Das Bürgerarchiv der Gemeinde ist in Verbindung mit der NABU-Ausstellung jeden Mittwoch von 16.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.
Sondertermine sind nach Vereinbarung möglich.
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Tagebuchaufzeichnungen des Schreinermeisters Christian Runkel
Teil 2
Das Militäreffektenlager im Saalbau Runkel wurde heute Morgen aufgemacht, um die Sachen ordnungsgemäß an die Bevölkerung auszugeben. Doch an Ordnung war nicht zu denken. Obwohl der Ausgeber anfing zu verteilen, wurde von der anderen Seite aus die Saaltür gesprengt und raubtierähnlich holten sich die meisten Leute, was sie nur bekommen konnten. Bis zum Mittag ging die Balgerei. Dann wurde wieder geschlossen. Besonderen Anteil an dem Raub hatten die gefangenen Russen und Franzosen.
Amerikanische Truppen fahren wieder dauernd hier durch. Gestern Abend müssen im Westerwald Artillerie-Duelle gewesen sein. Westlich von uns hört man öfters Maschinengewehrfeuer. Soeben kam ein Trupp Franzosen (Fremdarbeiter) von Battenberg mit einem Handwagen hier an. Sie wollen bei uns in der Werkstatt übernachten und dann nach Dillenburg weiterziehen, um dann über Koblenz ihre Heimat (Paris) zu erreichen.
Gestern Abend wurde noch durch die Ortsschelle bekannt gegeben, dass die aus dem Saale Runkel ausgegebenen Wäschestücke und Schuhe von der Bevölkerung als zu treuen Händen gegeben anzusehen seien. Die gefangenen Russen, Franzosen usw. haben auch einen sehr großen Teil erhalten, werden sich aber kaum darum kümmern.
Heute schreiben wir den 1. April - Ostersonntag. Nach wie vor dauernd Durchfahrten der Amerikaner. Alle Wagen habe wohl für die Flieger als Kennzeichen ein ganz grell rotes Tuch. Ein Teil fährt über Battenberg, der andere etwas südlicher. Im Walde Eschborn liegen große Mengen von Waffen, Kraftwagen, Tellerminen und dergleichen. Unsere vorher dort durchziehenden (deutsche) Soldaten haben die Sachen dort abgesetzt.
Seit vorgestern befindet sich an der Schule ein großes Plakat, welches die Gesetze der Amerikaner bekannt gibt. Nach 7 Uhr abends bis 6 Uhr morgens darf niemand mehr auf der Straße sein.
Alle Wehrmachtsangehörigen und SA-Männer haben sich innerhalb von 2 Tagen, Mitglieder der NSDAP innerhalb einer Woche zu melden, was jedoch wieder geändert wurde. Die Meldungen von allen Gattungen werden heute Morgen von 10-12 Uhr im mittleren Schulsaal durch den Gemeinderechner und noch 2 Mann entgegengenommen. Als besetztes Gebiet gilt der Westerwald mit den Kreisen Dillenburg und Biedenkopf, sowie die Bezirke Battenberg und Wildungen. (Damit war die Angst vor Luftangriffen geringer, denn besetzte Gebiete wurden in der Regel nicht angegriffen) Soldaten (deutsche) halten sich hier keine mehr auf. Nach dem Westen zu hört man dauernd Geschützfeuer. Der Sender Luxemburg wird viel gehört.
Obwohl seither viele Menschen sagten: sie sollen Schluss machen! Scheint es doch so, als ob eine andere Stimmung vorhanden wäre. So bedauert man oft unsere einst so stolze, sieggewohnte Wehrmacht.
Der Feindsender berichtet, dass durch die Verwüstung in vielen Gebieten nicht ausgesät worden ist und Hungerkatastrophen und Pestilenz die Folge sein würden.
Bahn geht überhaupt keine mehr. Die Post macht auch nicht mehr auf. Zeitungen haben wir in der letzten Woche keine erhalten. Die Telefonleitung ist abgeschnitten. Autos und Panzer fahren noch immer ununterbrochen hier durch, manchmal nach beiden Seiten (Richtungen). Bei diesem Getöse meint man oft, irrsinnig zu werden. (..) Die größten Optimisten träumen von einer Knappheit bis zum Frühjahr. Dann würden wieder gute Zeiten kommen. Gegen die Partei ist ein Hass aufgekommen ohnegleichen. Der Vertreter des Raiffeisen sieht sich veranlasst, etwas Kunstdünger an die Genossen abzugeben. 3 Mann erhalten eine Packung.
Die Franzosen und Russen (Fremdarbeiter) sind meistens weg. Die Russen sollen über Frankreich und das Mittelmeer nach Hause geschafft werden.