Das Geburtshaus von Weidig mitten im Ortskern von Oberkleen wurde 1707 erbaut
Der Themenweg, hier ein Beispiel der möglichen Streckenführung, verbindet die Lebensorte Weidigs
Langgöns / Butzbach (ikr). Der Themenweg „Demokratiepionier Friedrich Ludwig Weidig – vom Geburtshaus bis zur Wirkungsstätte“, ein gemeinsames Projekt der Stadt Butzbach und der Gemeinde Langgöns, kann starten. In einer gemeinsamen Sitzung im Bürgerhaus Butzbach mit dem Sportausschuss der Stadt Butzbach empfahl der Langgönser Sozialausschuss unter Leitung von Armin Elmshäuser (SPD) ein zuvor vorgestelltes Konzept einstimmig der Gemeindevertretung. Die Stadt Butzbach hatte bereits zuvor das interkommunale Projekt befürwortet.
„Wir freuen uns sehr, die außergewöhnliche Persönlichkeit Friedrich Ludwig Weidig und das heute so wichtige Thema „Demokratie“ mit diesem besonderen Themenweg umsetzen zu können, und dieses auch noch als interkommunales Projekt mit unserer Nachbarstadt Butzbach“ hatte der Langgönser Bürgermeister Marius Reusch (CDU) zu Beginn gesagt.
Sein Butzbacher Pendant, Michael Merle (SPD) stimmte dem zu: „Das ist ganz in unserem Sinne.“ Der Themenweg soll den „Demokratiepionier“ Friedrich Ludwig Weidig von seinem Geburtshaus in Oberkleen, über Cleeberg, den Wohnort seiner Kinderjahre, bis hin zu seiner Lebens- und Wirkungsstätte Butzbach würdigen.
Dr. Andrea Soboth präsentierte das Vorhaben, dass die Ausarbeitung und Ausweisung des Themenwegs, Audioguide, ergänzendes Material zur Demokratiegeschichte für Gäste und Schulen sowie die Organisation des Besucher-Transports und der geführten Touren umfasst. Beteiligte Akteure sind neben den beiden Kommunen der Freundeskreis für Brauchtum und Geschichte Cleeberg, der Heimat- und Geschichtsverein Oberkleen, das Stadthistorische Museum und Stadtarchiv Butzbach, die TourismusRegion Wetterau, der Lahntal Tourismus Verband und die Leader Regionen GießenerLand und Wetterau-Oberhessen. Die Federführung obliegt der Stadt Butzbach, die Projektkosten belaufen sich auf insgesamt 60.000 Euro brutto. Eine erste Auswahl der Stationen umfasst das Geburtshaus Weidigs in Oberkleen, seinen Wohnort Cleeberg, das Forsthaus zwischen Cleeberg und Butzbach, den Schrenzer oberhalb von Butzbach als ersten Turnplatz Hessens, die Butzbacher Altstadt unter anderem mit dem Weidig-Haus, der Alten Lateinschule und dem Frankfurter Hof sowie das Stadthistorische Museum Butzbach mit der Weidig-Dauerausstellung.
Die genaue Route entlang der beschriebenen Standorte muss jetzt ausgearbeitet, der geplante Themenweg begangen und geprüft werden, ob auch ein Radweg möglich ist. In der Sitzung diskutiert wurde auch ein möglicher Rundweg. Die dauerhafte Pflege des Weges wollen sich die beiden beteiligten Kommunen teilen. Geplant ist die Zertifizierung des Weges als Kulturweg (nach dem Deutschen Wanderinstitut) mit Beschilderung. Eine Projektgruppe soll gegründet werden. Sie soll die Erarbeitung des konkreten Streckenverlaufs vornehmen. Eine Ausschreibung zur Umsetzung des Vorhabens soll vorbereitet werden. Der Start des Projekts ist für die zweite Jahreshälfte dieses Jahres geplant.
Für Martin Hanika (CDU), den Vorsitzenden der Langgönser Gemeindevertretung und wie Weidig gebürtiger Oberkleener, ist der Themenweg eine Herzensangelegenheit, denn er fühlt sich Weidig von Kindesbeinen an eng verbunden: „Das ist eine wirklich gute Geschichte, das Bewusstsein in der Bevölkerung für Weidig zu schärfen“, betonte er. Der Einsatz Weidigs für die Demokratie sei „richtig und außergewöhnlich“ gewesen. Er sei nicht nur am Revolutionsprozess beteiligt, sondern auch ein herausragender Pädagoge gewesen. Hanika kündigte an, dass sich auch die Steuerungsgruppe „Cleeheim 774“, welche die Feierlichkeiten zum diesjährigen 1250. Jahrestag der Ersterwähnung von Oberkleen und Niederkleen organisiert, mit dem Themenweg beschäftigen werde.
Armin Elmshäuser lobte den gemeinsamen Sitzungsverlauf als „sehr gut und harmonisch“. Er verlas die Beschlussempfehlung, die von den Ausschussmitgliedern einstimmig befürwortet wurde.
Wer war eigentlich dieser Friedrich Ludwig Weidig, der hierzulande eine bekannte historische Persönlichkeit ist? Er war Lehrer, evangelischer Pfarrer, Turner, Publizist und Freiheitskämpfer. Im Gebiet des heutigen Hessen und des angrenzenden Mittelrheins gilt Weidig als einer der maßgeblichen Protagonisten des Vormärz und Wegbereiter der Revolution von 1848.
1791 geboren in Oberkleen, lebte er als Kind von 1792 bis 1803 elf Jahre in Cleeberg, wo sich die Wohnorte der beiden Großeltern befanden: Weidigs Großvater väterlicherseits, Johann Ludwig Jacob Weidig, war Forstmeister in Cleeberg, der Großvater mütterlicherseits hieß Franz Erhard Liebknecht und war Justizamtmann. Weidigs Eltern waren „Nachbarskinder" in Cleeberg. In Oberkleen war Weidigs Vater als „Reitender Förster" tätig. Aus diesem Grund wird das Geburtshaus von Weidig dort auch „das Förstersche" genannt.
1803 zieht Weidig nach Butzbach, wo er zur Schule geht, später studiert er in Gießen Theologie, wird 1812 Konrektor an der Butzbacher Knabenschule und politisch aktiv. Seit 1818 wurde Weidig von den Behörden wegen politischer Betätigung im Schulunterricht, in den Predigten und privat überwacht. Weidig gehörte zu den Liberaldemokraten, die ein vereinigtes Deutschland als demokratischer Nationalstaat anstrebten. Den später so berühmt gewordenen "Hessischen Landboten" verfasste Weidig 1834 gemeinsam mit Georg Büchner als eine Schrift, die sich gegen die sozialen Missstände der Zeit richtete. Bereits 1827 hatte Weidig Amalie Hofmann geheiratet, die ihren Mann in jeder Hinsicht unterstützte. 1828 wird ihr Sohn Wilhelm, 1835 die Tochter Friedegard geboren, die der Vater nur ein einziges Mal sehen wird, weil er wegen seiner politischen Überzeugungen inhaftiert ist. 1834 wird Weidig als Rektor abgesetzt und auf die Pfarrstelle in Obergleen bei Alsfeld versetzt. Dort wird er 1835 festgenommen und zunächst in Friedberg inhaftiert. Im Juni 1835 werden alle politischen Gefangenen ins neue Arresthaus nach Darmstadt verbracht, wo Weidig ein "unmenschliches Martyrium", so wird es auf einer Hinweistafel in Cleeberg beschrieben, durchleiden muss.
Nachdem sich Weidig am 23. Februar 1837 unter bis heute nicht endgültig geklärten Umständen dort das Leben nimmt, stirbt Amalie nur zwei Jahre später. Sie hat den Tod ihres geliebten Ehemannes nicht verkraftet. Die beiden Kinder, sie sind zu diesem Zeitpunkt elf und vier Jahre alt, nimmt Amalies Bruder auf, sie bleiben ledig, so dass es keine direkten Nachfahren des Paares gibt. Die Butzbacherin Natalie Reh, eine Nichte Weidigs, heiratet 1868 den Sozialisten Wilhelm Liebknecht, einen gebürtigen Gießener und späteren Mitbegründer der SPD. Weidig war übrigens dessen Großonkel mütterlicherseits gewesen.