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Heimatblatt Langgöns
Ausgabe 39/2025
Heimatblatt
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Martin Hanika referiert über "Dr. Friedrich Ludwig Weidig in seiner Zeit" - Gedanken zu seiner Bedeutung für Oberkleen

Martin Hanika

Das Geburtshaus Weidigs in Oberkleen

Friedrich Ludwig Weidig

Martin Hanika referiert am Taufort Weidigs über den berühmten Sohn Oberkleens

Oberkleen (ikr). „Man spürt regelrecht den großen Geist, den frommen und den klugen Menschen, und den, der bis zuletzt an das Gute geglaubt hat und sich auch selbst gerade so verhalten hat“ – mit diesen Worten schloss Martin Hanika seinen Vortrag über Dr. Friedrich Ludwig Weidig. Als gebürtiger und geschichtsinteressierter Oberkleener sprach er im Rahmen der „Dorfkultour“ des Heimat- und Geschichtsvereins Oberkleen anlässlich dessen 15-jährigen Bestehens in der St. Michaelis Kirche über den berühmten Sohn des Dorfs.

In der Kirche, wo Weidig 1791 getauft wurde und wo nun der gutbesuchte Vortrag stattfand, fühlte man sich ihm ganz nah. Martin Hanika verstand es, die damalige Zeit und Lebensgeschichte detailreich, lebendig und stellenweise sehr berührend zu erzählen, wobei Anerkennung und hoher Respekt vor dem Lebenswerk des „wunderbaren Menschen“ sich als roter Faden durch seine Ausführungen zogen. Eindrucksvoll wurde dabei deutlich, wie aktuell Weidigs Botschaften auch heute noch sind:

Friedrich Ludwig Weidig kommt am 15. Februar 1791 in Oberkleen zur Welt – als erstes Kind des Försters Christian Ludwig Weidig und seiner Frau Wilhelmina Christiana, geb. Liebknecht, Tochter eines Cleeberger Justizamtmanns. Beide Familienlinien sind tief im Staatsdienst verwurzelt: Der Großvater väterlicherseits wirkte als landgräflicher Forstmeister, der mütterliche als Justizamtmann. „Weidig war von Geburt an Teil der Obrigkeit“, sagt Hanika.

In Gießen studiert Weidig vor allem Theologie und wird Lehrer in Butzbach, wo er das Singen und Turnen einführt und junge Menschen für Wissen und Verantwortung begeistert. Weidig ist anfangs noch nicht der Revolutionär. Er ist zunächst Kämpfer in Wort und Schrift für die Befreiung Deutschlands vom französischen Joch, wie es im damaligen Sprachgebrauch genannt wurde, und für die Einheit Deutschlands. Die politische Zerrissenheit der damaligen Zeit und die obrigkeitsabhängige Willkür sind ihm ein Dorn im Auge. Zum Revolutionär wird er erst später – als er selbst unter Bedrängnis gerät. Weidig muss sich gegen Intrigen, Verleumdungen und Verrat behaupten, bis hin zur Verzweiflung. Schließlich opponiert er gegen das alte Feudalsystem. An der Seite von Georg Büchner verfasst er den „Hessischen Landboten“ mit der berühmten Forderung „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“. Damit tut Weidig etwas Außergewöhnliches: Er stellt sich gegen die Obrigkeit, aus der er selbst stammt. Er riskiert nicht nur sein Ansehen, sondern auch seine Sicherheit und sein Leben. „Das macht seine Haltung besonders“, betont Hanika. Weidig hatte alles zu verlieren – und hat dennoch alles eingesetzt für Freiheit und Gerechtigkeit. Die Reaktion war brutal: verfolgt von Großherzog Ludwig II., eingesperrt, misshandelt – bis er 1837 in Darmstadt im Kerker stirbt – in den Selbstmord getrieben. „Verzweifelt an dieser Zeit“ – so beschreibt es Hanika.

Weidigs Botschaften jedoch überleben. In einem Usinger Blatt ist 1848 zu lesen: „Weidig, der rastlose, reine, todesmutige, hat nicht allein in der Wetterau den Geist der Freiheit entzündet“. Hanika betont: „Er hat uns gezeigt, was die Freiheit des Menschen bedeutet, und er hat klar das Bestreben nach freien, gleichen Wahlen gefordert – das gab es bis dahin noch nicht. Dass wir heute selbstverständlich in Freiheit wählen dürfen, ist auch ihm zu verdanken. Das ist seine wesentliche Lebensleistung – und das hat er uns bis heute zu sagen.“ Weidigs Mahnungen klingen bis heute nach: „Es war ihm unmöglich, eine Überzeugung zu haben, ohne für diese zu wirken.“ Oder auch seine Predigtbitte um 1819 – gerade wieder hochaktuell: „Lass die Völker nebeneinander in Fried’ und Freiheit wohnen und die Millionen der Erdbewohner erkennen, dass sie alle Brüder sind.“ Da bekommt so mancher Zuhörer Gänsehaut.

In Oberkleen ist die Erinnerung an ihn lebendig: eine Gedenktafel am Rathaus, die nach ihm benannte Sporthalle, eine Straße mit seinem Namen. „Für uns wird Weidig Teil unserer Identität, wenn wir ihn und seine Familie in unserer Heimatgeschichte bewahren und weitergeben – in den Schulen, im Persönlichen. Es ist auch unsere gemeinsame Aufgabe“, fordert Hanika. Sein ausdrücklicher Dank gilt schließlich dem Heimat- und Geschichtsverein Oberkleen: „Seit 15 Jahren trägt er mit großem Engagement dazu bei, dass Geschichte lebendig bleibt, unsere Schätze nicht vergessen werden und wir das Gute bewahren können.“