Der Ortsbeirat Erdbach möchte an das für unseren Ort einschneidende und schlimme Zugunglück vor 50 Jahren erinnern.
Ein besonderer Dank geht an Manfred Thielmann, der den folgenden Text zur Verfügung gestellt hat.
Vor 50 Jahren: Eisenbahnunglück in Erdbach
Am 13. August 2023 jährte sich zum 50.mal der Tag, als der Breitscheider Ortsteil Erdbach von einem verheerenden Eisenbahnunglück heimgesucht wurde.
Am frühen Montagmorgen des 13. August 1973 setzen sich 20 Güter-Waggons, die auf dem Bahnhof Rehe (Westerwald-Kreis) abgestellt waren, einzeln oder mehrere zusammen, in Bewegung und durchstoßen in zeitlichem Abstand nach ca. 15 km ungebremster Fahrt den Prellbock im Kopfbahnhof in Erdbach. Alle Waggons treffen das Haus Stunz, welches in Verlängerung der Gleise mitten im Dorf stand und zerstören es bis auf die Grundmauern. Im einstürzenden Haus wird die Oma Anna Stunz getötet, die einen Bombenangriff 1945 auf
dasselbe Haus wie durch ein Wunder überlebt hatte. Die Tochter Renate, die ebenfalls bei dem Bombenangriff 1945 lebend davon kam, wird mit ihren Töchtern bei dem Aufprall der Wagen im zusammen gestürzten Haus leicht verletzt.
Die Eisenbahnwagen durchfahren auf der abschüssigen Bahnstrecke zwischen Rehe und Erdbach insgesamt vier Bahnhöfe und acht ungesicherte Bahnübergänge an Straßen, ehe sie sich über dem Haus Stunz in einem wirren Haufen türmen. Es ist schon ein Wunder, dass auf dem zurück gelegten Schienenweg durch die Waggons kein Schaden an Mensch und Material angerichtet wurde, aber für die Familie Germann, dem Schwiegersohn und der Tochter der
Anna Stunz, war die Zerstörung des Wohnhauses durch den Aufprall der tonnenschweren Wagen eine familiäre Katastrophe.
Es dauerte Tage und Wochen, bis die Trümmer von Waggons und Haus beseitigt wurden. Die sofort eingeleiteten Untersuchungen durch das Eisenbahn-Bundesamt und die Polizei, aber auch spätere Gerichtsverhandlungen konnten nicht klären, welche Ursache der Grund für die unkontrollierte Abwärtsfahrt der Eisenbahnwaggons aus dem Bahnhof Rehe war.
Diesem Unglück waren schon drei Ereignisse voraus gegangen, die direkt oder indirekt durch den Bahnbetrieb ausgelöst wurden:
Am 13. Dezember 1910 durchbricht ein Güterzug von Schönbach abwärts fahrend wegen Versagens der Bremsen den Prellbock im Erdbacher Bahnhof und kommt kurz vor dem Unglückshaus Wínkel (später Stunz) zum Stehen. Das Zugbegleitpersonal wie Lok-Führer,
Heizer und Bremser war vor dem Eintreffen in Erdbach vom Zug abgesprungen. Es entstand kein Personenschaden.
Bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof Erdbach in Richtung Herborn wird am 26. Dezember 1939 durch einen Auszubildenden der Bahn die Weiche für die Fahrtrichtung Schönbach schon umgelegt, bevor der letzte Wagen des Zuges diese passiert hat. Der Wagen stürzt um und eine junge Erdbacher Frau wird dabei schwer verletzt. Sie stirbt einen Tag später im Herborner Krankenhaus.
Am 18. März 1945 greifen US-Jagdbomber die im Bahnhof Erdbach beschädigt abgestellten Lokomotiven an Dabei fallen zwei Sprengbomben, die dem nahen gelegenen Bahnhof gegolten haben, neben das Haus Stunz und zerstören es total. Der Opa und die beiden ältesten Töchter der Familie sterben, die Mutter mit der jüngsten Tochter überleben wundersam fast unverletzt auf der Kellertreppe.
Die Gemeindevertretung beschließt nach dem letzten Eisenbahnunglück im Jahr 1973, dass an der Stelle des zerstörten Hauses Stunz/Germann kein Bau mehr errichtet werden darf und lässt
das Grundstück in einen Parkplatz für das benachbarte Dorfgemeinschaftshaus umwandeln.
Günter Germann mit seiner Ehefrau Renate errichten später 50 m vom Unglücksort entfernt in ihrem ehemaligen Garten ein neues Wohnhaus, welches sie bis heute noch bewohnen.
Die Erinnerung an das letzte Eisenbahn-Unglück lebt nur noch im Gedächtnis der älteren Erdbacher Bewohner, denn am 31. Mai 1980 wurde der Bahnverkehr auf der Westerwald-Strecke eingestellt und seit diesem Tag fährt kein Zug mehr in den Erdbacher Bahnhof ein,
der - wie in früheren Jahren - eine Gefahr für das Dorf darstellen könnte.