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Geisaer Zeitung
Ausgabe 20/2025
Gestaltung Seite 2
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Dankbarkeit – Ein stilles Geschenk in bewegten Zeiten

Bürgermeisterin Manuela Henkel

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

Anfang Oktober feierten wir das Erntedankfest und gleichzeitig den 35. Jahrestag der Deutschen Einheit. Zwei Anlässe, die mich zum Nachdenken angeregt haben – über das, was war, was ist und was uns trägt.

Viele von uns erinnern sich noch sehr genau an die Jahre der DDR-Diktatur. An ein Leben, das geprägt war von Angst, Zwangsevakuierungen und Einschränkung jeglicher persönlicher Freiheit. Ein selbstbestimmtes Leben – damals kaum vorstellbar. Reisen? Ein unerreichbarer Traum. Die eigene Meinung sagen? Ein Risiko. Der Gedanke, dass all das eines Tages hinter uns liegen könnte – nahezu unvorstellbar.

Wenn wir uns damals im Oktober 1990 in den Oktober 2025 hätten "beamen" können – wir hätten wohl ungläubig gestaunt und die Augen gerieben. Unsere Orte sind kaum wiederzuerkennen: eine gut ausgebaute Infrastruktur, unsere Kinder gehen in moderne Schulen und Kindergärten. Die Regale in unseren Geschäften sind gefüllt. Wir können reisen, sagen, was wir denken, unser Leben gestalten, wie wir es möchten. Wir leben in Freiheit – und in einem Maß an Wohlstand, der früher undenkbar war. Wir würden aus der Sicht von vor 35 Jahre auch feststellen: trotz des materiellen Reichtums ist die Gesellschaft nicht zufriedener geworden. Ganz im Gegenteil, es scheint so, dass die Menschen angespannter, hektischer und teilweise unzufriedener wie vor 35 Jahren sind. Ich frage mich oft: Warum ist das so? Vielleicht liegt die Antwort nicht im Außen. Denn objektiv betrachtet ist im Außen vieles besser geworden. Vielleicht nehmen wir das, was mittlerweile so selbstverständlich ist, nicht mehr wahr und können es nicht mehr schätzen. Erntedank und auch der 35. Jahrestag der Deutschen Wiedervereinigung sind Tage an denen wir innehalten und einfach mal DANKE sagen dürfen. DANKE für die kleinen Dinge im Leben. Für ein gutes Gespräch. Für einen Apfelbaum voller Früchte. Für die Möglichkeit, einfach so nach Fulda zum Einkaufen zu fahren – ohne Kontrollen, ohne Genehmigung. Dankbarkeit für das tägliche Brot, den Mitmenschen und für all das, was unser Leben lebenswert macht.

35 Jahre nach der Wiedervereinigung merken wir mehr denn je: Der Konsum, das Materielle, das Außen – sie haben uns nicht glücklicher gemacht. Es sind die inneren Werte – wie Dankbarkeit, Zufriedenheit und ein wertschätzender Blick auf das Leben, die wieder mehr in den Fokus rücken sollten. Ich wünsche uns allen, dass wir diese Dankbarkeit wieder neu entdecken – gerade in einer Zeit, in der vieles laut, schnell und fordernd geworden ist. Lasst uns dankbar sein für das, was wir haben. Es ist mehr, als wir manchmal denken.

Eure Bürgermeisterin

Manuela Henkel