Ekrem Özyesil
Bei Kaffee und Kuchen wird im „Treffpunkt“ gelernt und Geselligkeit gepflegt
Gruppenbild mit Besuchern und ehrenamtlichen Betreuern um Ekrem Özyesil (r.) im Hof des Cafés „Treffpunkt“ in der Wiesenstraße 18 in Lang-Göns.
Langgöns (ikr). „Das Gefühl, willkommen zu sein, ist neben dem Kennenlernen der Kultur und dem Erlernen der Sprache das Wichtigste für eine erfolgreiche Integration“, sagt Ekrem Özyesil. Der 34-jährige türkischstämmige Gießener weiß, wovon er spricht, denn er lebt selbst erst seit sechs Jahren in Deutschland und hat persönlich eine Integrationsgeschichte erlebt. Seit März dieses Jahres ist er der neue Migrationsbeauftragte der Gemeinde Langgöns.
„Ich möchte ehrenamtlich etwas für Geflüchtete machen“, betont der sympathische Wahl-Mittelhesse, der mit seiner Frau in der Lahnmetropole heimisch geworden ist. Im Freiwilligenzentrum Gießen und dem Nordstadtverein in Gießen engagiert er sich bereits seit längerem. Gerade befindet er sich in der letzten Phase seiner Promotion, die er an der Hochschule Fulda verfasst. In seiner Dissertation beschäftigt er sich mit den „Auswirkungen von Migrationskontrollmechanismen auf die Migranten“. Er schreibt die Arbeit auf Englisch, hat in den vergangenen Jahren in diversen Kursen schon sehr gut Deutsch gelernt, was er im Gespräch auch eindrucksvoll unter Beweis stellt, er möchte diese Sprache aber weiter vervollkommnen.
Vor wenigen Wochen startete Özyesil sein erstes größeres Projekt in Langgöns, das Café „Treffpunkt“ in den Räumen der Seniorenwerkstatt. „Solche Veranstaltungen zu organisieren und durchzuführen sind für mich eine weitere Möglichkeit, meine Deutschkenntnisse zu verbessern“, sagt er. Jeden Donnerstag von 17 bis 19 Uhr hat jede Migrantin und jeder Migrant aus Langgöns die Möglichkeit, es ihm gleich zu tun und in zwangloser Atmosphäre die neue Sprache zu trainieren, sich auszutauschen und zu lernen. „Es gibt in Langgöns nur wenig Angebote für Migranten, deutsch zu sprechen“, weiß Ekrem Özyesil. Viele würden zwar Deutschkurse besuchen, hätten aber außerhalb der Kurse nur wenig Gelegenheit, deutsch zu sprechen.
Der Migrationsbeauftragte hat sich zu Beginn seiner neuen Tätigkeit erst einmal die Zeit genommen, die Situation in Langgöns zu analysieren und die Migranten kennenzulernen. Schließlich war er hier anfangs auch fremd. Dazu ist er in die Sprachkurse und in die Gemeinschaftsunterkünfte gegangen und hat gefragt, was er für die Menschen tun kann. Auch Kontakte ins Rathaus und zum Freiwilligenpool der Gemeinde hat er geknüpft. Die Idee zum Café „Treffpunkt“ stammt von ihm. In der Seniorenwerkstatt wurden ihm Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, bevor das Café an den Start ging, hat er Plakate und Flyer vorbereitet. Die Teilnahme ist kostenfrei, ebenso Getränke und Kuchen.
„Bürgermeister Marius Reusch, der Erste Beigeordnete Hans Noormann und Eberhard Klein von der Langgönser Ukrainehilfe haben mich sehr unterstützt“, berichtet Özyesil und dankt dafür. Ein ganz besonderer Dank geht an seine aktuell vier ehrenamtlichen Helfer, die ihn im „Treffpunkt“ unterstützen. Es sind Rosa Saller, Heike Langfeld sowie Edda und Klaus Ulm: „Ohne ihre Unterstützung wären solche Veranstaltungen nicht machbar.“
Das Café „Treffpunkt“ startete am 20. Juli und ist sehr gut angelaufen. Jede Woche kommen im Schnitt ein Dutzend Frauen und Männer mit Fluchthintergrund in die Seniorenwerkstatt. Bei Kaffee und selbstgebackenem Kuchen trifft man sich. Inzwischen kennen sich Besucher und Betreuer bereits untereinander und haben gemeinsam viel Spaß: „Wenn die Migranten wissen, dass Einheimische sie unterstützen, fühlen sie sich wohl. Hier ist ein Treffpunkt zum Austausch und zum Sprechen üben“, betont der Migrationsbeauftragte.
„Es haben sich vier Gruppen gebildet“, erzählen Rosa Saller und Heike Langfeld. Das ist zum einen die Gruppe der Analphabeten, dann eine Gruppe mit geringen Lesekenntnissen, dann die Gruppe, die bereits Deutschkurse besucht und schließlich die Gruppe der Ukrainer. Die Café-Besucher stammen außerdem aus Irak, Afghanistan und Syrien.
Wie funktioniert eigentlich die Kommunikation mit den Menschen, die nur schlecht Deutsch verstehen und sprechen? „Wir haben beispielsweise Unterlagen mit Bildern, die Alltagsgegenstände abbilden und die dann benannt werden.“ In der Praxis verständigen sich die ehrenamtlichen Café-Unterstützer oft auch mit Gesten: Heike Langfeld sitzt an diesem Nachmittag einer jungen Frau gegenüber und wiederholt das Gelernte aus der Vorwoche. Sie dreht beide Hände und fragt ihr Gegenüber, was das ist. Die Migrantin muss kurz überlegen und sagt dann „Hand“. Anschließend bewegt Heike Langfeld einen Finger nach dem anderen, bis die junge Frau schließlich lachend „Finger“ sagt. Und so geht es weiter. „Kennenlerngespräche waren unsere ersten Übungen“, erinnert sich Langfeld.
„Unsere Café-Nachmittage sind kein Deutschkurs, vielmehr möchten wir in freundlicher und informeller Atmosphäre uns kulturell austauschen, sprechen üben, spielen und Spaß haben“, unterstreicht Ekrem Özyesil. Seine ehrenamtlichen Helfer haben großes Lob für die Besucher: „Es sind wirklich alles sympathische Leute, die sich auch gegenseitig helfen“, freut sich Rosa Saller. Und Heike Langfeld ergänzt: „Sie üben sogar zu Hause, das ist ganz toll und nicht selbstverständlich.“ Edda und Klaus Ulm, die an diesem Nachmittag etwas später eintreffen, bestätigen diese Einschätzungen.
Leider würden nicht alle Migranten in Langgöns Deutschkurse besuchen, darunter wären viele Mütter mit Kindern, weiß Ekrem Özyesil. In den „Treffpunkt“ dürfen Kinder mitkommen. Um ihnen den Café-Aufenthalt etwas spannender zu gestalten, möchte der Migrationsbeauftragte gerne eine Kinderbetreuung einrichten. Ehrenamtliche dafür und weitere Ehrenamtliche für das Café selbst sind herzlich willkommen. Und selbstverständlich sind auch weitere Migranten, die Lust haben, das Café zu besuchen, gerne gesehen.
Interessenten können sich an Ekrem Özyesil wenden, Tel.: 0179 6835833, per Mail an migration@langgoens.de oder sie können ganz einfach an einem Donnerstagnachmittag in der Seniorenwerkstatt in der Wiesenstraße 18 vorbeischauen.