Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
vermutlich ausgelöst durch die nun beginnende heiße Phase im Bürgermeisterwahlkampf tauchen vermehrt in den sozialen Medien und Leserbriefen Hinweise zur Haushalts- und Finanzsituation unserer Stadt auf, die von Unwissen, Falschinformationen und unwahren Behauptungen geprägt sind. Da ich mich, als gesetzlicher Stadtkämmerer, auch in meiner beruflichen Ehre und Erfahrung angesprochen fühle, möchte ich hiermit gerne einen Beitrag leisten, der wertfrei und neutral einer objektiven Aufklärung dienen soll.
Angefangen bei dem Schuldenstand, der öffentlich mehrfach mit > 27 Mio. € angegeben wurde. Der aktuelle Schuldenstand – öffentlich nachzulesen im Haushaltsplan für 2024 – betrug am 01.01.2024 ca. 21,6 Mio. €; alles andere sind Schätzzahlen für die Zukunft, die an künftige Investitionen (wie z.B. den Lummerland-Ersatzbau) gekoppelt sind.
Als Vergleichsjahr wird in den sozialen Medien gerne das Jahr 2008 bemüht (warum auch immer?), als unser Schuldenstand bei rund 8 Mi. € lag.
Es sei nicht nur daran erinnert, dass dies das Jahr der letzten großen weltweiten Finanzkrise war und wir damals die drei einstmals kirchlichen Kindergärten in unsere Trägerschaft übernommen haben, um in Florstadt eine zukunftsfähige und einheitliche Kinderbetreuung zu gewährleisten, sondern wir seinerzeit auch Knall auf Fall 2 Mio. € Gewerbesteuern zurückzahlen mussten, als Folge der damals gerade reformierten Unternehmenssteuergesetzgebung.
Unabhängig davon haben wir seit 2008 – nur im Bereich der alternativlosen gesetzlichen Pflichtaufgaben – die Kita Auenland neu errichtet, die Kitas Sonnenschein und An der Nachtweide erweitert, ein neues (gemeinsames) Feuerwehrgerätehaus für die neu gebildete Kernstadtwehr errichtet sowie ein neues Domizil für die Feuerwehr in Leidhecken geschaffen.
Darüber hinaus haben wir in den letzten 10 Jahren alleine 1,5 Mio. € in die Kanalisation investieren müssen, um den gesetzlichen Erfordernissen zu genügen und den Hochwasserschutz kontinuierlich zu verbessern.
Alles in allem waren dies alleine Investitionen – wie gesagt, nur für Pflichtaufgaben – in Höhe von rund 14 Mio. €, wovon alleine 7,5 Mio. € auf die Kita Auenland, 3 Mio. € für die Kernstadtwehr und 830.000,00 € auf die Kita Sonnenschein entfallen.
Addiert man diese ca. 14 Mio. € auf den Schuldenstand von 8 Mio. € im Jahr 2008, wären wir rechnerisch bereits bei 22 Mio. € aktuellen Schulden. Einerseits müssen hier natürlich die generierten Zuschüsse abgezogen werden, andererseits waren diese reinen Pflicht-Investitionen aber auch nicht die einzigen Investitionen, die seit 2008 getätigt wurden.
Alleine die Horloffbrücke in Leidhecken hat am Ende rd. 1 Mio. € gekostet; von der Bürgerhaussanierung in Nieder-Mockstadt und den vielen Dorferneuerungsmaßnahmen („IKEK“) in allen Stadtteilen ganz zu schweigen.
Im Endergebnis ist deshalb aktuell festzuhalten, dass unserem realen Schuldenstand am Anfang des Jahres 2024 in Höhe von 21,6 Mio. € ein städtisches Bilanzvermögen in Höhe von 61,4 Mio. € (ohne den Markwald Mockstadt) gegenübersteht, welches wir in den letzten Jahrzehnten gemeinsam geschaffen und damit eine vergleichsweise hervorragende Infrastruktur der kommunalen Daseinsvorsorge errichtet haben, wozu - was viele gar nicht wissen - z.B. auch das Pflegeheim, der Saal Lux und das Saalbau-Museum gehören.
Somit haben wir einen absolut durchschnittlichen Schuldenstand (im Vergleich zu gleichgroßen hess. Kommunen), aber eine überdurchschnittlich gute Infrastruktur ohne nennenswerte Probleme bei der Kinderbetreuung, dem Brand- und Katastrophenschutz, der Betreuung und Pflege von Seniorinnen, Senioren, Geflüchteten oder behinderten Mitbürgerinnen und Mitbürgern sowie beispielgebende Regelungen und Beschlüsse im Bereich der Vereinsförderung, dem Natur- und Klimaschutz (inkl. Photovoltaik-Förderung), der Hochwasserbekämpfung sowie unseres geschlossenen Radwegenetzes zwischen allen Stadtteilen.
Eine Kommune ist per gesetzlicher Definition kein „Sparverein“, sondern verpflichtet, den Menschen gerechte und gleichwertige Lebensbedingungen sowie ein adäquates Angebot an Infrastruktureinrichtungen (wozu auch eine ärztliche Versorgung und Einkaufsmöglichkeiten zählen) zu bieten. Diesem Auftrag sind wir bisher immer nachgekommen; überflüssig zu erwähnen, dass damit auch grundsätzlich alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten wurden, was an der Genehmigung unseres Haushaltsplanes für 2024 wieder deutlich wurde, die uns die Kommunalaufsicht des Wetteraukreises, wie seit vielen Jahren, als erste Kommune im Wetteraukreis bereits im Dezember 2023 erteilt hat. So schlecht können wir also nicht gewirtschaftet haben, wie man uns das derzeit wohl gerne glauben machen möchte.
Natürlich sind wir auch nicht auf Rosen gebettet und können nicht aus den Vollen schöpfen, wenn wir alleine jährlich mehr als 3,5 Mio. € Defizit nur im Bereich der Kinderbetreuung aus allgemeinen Steuermitteln ausgleichen müssen. Aber dieses Problem – was wir mit allen hessischen Kommunen teilen – kann nur gelöst werden, wenn sich Land und Bund angemessen an diesen Kosten beteiligen. Die Städte allein – zusammen mit den Eltern – können diese Lücke unter sozialen Gesichtspunkten nicht schließen ohne eine auskömmliche gesamtstaatliche Unterstützung.
Ein Letztes noch zu den vorsorglich für 2024 eingestellten Mitteln i.H.v. 20.000,00 € für ein neues Bürgermeisterzimmer (inkl. Vorzimmer): Wir hatten seit 24 Jahren keinen Bürgermeisterwechsel (im Vergleich zu fast allen anderen Kommunen – außer Altenstadt und Ortenberg – im Wetteraukreis). Ich selbst sitze in Möbeln vom Erstbezug des „neuen“ Rathauses Ende der 1970er Jahre unter Willi Holzmann. Bis auf ein paar Stühle wurde seitdem nichts erneuert. Ist es da „Protzerei“, meiner Nachfolge zumindest das Angebot zu machen, über 40 Jahre alte Möbel austauschen zu können?
Und es sind ja nur vorsorglich veranschlagte Mittel – ob sie überhaupt beansprucht werden, steht auf einem ganz anderen Blatt und dem/der neue/n Bürgermeister/in frei.
Ich selbst wohne seit meiner Geburt, mit kurzen Unterbrechungen, im alten „Dorf“ von Nieder-Florstadt. Niemand muss mich davon überzeugen oder gar antreiben, den maroden Nidda-Steg so schnell wie möglich zu ersetzen. Ich weiß seit meiner Kindheit, wie wichtig diese fußläufige Verbindung nach „Hinsbach“ ist, aber ein Projekt von fast einer Million können wir nicht ohne Zuschüsse von heute auf morgen mal so auf die Schnelle umsetzen. Und auch eine Reparatur war nicht möglich, da dieser Stahlbeton von Innen nach Außen verrottet und verrostet. Eine optische Sanierung verbessert nicht die Statik, wie man derzeit an tausenden von Betonbrücken und Stegen aus dieser Zeit bundesweit beobachten kann.
Die Vorplanungen sind abgeschlossen, die Zuschüsse beantragt, die erforderlichen Eigenmittel mit dem Haushaltsplan 2024 beschlossen und genehmigt. Deshalb haben wir am 8. Januar bei Hessen-Mobil nach dem Stand der Zuschussbewilligung nachgefragt, da wir ohne diesen Bescheid nicht beginnen dürfen, um diese dringend erforderlichen Zuschüsse nicht zu gefährden. Uns wurde mitgeteilt, dass uns ein Zuschuss in Aussicht gestellt wird; schriftlich liegt allerdings noch nichts vor. Mitte Februar soll erneut nachgehakt werden. Wir gehen dann von einer baldigen Bewilligung der Maßnahme aus, so dass unverzüglich ausgeschrieben werden kann. Ich persönlich werde darauf dringen, dass wir noch im Frühjahr mit dem Abbruch und Neubau beginnen werden. Aber auch Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.