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Geisaer Zeitung
Ausgabe 6/2025
Gestaltung Seite 2
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Vorwort Bürgermeisterin Manuela Henkel

Bürgermeisterin Manuela Henkel

Natur- und Umweltschutz geht nur MIT den Menschen

Letzte Woche war der neue Umweltminister Thilo Kummer zu Gast im Rathaus in Geisa. Bei dem gemeinsamen Gespräch mit Kommunen und Vertretern der Land- und Forstwirtschaft ging es um die neue Verordnung des thüringischen Teils des Biosphärenreservates Rhön. Diese wurde am 1. Oktober 2024, also vier Wochen nach der Landtagswahl am 1. September vom noch amtierenden Umweltminister Bernhard Stengele (Grüne) unterzeichnet. Bei 1.400 Widersprüchen von Grundstückseigentümern, Landwirten, Bauernverband und einer Petition von 22 Kommunen und 2 Landkreisen sorgte dieses Vorgehen für großes Unverständnis. Die Kommunen und viele Eigentümer hatten nämlich gefordert, dass keine weiteren kommunalen oder privaten Grundstücke in die Pflegezone überführt werden sollen. Dies wurde jetzt trotzdem umgesetzt.

Dabei ist das Biosphärenreservat Rhön eigentlich eine tolle Sache! Ziel ist eine nachhaltige Entwicklung, welche ökonomische, ökologische und soziale Belange bestmöglich miteinander vereint. Aber es rumort gewaltig in der Rhön. Warum? Weil wir in den letzten 35 Jahren zu viel über Flächenerweiterungen, Verordnungen, Verbote und Einschränkungen diskutiert haben. Es wurden zwar tolle ökologische Projekte umgesetzt, in die Entwicklung einer nachhaltigen Ökonomie wurde kaum investiert. Die Region lebt aber vom Mittelstand, von Handwerksbetrieben und den Unternehmen, die in den Gewerbegebieten angesiedelt sind. Und schließlich hat man auf kommunaler Ebene mittlerweile den Eindruck, dass Vorgaben der UNECSO - einer Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur mit Sitz in Paris - einen höheren Stellenwert haben, als die Eigentumsrechte der Menschen und Familien, die meist schon seit Jahrhunderten in der Region leben.

Gehen wir 35 Jahre zurück, dann wird es noch deutlicher. Am 12. September 1990, also kurz vor der Deutschen Wiedervereinigung, wurde der thüringische Teil des Biosphärenreservates Rhön ausgewiesen. Damals wurden private und kommunale Flächen ohne finanziellen Ausgleich in die Kern- und Pflegezone überführt. Wohlgemerkt ist in der Kernzone jegliche Bewirtschaftung verboten. Am 6. März 1991 wurde die Rhön länderübergreifend von der UNESCO als Biosphärenreservat anerkannt. Das UNESCO Programm fordert, dass Biosphärenreservate mindestens 30.000 Hektar und nicht größer als 150.000 Hektar sein sollen. Länderübergreifende Reservate können diese Vorgabe allerdings überschreiten. Aktuell sind 243.323 Hektar in Thüringen, Hessen und Bayern zum Biosphärenreservat Rhön erklärt – wir liegen also deutlich über den geforderten Zahlen der UNESCO. Diese fordert weiterhin, dass mindestens 3 % der Fläche als Kernzone, also Totalreservat ausgewiesen werden soll. Insgesamt sollen diese Kern- und die sogenannte Pflegezone, in der es Einschränkungen bei der Bewirtschaftung gibt, mindestens 20 % der Gesamtfläche umfassen. Bereits vor der Verordnung waren diese Zahlen mit dem hessischen, bayrischen und thüringischen Anteil länderübergreifend deutlich übererfüllt. Bei der Evaluierung im letzten Jahr wurde uns Bürgermeistern immer wieder vermittelt, dass die UNESCO jedoch für jedes Bundesland einzeln die Mindestzahlen fordere. Das MAB-Nationalkomitee, als Vertretung der UNESCO in Bonn, betonte uns als Stadt gegenüber, dass man länderübergreifend betrachtet. Später hieß es von Seiten des Ministeriums, dass es eine Vereinbarung zwischen den drei Bundesländern gibt, mit der sich jedes verpflichtet, den Mindestanteil an Kern- und Pflegezone einzeln zu gewährleisten. Dieses Abkommen ist mir persönlich nie schriftlich vorgelegt worden. Das Argument war immer: wenn wir die Kern- und Pflegezone nun nicht erweitern, verlieren wir den UNESCO Status. Dabei wäre erst einmal grundsätzlich die Frage zu klären, was wir damit eigentlich verlieren. Geld gibt uns die UNESCO für den Titel „UNESCO-Biosphärenreservat“ nicht. Seit 2020 gibt es das Regional-Budget des Thüringer Umweltministeriums, mit dem wir kleinere touristische Projekte umsetzen konnten. Darüber waren und sind wir sehr dankbar. Die Einnahmen aus dem Tourismus spielen bei der Gewerbesteuer eine nur sehr kleine Rolle, genauso sieht es mit der Anzahl der Arbeitsplätze aus. Vom Tourismus kann die Region nicht leben. Im Übrigen arbeiten wir auch sehr gut mit den Mitarbeitern der Verwaltungsstelle in Zella zusammen. Das ist auch nicht das Thema.

Die Vorgehensweise ist es, die stört. Kurz vor Schluss, trotz Widersprüche, über die Köpfe der lokalen Akteure, unterschreibt man als Minister keine Verordnung. Vor allen dann nicht, wenn man mir als Bürgermeisterin noch einige Monate zuvor zugesichert hat: „Nur mit den Bürgern, nicht gegen sie!“

Ich bin überzeugt, dass man mit den Vertretern der UNESCO hätte reden und Kompromisslösungen finden können, wenn diese überhaupt notwendig waren. Ob man dies von Seiten des Ministeriums versucht hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich hatte jedenfalls nicht den Eindruck. Auch eine Fortführung als Biosphärenreservat ohne UNESCO Titel wäre denkbar gewesen so wie beim Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz.

Kommen wir mit einer Verordnung über die Köpfe der Menschen in der Region wirklich weiter? Können wir Umwelt- und Naturschutz weiterhin im Top-Down-Verfahren - also von oben herab - anweisen und verordnen. Es ist mit dieser Vorgehensweise bereits beim Start des Biosphärenreservates Rhön vor 35 Jahren einiges kaputt gemacht worden. Ich hätte mir gewünscht, dass man heute nicht wieder dieselben Fehler macht. Den wozu führt das? Es führt zu einem Vertrauensverlust bei den Menschen vor Ort, über deren Eigentum man von oben herab Entscheidungen trifft, so wie wir das bereits in den 60iger Jahren erlebt haben.

Die Menschen im Geisaer Land leben seit vielen Jahrhunderten im Einklang mit der Natur. Bis heute gibt es Gemüsegärten, Kleinviehhaltung und viele heizen mit Holz aus den regionalen Wäldern. Ich im übrigen auch. Die Stadt Geisa betreibt ein kommunales Hackschnitzel-Nahwärmenetz, hat bereits vor Jahren die Straßenbeleuchtung auf LED umgestellt, PV-Anlagen installiert und erarbeitet gerade ein Zukunftskonzept „energieLAND:Geisa“. Die Region ist katholisch geprägt und der Erhalt der Schöpfung ist für uns Christen ein wichtiges Anliegen. Damit sind wir quasi „REGIONALE EXPERTEN“ in Sachen Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Warum orientieren wir uns also mehr an Vorgaben der UNESCO als an den Experten vor Ort? Warum erlässt ein Ministerium in Erfurt eine Verordnung über die Köpfe der Menschen hinweg, anstatt dass wir einen gemeinsamen Natur- und Umweltschutz aus der Region heraus MIT den Menschen entwickeln? Ein afrikanisches Sprichwort bringt es dabei für mich auf den Punkt: „Wer schnell gehen will, geht alleine. Wer weit gehen will, geht gemeinsam!“

Ihre Bürgermeisterin

Manuela Henkel