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Geisaer Zeitung
Ausgabe 20/2024
Gestaltung Seite 11
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Vom Liberalismus des Kalten Krieges zum Postliberalismus

Die internationale Forschungsgruppe vor dem Schloss Geisa

Geisa/Erfurt. Führende Forschende aus Europa und den USA trafen sich Mitte September im Schloss Geisa, um die Entwicklung des Liberalismus seit dem Kalten Krieg und die aktuellen Herausforderungen, denen er heute gegenübersteht, zu diskutieren. Zu der Tagung unter dem Titel „From Cold War Liberalism to Postliberalism“ hatte das Forschungsinstitut Point Alpha Research Institute (PARI) eingeladen. Geisas Bürgermeisterin Manuela Henkel sowie die beiden Organisatoren PD Dr. Veith Selk (Wirtschaftsuniversität Wien) sowie Julian Hofmann (Technischen Universität Darmstadt) begrüßten die etwa 25 Teilnehmenden im Blauen Salon des barocken Jagdschlosses in Geisa. Die Konferenz bot Gelegenheit, tief in die Diskussion über die Rolle des Liberalismus, die Bedeutung von Grenzen und die Herausforderungen der Demokratie einzutauchen. Die Forschenden beleuchteten interdisziplinär an zwei Tagen zentrale Fragen des Liberalismus im 20. Jahrhundert und diskutierten über seine Zukunft in einer zunehmend postliberalen Welt. Dabei nutzten die Wissenschaftler auch die Zeit, um am historischen Ort der Mahn- und Gedenkstätte Point Alpha, der ideologische Trennlinie zwischen Ost und West während des Kalten Krieges, die thematische Brücke zur Konferenz zu schlagen. „Uns ist es wichtig, hier am historischen Ort in Geisa, der einst westlichsten Stadt des Warschauer Paktes mit Point Alpha in einen wissenschaftlichen Dialog zu kommen und uns über historische und aktuelle globale Fragestellungen auszutauschen“, betonte PARI-Geschäftsführerin Vivian Seidel.

Am Freitagnachmittag referierten namenhaften Wissenschaftler, Patrick Deneen (University of Notre Dame), Adrian Pabst (University of Kent) und Samuel Moyn (Yale University). In seinem Vortrag kritisierte Deneen Liberale und die politische Linke dafür, soziale Gerechtigkeit zugunsten identitätspolitischer Ziele vernachlässigt und dadurch die gesellschaftliche Spaltung in den USA verstärkt zu haben. Adrian Pabst lieferte in einem kraftvollen Vortrag eine katholisch geprägte Kritik des Liberalismus, dem er vorwarf, seit dem Ende des Kalten Krieges weltweit gescheitert zu sein, und plädierte für eine kommunitaristische Korrektur, bei der Freiheitsrechte durch soziale Pflichten und Gemeinwohl ergänzt werden sollten. Samuel Moyn bot eine ausgewogene Analyse, indem er zwischen Liberalen und Postliberalen vermittelte, die gegenwärtige Krise des Liberalismus mit geopolitischen und ökonomischen Argumenten erklärte und zur selbstkritischen Neuausrichtung auf das Ideal der individuellen Selbstverwirklichung aufrief, bevor der Abend in gelöster Stimmung bei einer Cold War Playlist ausklang.

Das Point Alpha Research Institute (PARI) wurde 2021 in Geisa gegründet und ist mittlerweile An-Institut der Universität Fulda und der Hochschule Fulda. Forschungsschwerpunkte sind die aktuellen Herausforderungen der Demokratie, die Rolle von Grenzen und Grenzerfahrungen sowie die Bedeutung des Kalten Krieges in Vergangenheit und Gegenwart.

Weitere Informationen zum Programm, Videos von Vorträgen und zur Konferenz finden Sie unter https://www.pari-geisa.org/wp-content/uploads/2024/09/From-Cold-War-Liberalism-to-Postliberalism_Program.pdf.