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Wochenzeitung für die Gemeinde Breidenbach
Ausgabe 48/2024
Aus dem Rathaus wird berichtet
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Gedanken zum Volkstrauertag

- Gedenkveranstaltung am 17.11.2024 -

Ansprache von Peter Künkel

Vorsitzender der Gemeindevertretung

Peace, Paix, Paz, Pokoj, Mmir - Frieden. Dieses Wort existiert in allen Sprachen der Welt. Nur ein Wort? Und gäbe es dieses Wort auch ganz alleine? Wo kommt es her? Nüchterne Antwort: vom Krieg. Ohne Krieg brauchte man es nicht.

Und so gedenken wir denn heute auch den Toten und insbesondere den Toten aus Kriegen, also denjenigen, welche gewaltsam starben.

Wie gehen wir mit diesem Gedenktag um? Zeigen wir - oberflächlich und schnell, wie diese Zeit nun einmal ist -, kurz unsere Betroffenheit, unsere Bestürzung? Nehmen wir mit ernstem Gesicht das arg abgenutzte Wort der Mahnung in den Mund? Erzählen wir gar die Mär vom „nie wieder“?

Ja, der Krieg war weit weg, und von so nebensächlichem Interesse, dass sich nicht selten eine Meldung über zig Tote durch eine kriegerische Auseinandersetzung irgendwo auf dieser Welt, meist in Afrika, sich -etwas kleiner- direkt neben der Meldung eines abgefahrenen Aussenspiegels auf dem Aldiparkplatz findet.

Man nennt das auch Gleichgültigkeit oder bewusstes Wegschauen.

Aber die Einschläge kommen näher, der Krieg ist erneut in Europa angekommen. Noch scheint das nicht so recht durchgedrungen zu sein, aber es befindet sich nur noch ein Land zwischen uns und dem Krieg, und dann klopft er auch an unsere Haustür.

Und die Aussichten? Die Zahl der Hardliner, der Despoten, der Diktatoren auf dieser Welt nimmt stetig zu. Sie etablieren sich mehr und mehr, denn erschreckend viele Menschen haben sich -warum auch immer- offenbar auf einen verhängnisvollen Weg begeben - oder sie haben sich schlicht reinlegen lassen.

Fakt ist, dass von einem demokratischen Staat noch kein Angriffskrieg ausgegangen ist. Fakt ist freilich auch, dass die Grenzen zwischen Angriffs- und Verteidigungskrieg verschwimmen, siehe Nahost.

Jeder Mensch, dem etwas an Freiheit, an Rechtsstaatlichkeit an FRIEDEN gelegen ist, muss auch dafür kämpfen! Auch und nicht zuletzt wegen der zunehmenden Neigung zum Eskapismus - Realitätsverweigerung, Aberglauben, Verschwörungsmentalität - müssen wir uns aktiv einsetzen für die Demokratie, für das friedliche Miteinander!

Einmal im Jahr an einer solchen Veranstaltung wie dieser hier teil zunehmen, setzt schon mal ein kleines Zeichen. Aber wir sind zu wenige, und es genügt nicht. Die Demokratie, welche Freiheit und Frieden garantieren soll, ist ein mühseliges Geschäft, kein Selbstläufer! Wir müssen stetig daran arbeiten, auch unsere Mitmenschen, insbesondere die jüngeren Generationen, zu sensibilisieren.

Wir müssen uns unermüdlich für Freiheit und für Frieden einsetzen - jeden Tag!

Das sind wir den Toten schuldig, und das sind wir unseren Kindern und Enkelkindern schuldig!

Ansprache von Pfarrerin Tatjana Frenzel

Nachbarschaftsraum Breidenbacher Grund

Ev.-luth. Kirchengemeinde Wolzhausen

Am heutigen Volktrauertag halten wir inne und gedenken der unzähligen Opfer der Kriege in unserem Land und in der Welt.

Wir gedenken der unzähligen Opfer der Konflikte, in denen Menschen einander keinen Raum gelassen haben, zusammen zu leben.

Am heutigen Volkstrauertag suchen wir nach Geschichten, die einen anderen Weg aufzeigen, einen Weg des Friedens und der Verständigung. In diesem Jahr vor fünfzig Jahren starb ein Mann, dessen Lebensgeschichte dank eines Hollywood-Films heute vielen bekannt ist. Als ich diesen Film gesehen habe, dachte ich nicht, dass einmal wieder Zeiten kommen würden, in denen Kinos ihn umsonst zeigen würden, weil die Erinnerung an seine Geschichte wichtiger denn je ist. Oskar Schindler rettete ungefähr 1200 jüdischen Menschen während des Zweiten Weltkriegs das Leben zusammen mit seiner Frau Emilie.Die Lebensgeschichte von Oskar Schindler erzählt eindrücklich, wie er sich mit seinem Vermögen und seinem Leben für die Rettung jüdischer Menschen eingesetzt hat in Zeiten von Diktatur und Barbarei.

Sie erzählt eindrücklich davon, dass jeder einzelne etwas tun kann gegen das Unrecht und Ausgrenzung und für die Menschlichkeit.

Im Hollywood-Film „Schindlers Liste“ gibt es eine Szene, die mir besonders in Erinnerung geblieben ist. Als Dank für ihre Rettung überreichen ihm die Überlebenden einen Ring, den sie selbst geschmiedet haben. In dem Ring ist ein Zitat eingraviert. Es ist ein Satz aus dem jüdischen Talmud, der schriftlichen Auslegung der Tora mit den Geboten- und Verboten für das jüdische Leben.

Er lautet: „Wer einen Menschen rettet, dem wird es angerechnet, als habe er die ganze Welt gerettet“. Nach dem Krieg lebte Oskar Schindler in ärmlichen Verhältnissen. Er musste sich zudem von Deutschen verspotten lassen. Er wurde bespuckt auf offener Straße und als „Judenfreund“ verunglimpft von denen, die sich nicht mit der Verstrickung in ihre eigene Schuld beschäftigen wollten. In diesem Jahr anlässlich seines 50. Todestages hat Michel Friedmann, dessen Vater, Mutter und Großmutter auf Oskar Schindlers Liste standen, daran erinnert in Zeiten, in denen jüdische Menschen in unserem Land wieder auf offener Straße beleidigt, angegriffen und verfolgt werden.

Der Volkstrauertag ist ein Tag des Gedenkens an die Opfer von Krieg und Gewalt. Er ist für mich ein Tag der Klage und des Mahnens.

Wir klagen darüber, was Menschen anderen an Leid angetan haben.

Wir klagen darüber, was wir nicht mehr ändern können.

Aber das Leben von Oskar Schindler und der vielen, die sich für andere Menschen eingesetzt haben, mahnt jeden und jede einzelnen von uns, das zu tun, was ich tun kann, um anderen Menschen zu helfen, um einen Schritt weiterzugehen auf dem Weg zum Frieden. Jeder einzelne Mensch, dem geholfen wird, der gerettet wird aus Krieg und Gewalt, hilft der gesamten Menschheit. Denn jedes einzelne Menschenleben ist einzigartig und unendlich kostbar. Denn es ist ein Geschenk Gottes.

„Wer einen Menschen rettet, dem wird es angerechnet, als habe er die ganze Welt gerettet“.

Wenn ich an diesem Tag nur auf die grausamen Nachrichten und Berichte schaue über das, was Menschen einander angetan haben und immer noch tun, dann gerate ich ins straucheln und zweifel an dem Verstand derer, die ohne Not Hass, Gewalt, Ungerechtigkeit predigen und leben. Ich glaube daran, dass jeder und jede seinen und ihren Teil dazu beitragen kann, die Welt friedvoller zu gestalten. Deswegen erinnere ich mich und uns heute an das Leben von Oskar Schindler.

Und ich erinnere an die Worte Jesu, der gesagt hat:

„Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen."

Inmitten der Kriege und der Gewalt höre ich diese Worte. Sie mahnen mich nach Worten zu suchen, die verbinden anstatt zu spalten.

Sie zeigen mir einen Weg, auf dem ich nicht anderen die Schuld gebe, sondern meine Verantwortung übernehme, die mir übertragen ist.

Sie erinnern mich und uns daran, dass es meine und unsere Aufgabe ist und bleibt Frieden zu stiften. Diese Aufgabe Frieden zu stiften gilt für uns alle. Es ist nicht nur ein biblisches Gebot, sondern auch ein weltliches. Wer die Spuren des Friedens verlässt und Hass sät, lästert Gott. Lassen Sie uns als Menschen dazwischengehen Frieden aussäen, Frieden leben, Frieden spenden - im Kleinen wie im Großen.

Das ist unser aller Aufgabe: Sie ist verbindlich festgeschrieben im Grundgesetz, dessen fünfundsiebzigsten Geburtstag wir in diesem Jahr Grundgesetzes gefeiert haben. Seine Präambel ist und bleibt unsere Verpflichtung und deswegen ende ich mit ihren Worten, die unser Auftrag sind:

Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.