Bernhard Wagner
Waghalsige Akrobatik auf dem Motorrad in der Seitenwagenzeit von Bernhard Wagner (l.) im Jahr 2005.
Beim Adenauer Racing Day am Mittwoch vor dem Rennen gibt es einen Autokorso und eine Autogrammstunde.
Zieleinlauf mit der Nürburg im Hintergrund
Teamfoto von Sorg Rennsport mit den zehn eingesetzten Fahrzeugen des Rennstalls beim 24h-Rennen
Langgöns/Nürburgring (ikr). Benzingeruch, Adrenalin und brennende Sonne – das 24h-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife 2025 bot Motorsport auf höchstem Niveau. Mitten drin: Bernhard Wagner vom MSC Langgöns. Der erfahrene Hobbyrennfahrer war Teil des Vierer-Teams von Sorg Rennsport, das mit einem Porsche Cayman GT4 Clubsport in der stark umkämpften Cup3-Klasse antrat – und am Ende sensationell auf das Podium fuhr.
Für Wagner, der in Langgöns lebt, war es nicht der erste Einsatz auf der Nordschleife, aber sicherlich einer der eindrucksvollsten. "Bei 30 Grad über Stunden im Auto zu sitzen, während einem GT3-Fahrzeuge mit 600 PS um die Ohren fliegen, verlangt nicht nur fahrerisches Können, sondern auch körperliche Härte und absolute Konzentration", so Wagner nach dem Rennen. Der gebürtige Österreicher startete für sein Heimatland und den MSC Langgöns, gemeinsam mit Guy Stewart (Neuseeland), Kurt Strube (Deutschland) und Maximilian (Deutschland).
Die 25,1 Kilometer lange Kombination aus Nordschleife und Grand-Prix-Kurs zählt zu den schwierigsten Rennstrecken der Welt. Beim diesjährigen 24-Stunden-Rennen im Juni gingen 136 Fahrzeuge an den Start – vom seriennahen Kleinwagen bis zum High-End-GT3-Boliden. Der Porsche mit der Startnummer 969 musste sich dabei nicht nur gegen elf Konkurrenten in der eigenen Klasse, sondern auch gegen zahlreiche Fahrzeuge aus anderen Klassen behaupten – auf einer Strecke, die kaum Auslaufzonen kennt und Fehler nicht verzeiht - Training ist elementar für die Vorbereitung.
„Die beste Trainingsmöglichkeit auf der Nordschleife übers ganze Jahr bietet die Nürburgring Langstreckenserie (NLS ehemals VLN). In der Serie werden insgesamt zehn Rennen im Zeitraum März bis Oktober (jeweils 4h oder 6h pro Rennen) ausgetragen“, erzählt der Langgönser. Eine homogene Fahrerzusammenstellung hat sich bewährt, dabei spielen unter anderem Nordschleifenerfahrung und Grundspeed, aber auch Persönlichkeit und Risikobereitschaft eine wichtige Rolle. „Aus strategischer Sicht ist es von Vorteil, die Stärken und Schwächen jedes einzelnen zu kennen, um die vorhandenen Potentiale möglichst wirkungsvoll in den 24 Stunden einsetzen zu können“, weiß Wagner.
Körperliche Fitness ist eine Grundvoraussetzung, um den physischen und mentalen Herausforderungen auf der Nordschleife in einem 24h-Rennen begegnen zu können, vor allem gilt es, trotz der Anstrengung im Rennauto die Konzentration zu 100% aufrecht zu erhalten. Wie hält er sich fit? „Schon als Jugendlicher war ich als Geräteturner aktiv und habe auch danach stets versucht, ein altersgerechtes Fitnessniveau zu halten. Heute trainiere ich täglich mit einem Schlingensystem, bei dem Seile über Rollen an der Decke befestigt sind – ergänzt durch regelmäßiges Radfahren für die Ausdauer, im Winter auch auf dem Indoor-Trainer. Dieses Training hat sich in Hinblick auf meine Verletzungsmuster bewährt.“
Die maximale Fahrzeit ohne Pause am Steuer ist auf drei Stunden begrenzt. „Mit einer Tankfüllung schaffen wir acht bis neun Runden bei Rundenzeiten um die neun Minuten. Bei einem Doppelstint (ein Fahrer fährt zwei komplette Tankfüllungen) wird diese annähernd erreicht.“ Als Stint wird der Zeitraum bezeichnet, in dem ein Fahrer ohne Unterbrechung am Steuer eines Fahrzeugs sitzt, also von einem Fahrerwechsel bis zum nächsten.
Bereits im Qualifying war das Team von einem Rückschlag betroffen: Ein Unfall kostete wertvolle Zeit. Doch die Crew rund um den Car Chief von Sorg Rennsport brachte das Fahrzeug rechtzeitig wieder in Top-Zustand. Startplatz 92 war unter diesen Umständen ein solides Ergebnis.
Wie kam Bernhard Wagner zum Rennsport? Der Österreicher, der am Rennwochenende auf dem Nürburgring 64 Jahre alt wurde und seit rund vier Jahrzehnten in Deutschland lebt, viele Jahre davon in Langgöns, kann auf eine außergewöhnliche Karriere im Motorrad- und Automobilsport zurückblicken: „Angefangen hat alles auf zwei Rädern mit dem Motorrad. Im Rahmen von Trackdays sammelte ich erste Erfahrungen auf verschiedenen Rennstrecken. Danach auf drei Rädern als Seitenwagenbeifahrer in der internationalen Deutschen Meisterschaft und Wildcard-Einsätzen in der Weltmeisterschaft. Etwas sicherer, aber weiterhin mit Engagement, Leidenschaft und ungebrochenem Hang zum Motorsport nunmehr im Rennauto auf vier Rädern.“
Wagner gilt als echtes Multitalent im Motorsport. Erst spät stieg er in die Rennszene ein – und das mit beeindruckendem Erfolg. In der Internationalen Deutschen Motorradmeisterschaft (IDM) wurde er 2002 mit Sepp Doppler und 2006 mit Markus Schlosser Internationaler Deutscher Meister in der Sidecar-Klasse. Ein schwerer Unfall beim IDM-Finale 2006 in Hockenheim zwang ihn zu einer längeren Pause. Doch Wagner kehrte zurück – diesmal auf vier Rädern. Im Automobilsport fand er eine neue Herausforderung und erfüllte sich einen lang gehegten Traum: die Teilnahme am 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Dort erreichte er 2022 den 64. Gesamtrang (Platz 4 in seiner Klasse) und 2023 Platz 85.
„Nicht umsonst wird die Nordschleife als grüne Hölle und zugleich als die die schönste Rennstrecke der Welt bezeichnet. Jedes Rennen und insbesondere das 24h-Rennen schreibt seine eigene Geschichte. Sich dieser Herausforderung als Fahrer in einem Rahmen zwischen Vollprofis und Werksfahrern mit bis zu 280.000 Zuschauern zu stellen und zu meistern ist immer wieder etwas ganz Besonderes“, schwärmt Wagner.
Der diesjährige Rennstart verlief holprig: Ein schleichender Plattfuß zwang zu einem frühen Boxenstopp. Doch das Team kämpfte sich mit konstanten Stints und kluger Taktik bis in die Nacht auf Platz 4 vor. Gegen 4 Uhr morgens dann der Schock: Kollision im Klostertal mit einem Aston Martin. Wagner erinnert sich: „Es war ein Schreckmoment – aber zum Glück kam der Wagen noch aus eigener Kraft an die Box.“ Die Sorg-Mechaniker reparierten den Schaden in Rekordzeit.
In den letzten Stunden lief das Rennen reibungslos. Mit 119 gefahrenen Runden überquerte der Porsche die Ziellinie – Platz 3 in der Cup3-Klasse und der Sieg in der Amateurwertung. Im Gesamtklassement erreichte das Team Platz 36 – eine beachtliche Leistung.
„Ein Rennen wie dieses ist Teamsport pur“, betont Wagner. „Ohne das Engagement jedes Einzelnen – vom Mechaniker über die Strategie bis zur Verpflegung – wäre so ein Erfolg nicht möglich.“ Besonders lobt er die professionelle, aber familiäre Atmosphäre im Team Sorg Rennsport unter der Leitung von Benjamin und Daniel Sorg.
Auch im historischen Motorsport ist Wagner erfolgreich: 2023 holte er mit Renato Ambrosi den Klassensieg bei der Youngtimer Trophy und fuhr bei weiteren Events starke Ergebnisse ein. Im Mai 2023 startete er beim prestigeträchtigen 12h-Rennen in Spa-Francorchamps – ebenfalls auf einem Porsche Cayman GT4.
Wagners Berufsleben ist genauso strukturiert wie sein Motorsport: Der Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens für Mess- und Regeltechnik legt seinen gesamten Jahresurlaub nach dem Rennkalender. Immer mit dabei: Lebensgefährtin Stephanie Johnson, die auch seine Öffentlichkeitsarbeit übernimmt.
Klar ist: Bernhard Wagner ist weit mehr als ein ambitionierter Hobbyfahrer. Er steht für Disziplin, Teamgeist und Leidenschaft. Sein Weg vom Sidecar-Beifahrer zum Podium beim 24h-Rennen 2025 ist der Beweis dafür, dass man sich Träume auch mit 60+ noch erfüllen kann – und dass auf der Nordschleife das letzte Kapitel seiner Motorsportkarriere noch lange nicht geschrieben ist.