Cleeberg, heute ein Ortsteil der Gemeinde Langgöns, kann auf eine lange und reiche Historie zurückblicken. Am 24. November 1196 erstmals urkundlich erwähnt, bietet Cleeberg mit seiner Burg, seinen pittoresken Häusern und seinen wechselnden Herrschaftsverhältnissen ein interessantes Forschungsfeld.
Grund genug für die Langgönser Gemeindearchivarin und Historikerin, Marei Söhngen-Haffer, sich mit diesem Ortsteil näher zu beschäftigen. Sie hat die im Gemeindearchiv vorhandenen 18 laufenden Meter Schriftgut in einem sogenannten Findbuch verzeichnet und so für eine breite Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
In dem rund 200 Seiten umfassenden Findhilfsmittel, das im Gemeindearchiv zur Verfügung steht und auch online über die Archivdatenbank Arcinsys abrufbar ist, beschäftigt sich Söhngen-Haffer auf gut 80 Seiten eingehend mit der Geschichte Cleebergs und des im Gemeindearchiv verwahrten Bestandes. Das Findbuch ermöglicht zudem jedem Interessierten den Einstieg in die eigene Erforschung der Cleeberger Vergangenheit, die in über 140 Archivkartons mit fast 700 Archivalieneinheiten zu fassen ist. Interessantes, Bewegendes und Kurioses aus der Cleeberger Historie ist dort zu lesen.
So bietet unter anderem die Cleeberger Schulchronik, die seit dem Jahr 1819 geführt wurde, interessante Einblicke in die Schulgeschichte des Ortes. Die Cleeberger Schule, die zuvor in einem Zimmer des alten Pfarrhauses untergebracht war, befand sich im Jahr 1819 bereits einige Jahre in den Räumen des Rathauses und wurde 1847 ins Cleeberger Schloss verlegt.
Ein gutes Jahrzehnt später, 1860, offenbarte sich jedoch bereits die Baufälligkeit der Schule bzw. der Lehrerwohnung im Schloss bei Reparaturarbeiten, wie der damalige Schullehrer
Maurer berichtete:
„Die Wohnstube wurde gedielt, der Ölanstrich darin und an der Hausthüre erneuert […]; die Holzkammer erhielt eine neue Thüre und 3 neue Läden. Doch bei der Arbeit in dieser Kammer ergab sich wieder, wie gebrechlich die Wände des (alten) Gebäudes sind. Als der sehr große Laden an der Wetterseite befestigt, resp[ektive] das dazu gehörende Futter eingesetzt werden sollte, lösten sich die alten Pfosten neben dieser Öffnung und stürzten mit einem großen Theil der […] Mauer in die Tiefe. Glücklicher Weise hatte der daran arbeitende Schreiner die Öffnung, in der er stand, vor dem Moment des Sturzes verlassen, sonst hätte er neben den gefallenen Pfosten und Mauersteinen rettungslos seinen Tod gefunden“, so die dramatische Schilderung.
Neben der Schulchronik gewährt uns das im Bestand vorhandene Schul-Strafbuch einen Blick insbesondere auf die Cleeberger Schülerschaft, wenn auch nur auf den „ungehorsamen“ Teil, der wohl vorwiegend männlich war. So betreffen von den 391 Einträgen, die die Lehrer zwischen 1890 und 1923 tätigten, nur 55 Schülerinnen. 336 Strafen wurden demzufolge gegenüber Jungen verhängt. Als „Art der Vergehung“ finden sich unter anderem Vermerke, wie „Bibl[ische] Gesch[ichte] nicht gelernt“, „Schulsachen in Unordnung“, „Vogelnest zerstört“, „Große Faulheit“, „Vordermann voll Tinte gem[acht]“, „Sah während des Unterrichts ins Buch“, „Einen Mitschüler getreten“ oder „Werfen während der Religionsstunde mit Papier“. Die Strafe folgte auf dem Fuße, wurde doch als „Art der Züchtigung“ notiert: „4 Streiche mit dem Riemen auf die Hände“, „1/2 Stunde Arrest u[nd] Hiebe“, „8 Streiche mit dem Stock“ oder „Stockschläge auf das Gesäß“.
Ein Dauerthema für die Cleeberger Einwohner stellte über die Jahrhunderte, wie aus den alten Akten ebenfalls hervorgeht, die Wasserversorgung dar. Ein Erläuterungsbericht zur Wasserversorgung vom 30. Mai 1908 schildert die Situation, wie folgt: „Die bisherige Versorgung mit Trinkwasser ist eine außergewöhnlich mangelhafte. Sie beruht auf älteren, flachen Fassungen kleiner Quellen im Biengartengelände, durch welche zwei Laufbrunnen im oberen Ortsteile gespeist werden. Diese liefern bei normaler Witterung zusammen etwa 6 Liter Wasser in der Minute und gehen in trockenen Zeiten bis auf die Hälfte zurück. Im unteren Ortsteile finden sich einige seichte offene Brunnen, deren Wasser von zweifelhafter Qualität ist und im Sommer beinahe vollständig versiegt. Zum Tränken des Viehes wird ein kleiner Wasserlauf im Tale benutzt, aus welchem im Winter das Wasser gefahren wird. Für Brandfälle sind zwei Brandweiher vorhanden, die nur wenig Wasser enthalten. Im Sommer herrscht in Cleeberg häufig vollständiger Wassermangel. Die Verbesserung der Wasserversorgung war daher ein schon lange empfundenes Bedürfnis der Gemeinde.“
Auch der Cleeberger Lehrer Heinrich Adolf Landgraf klagte, „die Brunnen lieferten nur salpeterhaltiges Wasser“ und so nahm er als „wichtiges Ereignis“ den „Bau einer Wasserleitung mit Hausanschlüssen“ für über 40.000 Mark in die Schulchronik für das Jahr 1909 auf.
Dennoch bestand 1911/12 weiterhin Wasserknappheit in Cleeberg, wenn der Lehrer über die große Hitze und Trockenheit im Sommer notierte: „Der Cleebach war vollständig versiegt; die Forellen, noch in kleinen Tümpeln versammelt, starben. Es war nicht mehr genug Wasser da für das Vieh. […]. Unsere neue Wasserleitung hatte nur das allernötigste Trinkwasser.“
In der Not erinnerte man sich, dass „die alten Leute hier sagten, von ihren Voreltern gehört zu haben, früher sei eine Wasserleitung vom Aulbacher Grund bis zum Schloß gegangen“, und so begab man sich auf die Suche und wurde tatsächlich fündig. Man entdeckte ein Wasserversorgungssystem „mit in Sandstein gehauenen Brunnenkammern, aus denen 5 bis 8 cm dicke Bleiröhren das Wasser in Holzröhren (ausgehöhlten Baumstämmen) weiter führten“.
„Die Holzröhren“ – so die zeitgenössische Beschreibung ergänzend – „waren z. T. noch ganz gut erhalten und vom Alter schwarz geworden. Auf den Deckeln der Brunnentröge steht eine XI (oder IX?). Die Leitung scheint sehr alt zu sein. Vielleicht ist sie in den Zeitläuften des dreißigjährigen Krieges versumpft und seit dieser Zeit unbenutzt geblieben. Aber die Sage ruhte nicht, bis die Not das jetzige Geschlecht zwang, ihr nachzuforschen und sie in Wirklichkeit zu verwandeln. Die neue alte Leitung liefert das herrlichste Trinkwasser“, so der Lehrer abschließend.
Dennoch blieb die Wasserversorgung Cleebergs weiterhin schwierig. Noch im Trockenjahr 1947 musste das Wasser aus den Nachbardörfern bzw. vom Ebersgönser Weiher „fässerweise“ herbeigeschafft werden, da die Wasserleitung versiegt war. Für die Erneuerung der Wasserleitung im Jahr 1909 hatte man „sehr kleine Gußrohre“ verwendet, welche, wie man 1950 feststellte, „durch Verchrustung fast zu“ waren, so dass man im zu trockenen Jahr 1952 wieder vor einem Wasserproblem stand. Im März 1954 schließlich begann man mit dem Bohren eines neuen 50 m tiefen Brunnens und veranschlagte insgesamt 70.000 DM für den Wasserleitungsbau, der 1955 fertiggestellt werden konnte. Doch bereits 1959 ließ die Ergiebigkeit des Tiefbrunnens stetig nach, so dass der Gemeinderat sich 1960 genötigt sah, einen zweiten Tiefbrunnen bohren zu lassen. Zu diesem konnte man schlussendlich zufrieden feststellen: „Derselbe spendet jetzt reichlich Wasser.“
Diese und weitere Begebenheiten aus der Cleeberger Geschichte kann man bei einem Blick in die nun in mehrjähriger Arbeit im Langgönser Gemeindearchiv erschlossenen historischen Dokumente nachlesen. Das neue Findbuch und die Online-Version unter der Webadresse „https://archinsys.hessen.de“ ermöglichen den Zugang und damit Einblicke in verschiedenste Bereiche der kommunalen Verwaltungstätigkeit und Lebenswelt der ehemals selbständigen
Gemeinde Cleeberg vom frühen 19. Jahrhundert bis zur Eingemeindung 1976. Die Geschichte eines „stillen Dorfes im Kranze dunkler Wälder – die Häuser dichtgedrängt am Bergeshang und überragt von einer alten Feste – mit Gärten voll von Duft und Vogelsang“, um mit den Worten des ehemaligen Cleeberger Lehrers Wilhelm Schüler zu schließen, ist somit dauerhaft gesichert.
Bürgermeister Marius Reusch dankte der Archivarin Marei Söhngen-Haffer ausdrücklich für die Erarbeitung dieses Findmittels und konnte auch aus seiner früheren Profession als Historiker bestätigen: „ Mit diesem umfassenden Findbuch wurde nun ein ganz wesentliches Instrument für die interessierte Öffentlichkeit und die Bearbeitung der Cleeberger Geschichte geschaffen, das ganz enorm helfen wird den historischen Bestand der Archivalien Cleebergs in unserem Archiv gut zu erschließen und für Recherchen zugänglich zu machen.“