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Wochenzeitung für die Gemeinde Breidenbach
Ausgabe 36/2025
Aus dem Rathaus wird berichtet
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Bürgerarchiv der Gemeinde Breidenbach und NABU-Ausstellung

Das Bürgerarchiv der Gemeinde ist in Verbindung mit der NABU-Ausstellung jeden Mittwoch von 16.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.

Sondertermine sind nach Vereinbarung möglich.

Telefon während der Öffnungszeit:  — 68-39

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Das Bürgerarchiv informiert:

Tagebuchaufzeichnungen des Schreinermeisters Christian Runkel

Teil 3

2. April 1945

Ostermontag! Heute haben wir wieder Franzosen aus der Normandie, 5 Männer und 4 Frauen, zur Übernachtung in der Werkstatt. Die Männer waren Kriegsgefangene, die Frauen haben Feldarbeiten in Battenberg verrichtet. Sie wollen wie die anderen Franzosen morgen über Dillenburg weiter. Sie sehen gut aus und haben Proviant bei sich. Heute sind wieder viele Kolonnen hier durch. Chr. Balzer in Wallau haben sie zwei schwere Pferde mit Wagen und sonstigem Zubehör mitgenommen. (..) Die russischen Frauen sind noch hier. Jeden Tag hört man erneut, dass sie den Bewohnern Wagen und Pferde mitnehmen. Gestern verlangte ein schwarzer Soldat von Fritz Bergen seinen Ausweis und wollte ihn verhaften. Ein Nachbar musste seinen Paß holen und da er die Bildgleichheit erkannte, ließ er ihn frei.

Im Sauerland soll der Werwolf aufgerufen sein. Was hat das aber für einen Zweck, wenn die Leute keine Ausbildung und Waffen haben. Im 30-jährigen Krieg war dies noch möglich durch Bewaffnung mit Sense und Mistgabel. Aber heute?

Von Wolzhausen wird berichtet, dass dort gewaltige Mengen Öl, darunter Bucheckeröl, aufgestapelt sei. Man brauche nur abzuzapfen. Auch hiesige Bewohner haben sich dann Kannen voll geholt, fanden aber, dass das Öl zum Backen usw. unbrauchbar war. Wer weiß, zu welchem Zweck es bestimmt war. Wahrscheinlich zum Herstellen von Seife.

Heute wurde die Uhr wieder auf Sommerzeit umgestellt.

3. April: In Kassel sollen schwere Kämpfe stattfinden. (..) Der Luxemburger Sender sagt, dass der Bürgermeister die Stadt schon übergeben hat. (..)

Mit dem Kuchenbacken ist es ein Jammer. Hefe und Backpulver gibt s nicht mehr und so kann man sich denken, wie dieselben aussehen und den Magen passieren. (..)

5. April: Gestern Abend fuhr amerikanische Artillerie bei der Mühle, am Denkmal und am Hausberg auf. Der Geschützdonner südwestlich wurde stärker. In der Nacht hört man viel Bomber. Trotzdem blieb es ruhig. Gegen Abend wurde der Rest aus dem Runkelschen Saal ausgegeben.

Menschen gebärden sich wie wilde Tiere. Es gibt hier Familie die bis zu 60 Decken, dutzende Bettbezüge, 50 Jacken und noch mehr dabei erobert haben. Andere dagegen fast nichts.

Heute Morgen stehen alle Straßen voll Menschen, die aus den Nachbardörfern gekommen sind, um Schuhe, Damenstrümpfe und was es sonst noch alles aus dem Saale Reitz an Militäreffekten geben soll, zu holen. Es wurde aber nicht aufgemacht, sonst hätte es sicher Unglücke gegeben. Es verlautet, dass zu den umliegenden Dörfern je 1 Wagen voll gebracht werden soll. Das war ein guter Gedanke.

Am Nachmittag stauten sich schon wieder die Menschenmassen. Was für ein Unsinn verzapft wird, ist kaum denkbar! - Leute, die überhaupt noch nicht bewiesen haben dass sie ein Ziel und eine Aufgabe hatten, haben auf einmal die Weisheit schöpflöffelweise geschlürft. Dabei konnten sie früher nicht mal einen 3-Mannbetrieb erhalten und hinter all dem stand der Gerichtsvollzieher. Den größten Unsinn markieren sie nun als Blütenauslese und spielen sich als Richter auf. Ein schlechter Vogel, der sein eigenes Nest beschmutzt.

Vor einem Jahr erzählte mir Kamerad Gg. Schmidt 3., dass die Stimmung im Dorfe gegen die Partei immer noch im wachsen sei. Wenn der Ausgang des Krieges nicht günstig wäre, würde man die Parteimitglieder zur Rechenschaft ziehen, in erster Linie den meistgehassten Menschen, den Bauernführer. Dann vor allem die beim Konsum beschäftigten. Leider ist das wahr. Die Betreffenden haben es nicht verstanden, den Wahlspruch:

„Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ in die Tat umzusetzen

(Wird fortgesetzt.)