Gerhard Leister berichtet den Gästen über den Bau der Fátima-Kapelle auf dem Unterrothof
(v.l.n.r.) Bei der Einweihung der Muttergottesfigur: Pastor Dr. Jürgen Kämpf, Clemens Leister, Gerhard Leister, Egbert Kiesler, Josef Schwert, Rosa Schwert und Bürgermeisterin Bernadett Hosenfeld-Wald
Taube auf dem Dach der Fátimakapelle auf dem Unterrothof
Unterrothof. Schon seit 1882 steht eine Muttergottesfigur im Garten der Familie Schwert auf dem Unterrothof. Diese wurde in den letzten Jahren umfangreich von Clemens Leister aus Kranlucken restauriert und von seinem Bruder Gerhard Leister aus Bermbach mit einer kleinen Kapelle überdacht und optisch ansprechend eingerahmt. Pastor Dr. Jürgen Kämpf nahm Mitte August mit zahlreichen Gläubigen aus dem Geisaer Land die Einweihung vor.
"Errichtet zu Ehren der Himmelskönigin und ihres göttlichen Sohnes von den Eheleuten Karl Schwert und Leopoldine, geb. Mihm aus Haselstein" so kann man auf dem Sockel der im neuen Glanz erstrahlenden Muttergottes lesen. Über Jahrzehnte wurde die Figur von Rosa Schwert und ihrem Mann Josef, einem Nachkommen der Erbauer, gepflegt. „Zu DDR-Zeiten hatten wir kaum Möglichkeiten, sie zu schützen. Wenn sie grün wurde, haben wir sie sauber gemacht – mehr konnten wir nicht tun“, berichtete Rosa Schwert. Seitdem hegte sie immer wieder den Wunsch die Figur zu überdachen, um sie vor der Witterung zu schützen. Aber wie das Ganze aussehen sollte, dazu konnte sie sich lange nicht entscheiden. Eines Tages plante sie mit ihrer Tochter Christin ihre andere Tochter Anja im Kloster zu besuchen. Damit sie einen gemeinsamen Termin fanden, legte Christin ihr einen Kalender hin. "Es war Januar", erinnert sich Rosa Schwert noch ganz genau. "Ich schlug allerdings spontan die Juliseite des Kalenders auf und da wusste ich, wie die Überdachung für unsere Muttergottes aussehen sollte." Ein Bild der Kapelle von Fátima im Kalender war es, welches sie inspirierte. "Christin, genau das habe ich gesucht!", rief sie voller Begeisterung. Das war vor etwa zehn Jahren. Die Frage kam auf, wer könnte solch eine Kapelle bauen. Rosa Schwert wandte sich an verschiedene Architekten, kam dort aber nicht weiter. "Also fing ich an zu beten", berichtete sie. „Gott hilft immer weiter!“ Als sie eines Tages an einem Freitagabend im Frühjahr 2016 in Gedanken in der Kranluckener Kirche versunken war und Gott wieder um Unterstützung bat, stand diese promt nach dem Gottesdienst auf dem Kirchplatz. Es war Gerhard Leister, Maurer und Unternehmer aus Bermbach, den Rosa Schwert spontan mit den Worten ansprach: „Dich hat der liebe Gott geschickt!". Sie holte rasch den Kalender mit dem Bild der Fátima-Kapelle aus ihrem Auto, das sie seit Monaten mit sich trug und erklärte ihm ihr Vorhaben. "Mein erster Gedanke war nur, wie soll das denn funktionieren", berichtete Gerhard Leister bei der Einweihung auf dem Unterrothof. Solch ein Vorhaben hatte er doch noch nie umgesetzt. Er nahm das Bild aus dem Kalender und machte sich Gedanken darüber, wie man so etwas bewerkstelligen konnte. Im Oktober desselben Jahres wurde dann mit dem Bau der Kapelle begonnen. Die Firma Egbert Kiesler aus Motzlar führte die Bagger- und Erdarbeiten aus. Gerhard Leister betonierte im Anschluss die Fundamente und die Betonsohle und startete umgehend mit den Maurerarbeiten. Die Eckpfeiler, Rundbögen und die vier Giebelseiten wurden aus Ziegelsteinmauerwerk hergestellt. Die Decke besteht aus einem Kreuzgewölbe. "Die Herstellung der Schalung war eine echte Herausforderung", berichtete Gerhard Leister. Besonders auffallend sind die vier Tauben auf dem Dach der Kapelle, die sich auch in Fátima wiederfinden. Sie blicken in die vier Himmelsrichtungen und stehen sinnbildlich für den Frieden sowie für den Heiligen Geist und die weltweite Botschaft der Erscheinungen in dem bekannten Wahlfahrtsort. Im Herbst 2017 konnte Gerhard Leister die restlichen Rohbauarbeiten beenden. Das Dach und die Kupferabdeckung wurden angebracht und anschließen die Putz- und Malerarbeiten ausgeführt. Im Winter 2022/2023 begann sein Bruder Clemens Leister die Figur der Muttergottes umfangreich in vielen Stunden zu restaurieren. Dabei bekam sie auch einen farblichen Anstrich. Im Frühjahr 2023 fand die Statue dann ihren Platz in der neuen Kapelle. Im Anschluss wurde noch die Außenanlage erneuert. "Dieser besondere Ort hier ist ein Ort des Gebetes, der Hoffnung und der Stille“, betonte Pastor Dr. Jürgen Kämpf in seiner Ansprache während der Einweihung. Die Marienerscheinungen in Fátima fanden 1917 während des 1. Weltkrieges statt. "Auch heute leben wir wieder in unsicheren Zeiten“, so Pastor Kämpf. „Maria von Fátima lehrt: kein Friede ohne Umkehr, kein Friede ohne Gott." Frieden werde nicht nur verhandelt, er muss vor allen Dingen erbeten werden, ist sich der Priester sicher. Im Anschluss wurde zum gemeinsamen Austausch und Essen eingeladen. „Mit der Einweihung der Kapelle ist für mich mit Gottes Hilfe ein Herzenswunsch in Erfüllung gegangen“, sagte Rosa Schwert voller Rührung und Dankbarkeit.
Die Sonne nimmt sich noch immer viel vom Himmel, jetzt in den letzten Tagen des Hochsommers. Erst spät neigt sie sich dem Westen zu, wo hinter Geisa die Kuppen des Kegelspiels liegen. Im sinkenden Licht überdehnen sich die Schatten und greifen nach der Nacht.
Am Unterrothof kehrt Ruhe ein. Es ist still und müde vom Tag zieht sich das Leben in die Häuser. Nur weiß flimmerndes Licht fängt sich in den Gardinen und verrät, dass noch jemand wach ist. Es ist nur wenig ungemessene Zeit zwischen Tag und Nacht, von der niemand weis, in der alles möglich scheint. Und es ist diese Zeit, in der wir uns finden.
Wir – das sind die vier Tauben, meine Schwestern und ich – auf dem Dach der kleinen Kapelle im Garten. Meisterlich gebaut wurde sie vor einigen Jahren mit sicherer Hand und gläubigem Herzen. Schön und still, doch voller Kraft. Jede von uns sitzt tagsüber auf ihrem Platz, einer anderen Himmelsrichtung zugewandt.
Nun im letzten Dämmern des schwindenden Lichts, bei werdender Nacht, fliegen wir zusammen, setzen uns nebeneinander auf den First. Dann erzählt jede von uns, was sie gesehen hat.
Meine Schwester, die nach Norden blickt, spricht zuerst.
„Ich sehe Unruhe“, sagt sie leise. „Unruhe in den Herzen der Menschen. Die Angst geht um – um den Wohlstand, den Frieden und um das, dessen man sich einmal sicher glaubte. Es bröckelt das Vertrauen und Misstrauen regiert.“
„Und im Süden?“ fragt eine andere.
„Ich sah Elend und Not“, antwortet meine Schwester traurig. „Dürre und Hunger, Kinder mit leeren Augen. Menschen, die alles verlassen mussten auf der Flucht – und niemand will sie.“
„Und du meine Schwester, was weist du aus dem Osten, dort wo die Sonne uns jeden Tag neu hoffen lässt?“ frage ich.
„Ich sah Krieg, erbarmungslos zerstörend, die Städte in Trümmern, Leben ausgelöscht, Gerechtigkeit verdreht. Die Wahrheit wurde mit blutroten Händen zu Boden gerungen.“
Wir sitzen still. Unsere Herzen pochen. Dann blicken sie mich an.
„Und du? Du schaust nach Westen.“
Ich senke den Kopf.
„Ich sah Menschen, wohlgenährt, sicher in ihren Häusern, von Besitz umgeben. Sie sprachen von Freiheit und Menschlichkeit, doch ihre Hände sind bequem geworden. Ihre Herzen müde. Ihr Denken kreist um sich selbst. Mit selbst verliehenem Zepter in der Hand glauben sie die Welt lenken zu dürfen, als sei es ihr Recht und ein Geschenk eigener Überlegenheit. Aber sie irren - der Friede zerfällt aus ihrem Inneren.“
Wir rücken eng zusammen. Keine von uns spricht nun. Bis ich mit einem Seufzten sage:
Die Menschen nennen uns Symbol des Friedens, auch des göttlichen Geistes und es gibt doch so viel Hoffnung.
Unter uns steht die Kapelle. Und in ihrer Mitte die Madonna, die Himmelsmutter Maria, die wahre Königin des Friedens.
Noch vor einiger Zeit war sie dem Haus und Hof auf dem Unterrothof zugewandt. Ihr Blick galt dem Kleinen, dem Alltag, den Menschen vor Ort. Doch nun geht ihr Blick hinaus in die Welt, nach Westen in Richtung Fátima. Dort erschien Maria zum ersten Mal am 13. Mai 1917, während das Morden des I. Weltkrieges seinen grausamen Höhepunkt erreichte. Drei Hirtenkinder mit reinen glaubenden Herzen konnten sie sehen und ihre Botschaft des Friedens verstehen. Sie mahnte zur Umkehr nach dem Willen Gottes. Niemand wollte es hören, zu unbequem, ja gefährlich ist diese Wahrheit. Doch die Himmelsmutter kam wieder mit der Macht der Liebe brannte sich die Vision ihrer Botschaft in die Herzen glaubender Menschen. 50 Jahre später in einer großen Prozession wurde eine Statue Mariens von Bombarral nach Lissabon getragen. Ein paar Tauben setzten sich in die Blumen zu ihren Füssen, ließen sich nicht vertreiben und begleiteten die Madonna fünf Tage lang, 140 Kilometer weit bis in die Hauptstadt. Auch dort blieben sie an ihrer Seite.
So haben wir Tauben unseren Platz gefunden, nahe bei der Königin des Friedens. Vielleicht werden die Menschen wieder hören, mit dem Herzen sehen und verstehen. Dann kehrt der Friede zurück, nicht mit Waffen und Stolz, sondern durch Umkehr und Wahrheit durch Maria.
So glauben wir und der Himmel weitet sich, die Schatten werden kürzer und die Welt ein Stück heller.