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Wochenzeitung für die Gemeinde Echzell
Ausgabe 8/2023
Gestaltung Innenteil Seite 2
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Weltgebetstag 2023 - Taiwan - Glaube bewegt

Herzliche Einladung zum Gottesdienst am 03. März 2023 um 19.00 Uhr in der evangelischen Kirche Gettenau

Taiwan- Vielfalt, Migration und Leistungsdruck

Taiwan ist ein multiethnisches Land. Die Mehrheit der Taiwaner*innens sind Nachfahren von Einwander*innen aus Festlandchina und aus verschiedenen Teilen Asiens. Außerdem gibt es 16 registrierte indigene Gruppen. Obwohl sich die einzelnen indigenen Völker in Sprache und Lebensweise deutlich unterscheiden und getrennt voneinander betrachtet werden müssen, gibt es einige grundsätzliche Ähnlichkeiten. Gemeinsam ist beispielsweise eine ausgeprägte mündliche Kultur. Geschichten, Weisheiten und kulturelle Wissenschaftsschatz wurden also nicht verschriftlicht, sondern mündlich weitergegeben. Die indigenen Völker lebten meist in „Stammesgesellschaften“ mit eigenen Regeln, ohne ein übergreifendes Staatswesen auszuprägen. Bedeutsam ist auch ihr besonderes Verhältnis zu Natur und Umwelt: „Das Land ist meine Mutter. Wie eine menschliche Mutter gibt es uns Schutz und Freude, es erfüllt unsere Bedürfnisse - ökonomisch, sozial und religiös.“

In Taiwan gilt Schulpflicht. Sie wurde inzwischen auf 12 Jahre festgesetzt. Die Alphabetisierungsrate hat infolgedessen bei den über 15-Jährigen 99% erreicht.

Ein hohes Bildungsniveau und die juristische Gleichstellung in Familien- und Arbeitsrecht ermöglichen vielen Frauen den Weg in die Berufstätigkeit. In den gesellschaftlichen Wertvorstellungen ist das daraus resultierende Doppelverdiener-Modell inzwischen etabliert, allerdings ohne die traditionelle Rollenverteilung grundsätzlich infrage zu stellen. Durch den Leistungsdruck, unter dem die Menschen von Kindheit anstehen, entscheiden sich junge Menschen häufig gegen Nachwuchs. Die Geburtenrate liegt daher bei nur 1,8 Kindern pro Frau. Das hat eine langsame Überalterung der Bevölkerung zur Folge. Die Versorgung der Kinder und Älteren stellt die Familien vor Probleme. Oft werden Pflegekräfte aus Vietnam, Indonesien und den Philippinen angestellt. Vor diesem Hintergrund wird die Vermittlung ausländischer Arbeitskräfte aus ärmeren Nachbarländern ein lukratives Geschäftsmodell. Zur Vermittlung und Einreiseformalitäten verlangen Agenturen von Migrantinnen bis zu 4500€. Einmal im Land werden monatliche Servicegebühren von bis zu 500€ fällig. Da die Arbeit in Privathaushalten nicht durch die Arbeitsgesetzgebung abgedeckt ist, arbeiten sie praktisch im rechtsfreien Raum und unter oft prekären Verhältnissen.

Einen hohen Stellenwert hat die medizinische Versorgung der taiwanesischen Gesellschaft. Eine, für alle verpflichtende, nationale Krankenversicherung nach Maßgaben der Wohlfahrtspolitik sorgt für eine deutliche Verringerung von Eigenkosten für diejenigen, die ärztliche Leistungen in Anspruch nehmen. Teilweise reicht die Entlastung sogar bis zur vollständigen Befreiung von privaten Zuzahlungen.

Kirche und Opposition gemeinsam gegen die Diktatur

Taiwan ist eine junge Demokratie. Der Weg aus der Diktatur wurde von mutigen Aktivist*innen Hand in Hand mit der presbyterianischen Kirche erkämpft.

Eine dieser Aktivistinnen ist Chen Chu, Präsidentin des Kontrollhofs und Vorsitzende der Menschenrechtskommission. In den frühen 1970er Jahren, während ihres Studiums, brachte sie ihre Sehnsucht nach Freiheit und Mitbestimmung zu der Widerstandsbewegung „Tang Wei“. In diesen Zeiten des „Weißen Terrors“ der gnadenlosen Militärdiktatur sollte jede Opposition brutal erstickt werden. Die größte Unterstützung bekamen die Untergrund-Aktivist*innen von der presbyterianischen Kirche, weil sie die gleichen Werte hatten: Freiheit, Gleichheit, Respekt, Liebe und Güte. Die presbyterianische Kirche nutzte ihre Kontakte ins Ausland und leitete Berichte politischer Gefangener an „Amnesty International“ und ausländische Medien weiter. 1978 veröffentlichte sie trotz Belästigung und Überwachung durch den Geheimdienst die „Erklärung der Menschenrechte“. „Ein guter Christ muss auch ein guter Bürger sein“, sagte der damalige Generalsekretär der PCT. So gab es viele Zeugnisse von Zivilcourage, die teils einen hohen Preis forderten. Auch Chen Chu kam ins Gefängnis. 1987 schließlich endete die Kriegsrechtsdiktatur und der Reformer Lee Teng-hui ebnete langsam den Weg für die Demokratisierung.

„Unsere Ideale von damals sind alle verwirklicht worden. Taiwan ist heute frei und demokratisch, mit vielfältigen Stimmen und Parteien“, so Chen Chu. Das, so ist sie überzeugt, sei alle Opfer wert gewesen.