Blick in die Heimatgeschichte

Im Kreisanzeiger stand am 9. Januar 1960 unter der Rubrik: „Blick in die Heimatgeschichte“ folgender Artikel. Verfasser war wohl Lehrer Otto Schwarz.

Von einem alten Haus in Bingenheim

Eines der ältesten Häuser in Bingenheim steht am Eingange zur Raunstraße, der Hauptstraße des Dorfes, und ist ein stattliches Geschäftshaus. Sein Besitzer ist der Kaufmann Otto Reichhardt, er erwarb es im Jahre 1938.

Im 17. Jahrhundert wohnte darin der Geschichtsschreiber, Landarbeiter und Zöllner Martin Frickel. Auch dessen Sohn war Gerichtsschreiber und Zöllner und wurde 1715 Amtsschultheiß. Über 40 Jahre versah er dieses wichtige Amt. Da seine Ehe kinderlos blieb, wurde Johannes Waas sein Nachfolger im Besitztum. Seine vier Söhne starben als Kinder, und der Schwiegersohn Johann Wilhelm Lahm, der Bauer und Ausschusshauptmann war, übernahm das Anwesen. Sohn und Enkel trugen die Namen Johann Wilhelm und so kam es, dass das Grundstück bis zum Jahre 1855 auf diesem Namen stand. Letzterer heiratete Anna Katharine Luther aus Bingenheim, und ihr erstes Kind war Johann Georg Lahm. Er wurde einer der bekanntesten Bürgermeister der Gemeinde und starb im Jahre 1901. Bei allen Behörden war er ein hochangesehener Mann gewesen und herrschte in Bingenheim fast unumschränkt. Von ihm zeugen heute noch die Anlage bei der Kirche und der zweitälteste Friedhof der Gemeinde.

Bis zum Jahr 1937 – dem Aussterben der Familie – stand das Anwesen auf dem Namen Lahm. Nachdem es Otto Reichhardt übernommen hatte, wurde es zu einem Geschäftshaus umgebaut und bald war es ein neuer Mittelpunkt für die Gemeinde Bingenheim und die Nachbargemeinden Blofeld, Leidhecken, Gettenau und Heuchelheim.

Unsere heutigen Fotos zeigen das frühere Geschäftshaus und das Hochzeitsfoto von Otto Reichhardt II. (*26.01.1901) und Alice (*13.12.1905). Die Hochzeit fand 1929 statt.