Das Bürgerarchiv der Gemeinde ist in Verbindung mit der NABU-Ausstellung jeden Mittwoch von 16.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.
Sondertermine sind nach Vereinbarung möglich.
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Tagebuchaufzeichnungen des Schreinermeisters Christian Runkel (Auswahl)
Von morgens 7 Uhr bis abends 6 Uhr darf niemand auf der Straße sein. Diese Maßnahme wurde später gelockert. Die Amerikaner sind im Großen und Ganzen nicht bösartig, dürfen sich aber nicht mit dem Volk unterhalten. Sie führen eine gute Küche. Es gibt Bohnenkaffee, Zucker, Milch und auch sonst sind ihre Portionen sehr gut. Eisenhower hat gesagt, wir wollen von den Deutschen keine Lebensmittel haben, sie bekommen aber auch nichts von uns. Abfälle, die man gut für die Schweine hätte brauchen können, wurden vergraben. Die Köche sind sehr fleißig. Der Soldat selbst ist Sportsmann durch und durch. Hat er einen Moment frei, beginnt das Spiel. Alles Nötige haben sie bei sich.
Der erste Trupp von ca. 1 200 Mann blieb nur 3 Tage hier. Sonntagnachmittag rückten sie ab. Gegen Abend trafen jedoch schon wieder 800 Mann ein. Nach dem Abmarsch stellte sich dann heraus, dass gar vieles demoliert war. Daraufhin brachte man, wo es möglich war, die Möbel und Wertsachen in Sicherheit. Die ersten Quartiermacher hatten gesagt, es werden nichts beschädigt. In Wahrheit war es jedoch anders. Wie es wirklich aussah, bringe ich nach dem Abmarsch der zweiten Kolonne, die über 14 Tage hier war. Die letzteren waren humaner. Eine Werkstattkompanie lag auf der Hütte (Buderus), bei Rein, Oberdieten und eine solche auf dem Zimmerplatz. Wir selbst hatten dauernd immer 40 Mann im Hause. Sie schliefen und logierten in der Werkstatt. Nach dem Abzug der ersten Truppe fand man, dass man nicht immer von Humanität reden kann. Ein paar Rohlinge genügen, um die ganze Truppe zu beschämen. Wir hatten noch Glück, dauernd auf dem Hofe zu sein. Es ist doch noch besser, als das Haus ganz und gar verlassen zu müssen. Die Schlüssel hatten wir alle stecken gelassen. Die Musikinstrumente hingen alle an den Wänden. Jeden Abend spielten sie auf der Geige, die dann noch am letzten Tag zertrümmert wurde. Desgleichen auch die Klarinette. Am Badeofen waren Hähne abgeschlagen, wertvolle Angeln kaputt. Vorhänge, Polsterkissen, 1 neues Rasiermesser, Verdienstkreuz, Taschentücher und vieles andere fehlten. Eine Anzahl Fensterscheiben, Ofenrohr usw. waren zerstört. Von den übrigen Kleinigkeiten mag man gar nicht reden. Auch anderswo war es nicht besser.
Die 3 Lehrer hatten noch neue polierte Möbel, an denen alle Schlösser aufgebrochen und dabei jedes Mal gewaltige Stücke aus dem Beistoss mit heraus gerissen worden waren.
Zimmertüren waren aufgebrochen, Bettstellen auseinander gerissen. Auf dem Boden sah es überall furchtbar aus. In der Nachbarschaft war mit Axt und Säge an eingelegten Möbeln gearbeitet worden. In Türfüllungen wurde Speer werfen geübt, Bilder zerschlagen. Bettteile, Polsterstücke und Bettdecken fehlten. Schinken und Würste lagen im Unrat. Am schlimmsten war es wohl bei Wills (Hauptstr 1) und Frl. Krücke (Schule). Ersterer hatte erst vor nicht langer Zeit aus eigenem Weinberg 50 Flaschen erhalten, die jetzt alle leer waren. Vieles war demoliert oder beschädigt. Bei Frl. Krücke war eine große Anzahl Ölgemälde in Stücke zerschnitten, kunstvolle Schnitzereien abgeschlagen und auch alle Schlösser erbrochen. Dann gab es Leute, denen Hühner abgeschlachtet wurden. Anderen wiederum Hasen usw. Einigen Leuten waren auch Wurst und Schinken abhanden gekommen.
Aus dem Saale Reitz holte ein Auto von Marburg Decken. Man machte daraufhin den Bürgermeister persönlich dafür verantwortlich, dass nichts mehr weg käme.
Der Landrat Dr. Burghof, der Kreisleiter Thiele, Ortsgruppenleiter Schmidt aus Biedenkopf haben das Auto des Tierzuchtinspektors Dr. Tornede beschlagnahmt und sind flüchtig. (..)
Die Sterblichkeit unter den Menschen ist sehr groß. Alle paar Tage eine Beerdigung. Auch verschiedene Evakuierte sind gestorben. (..)
Der Hafer ist schnell gesät gewesen. Die Menschen machten sich anfangs schwere Gedanken wie wohl alles werden würde. Doch dadurch, dass wir besetztes Gebiet waren, kamen keine Tiefflieger mehr durch und auch die Bomber flogen über uns hinweg. Das Kartoffel setzen ging spielend leicht, da alle Fabriken stehen und die Arbeiter zu Hause sind. Nur die größeren Bauern, die ausländisches Personal hatten, sind im Druck. Die Mädels, die bisher noch immer keine Bauernarbeit verrichten wollten, werden wohl jetzt gewissermaßen dazu gezwungen mit anzufassen. Sonst gibt es nichts zu essen.
Jetzt laufen die Menschen wieder zu Fuß nach Siegen, Marburg, Dillenburg und zurück, was in den letzten 50 Jahren unmöglich schien. Ludwig Schmidt 9., (Kriemersch) lief in 4 Tagen von Mannheim bis hierher. Dazu eine lustige Begebenheit. In den 80er oder Ende 70er Jahre als die Schildkappen aufkamen, ist ein Breidenbacher Bursche an Sonnabendmorgen vor der Kirmes nach Siegen gegangen, um sich dort eine solche Mütze zu kaufen. Freudestrahlend konnte er bei dem Umzug durchs Dorf seine Mütze zeigen.
4.Mai: Die Ereignisse überstürzen sich. Hitler hat den Tod vorgezogen. Himmler ist nicht mehr und heute Morgen wurde durch das Radio berichtet, dass Molotow die Verhandlungen in San Franzisko verlassen hat und abgereist sei.
Die Firma Christmann & Pfeifer hatte bei dem überraschenden Ende noch sehr viele Türen und Fenster auf Lager, die bei den in großer Anzahl ausgeführten Behelfsbauten Verwendung fanden. Jetzt laufen die Menschen dauernd hin und kaufen sich diese Türen und Fenster. Zu Hause werden sie in die Scheune gestellt. In Wirklichkeit werden sich nur wenige praktisch bewähren. Einmal sind die Größen nicht der gewöhnlichen Bauweise angepasst. Sie sind leicht und mit viel Ersatzmaterial versehen, z.B. hölzerne Türdrücker, Fitschen usw.. Ich bin schon gerufen worden, um solche einzusetzen. Aber wie gesagt, einmal müssen die Türpfosten und Riegel so gewaltig versetzt werden, dass es sich nicht lohnt. Scheinbar wollten die Leute nur ihr Geld loswerden. Wir haben nach dem ersten Weltkrieg schon einmal dieselben Erfahrungen gemacht. Damals holten sich die Leute ganz primitiv gebaute Fenster und Türen in Eibelshausen, die ihnen aber keine Freude bereitet haben.
Ich habe noch zu erwähnen, dass die im Frühjahr in Angriff genommenen Stollen zwischen Reibertsloh und Kahn und am Steterain in ihren Anfängen stecken geblieben sind. Sie lagen alle zu weit ab und konnten ihren Zweck nicht erfüllen.
Die jetzt hier liegenden Amerikaner haben keine eigene Küche. Sie werden von Biedenkopf aus versorgt. Die Sache klappt aber nicht immer. Sie versuchen deshalb, von der Bevölkerung Eier zu bekommen.
Am 12. Mai mussten wieder Häuser geräumt werden. Die ganze Schule, Stebner (Buderusstr.) und das Hüttenhaus (Schürg). Letzterer hat schon öfters ausziehen müssen. Es sollen 150 Amerikaner eintreffen. Es ist aber nicht mehr genau festzustellen wegen dem dauernden Kommen und Gehen. Sie bevorzugen hauptsächlich fließendes Wasser und Heizung. Meißner muss sämtliche Betten im Haus, die alle belegt waren, wieder herausschaffen. Die Neuen brauchen keine Betten.eizung. HeiHei Auch das einzige Zimmer, welches man ihm gelassen hat, muss er ausräumen. Er wohnt jetzt bei Schwager Scherer.
In der Schule müssen Türe und Aborte wieder instand gesetzt werden.
Am 18. Mai wird bekannt gegeben, dass die Verdunkelung aufhört. Nach Kriegsschluß war die Straße nur von morgens 7 Uhr bis abends 9 Uhr passierbar. Jetzt aber von 5 bis 9 Uhr abends. Auch dürfen wir im ganzen Kreis verkehren. Ein Gewitter brachte uns am 18.Mai den ersehnten Regen und am 19. Mai hatten wir abends wieder ein Gewitter. So dürfen wir hoffen, in diesem Jahr auch ohne Kunstdünger eine gute Ernte zu erhalten.