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Wochenzeitung für die Gemeinde Breidenbach
Ausgabe 40/2025
Aus dem Rathaus wird berichtet
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Bürgerarchiv der Gemeinde Breidenbach und NABU-Ausstellung

Das Bürgerarchiv der Gemeinde ist in Verbindung mit der NABU-Ausstellung jeden Mittwoch von 16.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.

Sondertermine sind nach Vereinbarung möglich.

Telefon während der Öffnungszeit:  — 68-39

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Das Bürgerarchiv informiert:

Tagebuchaufzeichnungen des Schreinermeisters Christian Runkel (Auswahl)

Teil 7

1. Juli 1945. (..)

In Berlin ist die kommunistische Partei wieder zugelassen worden. Zucker erhält jede Person

10 Pfund. Die Maßnahmen zur Kartoffelkäferbekämpfung müssen verschärft werden. Da schon eine Unmenge Larven gefunden wurden, wird überall gespritzt, wo er sich gezeigt hat. Im Badeweiher hat ein Amerikaner Typhusbazillen festgestellt. Das Wasser ist abgelassen worden.

Die Heimkehr der Soldaten geht sehr langsam vorwärts. Selbst wenn alle Papiere in Ordnung sind, werden sie von einem Lager zum anderen geschickt. Dabei nehmen sie vielfach die Gelegenheit wahr, um durchzugehen (aus dem Lager zu fliehen). Mitunter herrscht in den Lagern ein ganz gewaltiger Hunger. So sollen von einer Kompanie 62 Mann gestorben sein. In Dillenburg gibt die Militärregierung Deutschland die Dill-Zeitung heraus, 1 Blatt stark. Ich will nicht alles erzählen, was die Zeitung bringt.

Seit dem 5. Juli ist der freie Verkehr in ganz Hessen erlaubt.

Die eine Kompanie der Amerikaner ist bereits abgerückt. Dafür hat es aber auch wieder etwas Zugang gegeben. Die Flak- und schweren Panzergeschütze bei der Hütte (Buderus) sind ebenfalls weg. Wie verlautet sollen auch die übrigen bald verschwinden und nur 2 Verbindungsmänner hierbleiben. Die abgehenden Soldaten suchen, wenn irgend möglich, einen Koffer zu erhalten den sie mitnehmen. Wir haben in unserer Werkstatt sehr viele anfertigen müssen, auch sonst viel Gerät, womit sie sich umgeben.

Durch das günstige Wetter -alle paar Tage Regen und warm- sieht das Feld wunderbar aus.

29. Juli. Im Laufe der Woche ist das Korn alles abgemäht worden und auch schon teilweise eingefahren. Durch das Fehlen des Düngers ist der Ertrag doch wesentlich beeinträchtigt worden, wie sich jetzt herausstellt. Nur einige, die Dünger erhalten hatten, haben bessere Ernte. In letzter Zeit kamen öfters Haussuchungen und Verkehrsstilllegungen für einzelne Tage vor. Man sucht immer noch nach Waffen und dergleichen. Im Laufe der Woche feierten die Amerikaner ein Sportfest. Sie hatten den Fußballplatz am Hausberg, der verfallen war, wieder hergerichtet, neue Tore und sonstige Sachen angebracht. Sie werden auch gut mit Wein versehen und sind dabei wohl auch etwas laut und lustig. Aber doch anständig. Sie pflegen auch ihre Dackelhunde gut. Ich habe ihnen eine schöne Hundehütte gemacht.

Industrie und Handel strengen sich äußerst an, um den Markt zu beliefern. So gibt es Herde in kleiner Ausführung, Drahtgewebe, kleine Gebrauchsgegenstände wie Kehrbleche, Kohleschaufeln, Maulkörbe usw. Alles ist preiswert zu erhalten. Dagegen kostet ein kleiner 4-rädriger Handwagen 50,-- bis 60,-- RM.

An der Wiederherstellung der Eisenbahnen wird fieberhaft gearbeitet. Telegrafenarbeiter sieht man auch schon vereinzelt. Die Post ist noch immer geschlossen und nur bei Rentenauszahlungen für Stunden geöffnet. (..)

Am 8. August ist dann der erwünschte Regen eingetroffen und man hofft, dass die Kartoffelernte noch befriedigend wird. Ebenso wie die Grummeternte.

12. Aug.1945. Korn, Hafer und sonstige Sommerfrüchte sind inzwischen eingefahren worden. Mit dem Ausdrusch des Saatgutes wurde begonnen. Die Trockenheit beginnt sich bemerkbar zu machen. Kartoffeln, die auf mageren Boden standen, fangen an welk zu werden.

Das Verhältnis zu den Amerikanern ist nach Aufhebung des Verkehrverbotes (Amerikaner und Deutsche durften wieder Kontakt haben) besser geworden, so dass wir uns gegenseitig aneinander gewöhnt haben. Es sind viele Kinderfreunde unter ihnen. Dagegen hört man aus den Gebieten Trier, Koblenz und Westerwald, wo der Franzose ist, schwere Klagen. So sollen sie von den Bewohnern in kürzester Zeit komplette Esszimmer und dergleichen mehr verlangen. Die Engländer werden dagegen als human geschildert.

Das Hamsterwesen hat ziemlich aufgehört und wurde dadurch, dass sonntags keine Züge mehr fahren, zum Teil auch unterbunden. Die Wiesen unterhalb des Hüttenhauses sind wieder frei. Doch der Hüttenplatz selbst ist schwer voll von Wagen und Geschützen. In Bezug auf Beförderung von Kranken waren die Amerikaner sehr zuvorkommend. Sie stellten gern und willig ihre Autos zur Verfügung. Vorgestern wurde durch den Rundfunk bekannt gegeben, dass die Atombombe, von einem Amerikaner erfunden, nunmehr fertig gestellt und Japan entsprechend gewarnt worden sei. Nachdem dann zwei Bomben abgeworfen worden waren, die die furchtbarsten Zerstörungen anrichteten, hat auch Japan kapituliert.

Deutsche Soldaten kamen vereinzelt nach Hause und haben mitunter schwer an Hunger gelitten. (..) Schule und Post sind noch immer geschlossen. Einzelne Geschäfte haben sich auf die Anfertigung von Gebrauchsgegenständen verlegt und beliefern die Bevölkerung. (..)

Die Politik ist für den größten Teil des Volkes tot geworden. Das Radio wird auch nicht mehr gehört. Bei der Konferenz in Berlin hat Russland Königsberg verlangt. Die Polen wollen das Gebiet bis an die Neiße.

19. Aug.: Im Laufe der Woche kam ein Amerikaner der, etwas deutsch konnte zu mir in die Werkstatt und fragte, ob ich auch durch den Rundfunk gehört hätte, dass Japan erledigt sei. Da ich bejahte sagte er, dass sie nun schnell wegkommen würden und nur 1 Verbindungsmann in Breidenbach bleiben sollte. Er war ein Chargierter (Offizier) und hatte sich bei mir ein Tischchen mit sehr hohen Füßen bestellt, an dem er schreiben konnte. Beim Abholen desselben brachte er eine Schachtel Zigaretten, 1 Stückchen Feinseife und etwas Schokolade mit. Er sagte, wenn wir abrücken, könnte ich das Tischchen bei ihm wieder abholen. So muss man gar vieles abfertigen. Für einen angefertigten Koffer gab beim Abholen ein Italiener 2 Pfund Kaffee. Derselbe roch, schmeckte aber nicht danach. Es stellte sich dann heraus, dass es Kaffee war, den man bereits abgebrüht und dann wieder getrocknet hatte. Nachträglich wurde bekannt, dass die Bevölkerung sich solch abgebrühten Kaffee von den Amerikanern geben lässt und dann nochmals abkocht.

Gestern meldete die Ortsschelle die Bekanntgabe des Kommandanten, dass bis 29. August alle zugelassenen Kraftfahrzeuge ihre Gültigkeit verlieren. Parteigenossen sollen auf diese Art und Weise ausgeschieden werden.

Es wäre höchste Zeit, dass die Kinder wieder zur Schule gingen, Handwerk und Gewerbe wieder in Ordnung kämen. Die Handwerkskammer hat ihre Organe wieder neu erhalten, aber die Verbindung mit Wiesbaden fehlt noch, so dass noch keine Lehrlinge eingestellt werden können.

26. August 1945. Die seitherige Besatzung ist am Freitag abgegangen nach Kassel, aber gleichzeitig sind neue Soldaten, mindestens in den früheren Ausmaßen angekommen. Immer wieder muss ich betonen, dass es bei denselben viele Kinderfreunde gibt, die sich liebevoll mit den Kleinen beschäftigen. Die hessische Post schilderte vor 8 Tagen, wie sich die Verhältnisse in Deutschland gestalten. Leider ist das Blatt welches ich mir ausgebeten hatte, nicht mehr vorhanden. In Heidelberg sei die Universität wieder eröffnet worden und auch andere würden folgen. Deutschland müsse arbeiten und exportieren, damit es leben könne. Vor allen Dingen müsse es jetzt Buße tun. Viele Schiffe und Kähne seinen in Tätigkeit, um Lebensmittel für die Soldaten heranzuschaffen.

(..) Regenfälle gab es seither fast jeden Tag. Trotzdem ist die Hälfte der Frucht schon ausgedroschen. Die Kartoffeln haben sich erholt und versprechen eine gute Ernte. Wenn dieselben wie früher gedüngt worden wären, hätte es bestimmt eine Rekordernte gegeben. Über den Käfer hat man noch kein klares Urteil. Scheinbar sind ihm die klimatischen Verhältnisse nicht günstig genug.

(Wird fortgesetzt.)