen und für eine friedliche Zukunft einstehen.

Wir sollten nicht schweigen oder auch noch extremes Gedankengut fördern.

Unsere Geschichte ermahnt uns dazu eindringlich!

Meine Damen und Herren,

der Volkstrauertag fordert uns auf, allen Opfern von Krieg, Gewalt und Terror ein ehrendes Andenken zu bewahren.

Deshalb legen wir in Ehrfurcht und als Zeichen der Trauer und des Gedenkens jetzt einen Kranz an diesem Ort der Erinnerung nieder.

Ich danke Ihnen für Ihr Kommen und Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen Zuversicht, alles Gute und ein schönes Wochenende.