Die jungen Ukrainer bei ihrem Gesangsauftritt im Lang-Gönser Kirmes-Gottesdienst
Beim Gottesdienst auf der Lang-Gönser Kirmes führten die Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine einen Tanz auf
Die ukrainischen Kinder mit ihren Lehrerinnen Tatiana Lopatko, Maryna Mashkova und Alona Starychenko, der Herbsteiner Bürgermeisterin Astrid Staubach, dem „Team Pause“ der Aliceschule Gießen und Eberhard Klein in Herbstein
Langgöns (ikr). Dank der Initiative des ehemaligen evangelischen Pfarrers Eberhard Klein aus Lang-Göns konnten 19 ukrainische Kinder eine neuntägige „Pause vom Krieg“ in der CVJM-Ferienanlage Herbstein genießen. Die Aktion wurde von der Ukrainehilfe der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Lang-Göns organisiert und durch großzügige Spenden ermöglicht. Begleitet wurden die Kinder von drei ukrainischen Lehrerinnen und dem ehrenamtlichen „Team Pause“ von Studierenden der Aliceschule Gießen.
Die Mädchen und Jungen im Alter von acht bis 15 Jahren stammen aus Borispol nahe Kiew. „Sie leben in einer dauerhaften Krisensituation mit täglichen Luftalarmen, stundenlangen Aufenthalten in Schutzbunkern und in alltäglicher Angst“, machte Eberhard Klein, der den Besuch initiiert und koordiniert hat, deutlich. Er betonte die erschreckenden Lebensumstände der Kinder, die seit über zwei Jahren keinen geregelten Schulalltag mehr kennen und Angehörige im Krieg verloren haben.
Die Ukrainehilfe, früher bekannt als Arbeitskreis Leben nach Tschernobyl, pflegt seit Jahrzehnten enge Kontakte nach Borispol und unterstützt die Menschen dort durch Hilfstransporte. Die Ferienfreizeit bot den Kindern eine dringend benötigte Erholung. „In dieser Zeit sollen sie in einer erholsamen Umgebung neue Lebensenergie schöpfen und ihre Resilienz stärken“, erklärte Klein.
Das abwechslungsreiche Programm umfasste u. a. Besuche in der Therme Herbstein, dem Taunus-Wunderland und Frankfurt. In Lang-Göns erhielten die Kinder bei Mode Beppler am Bahnhof neue Kleidung und Schuhe. Bei Spielwaren Dietz kauften sie dringend benötigtes Schulmaterial. Für Geschwister oder Freunde durften sie ebenfalls Geschenke auswählen.
Wie Schule im Krieg funktioniert, erzählte Kira: „Es ist sehr schwer, weil man jeden Tag die Sirenen hört und in den Keller oder Schutzraum laufen muss, da es nicht sicher ist, in der Wohnung oder im Haus zu bleiben.“ Deshalb sei es auch nicht einfach zu lernen, weil während fast jeder Unterrichtsstunde die Sirenen ertönten und Raketen fliegen würden. „Und das ist wirklich sehr schwer.“
Der junge Dima lenkt sich mit Musik vom Krieg ab. Er sagt: „Während des Krieges haben die Menschen viele neue Gewohnheiten entwickelt.“ Er höre zum Beispiel ständig Musik und schaue in den Himmel, um zu sehen, ob irgendwo Rauch von Raketen sei. Die Menschen würden versuchen, sich irgendwie abzulenken, Musik helfe dabei sehr: „Sie entführt uns in eine andere Welt.“
Ein emotionaler Höhepunkt war der Auftritt der Kinder beim Gottesdienst am Kirmessonntag in Lang-Göns, wo sie sangen, tanzten und von ihrer schwierigen Situation berichteten. Lehrerin Maryna Mashkova, eine Betreuerin, betonte die Belastungen, unter denen die Kinder stehen: „Sie haben einen großen Teil ihrer Kindheit verloren.“
Eberhard Klein und Kerstin Rehberg-Schroth von der katholischen Kirche Langgöns versicherten den Kindern ihre Unterstützung: „Ihr seid nicht allein, wir sind mit euch unterwegs.“ Der Pfarrer unterstrich: „Wir versuchen mit kleinen Schritten, mit Empathie, kleiner und großer Hilfe die Not zu lindern und humanitäre Hilfe zu leisten.“ Auch wenn man „am Weltgeschehen verzweifeln könnte“, sei es dennoch „so wichtig, ein wenig bewegen zu können“. Der Langgönser Bürgermeister Marius Reusch dankte, angesichts der persönlichen Schicksale sichtlich bewegt, dem Pfarrer für die „großartige Unterstützung, auch aus der Bevölkerung“, und betonte, wie wichtig Zusammenhalt in schwierigen Zeiten sei: „Ich bin dankbar und stolz, dass es so etwas in Langgöns gibt, das geht nur in Gemeinschaft.“
Die Idee zur „Pause vom Krieg“ entstand durch Tatjana Lopatko, Lehrerin aus Borispol, die in Lang-Göns nach Ausbruch des Krieges vorübergehend Zuflucht fand und hier Eberhard Klein kennenlernte. Sie wollte den Kindern eine Auszeit vom Krieg ermöglichen. „Meine Idee war es, dass die Kinder aus dem ständigen Stress des Krieges und der Luftalarme herauskommen, da dies ihre Gesundheit und Psyche stark beeinflusst.“ Deshalb hatte sie die Idee, dieses Camp zu schaffen, „damit sie Ruhe und Natur erleben, sich ausruhen und miteinander kommunizieren können.“
Maryna Mashkova ist ebenfalls Lehrerin und Betreuerin der Reisegruppe. Sie erzählt von den Schwierigkeiten des Lernens, das oft nur über das Internet funktioniere. „Wenn dann mal wieder Stromausfall ist, was häufig vorkommt, können die Schüler nicht weiterlernen.“
Eberhard Klein hoffte, „den Kindern schöne, unvergessliche Tage zu bereiten und ihre Situation ein wenig zu erleichtern, damit sie vielleicht auch ihre eigenen Kräfte wieder remobilisieren können. Denn es ist nur eine Pause, sie werden zurückgehen in den Krieg, in ihre Städte und Dörfer.“
Dank zahlreicher Spenden, unter anderem von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, der Rittal Foundation und weiteren Institutionen und Privatpersonen, konnte diese wertvolle Aktion realisiert werden. Klein dankte ausdrücklich allen Unterstützern.