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Amtsblatt der Gemeinde Lohra
Ausgabe 51/2024
Gestaltung Innenteil Seite 2
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Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

in den letzten Wochen und Monaten hat man das Gefühl, die ganze Welt steht nur noch Kopf und die Ereignisse überschlagen sich.

Seien es Kriege und Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten, der Bruch der Ampel-Koalition auf Bundesebene mit angekündigten Neuwahlen, die steigende Angst vor einer Wirtschaftskrise oder die regionalen Themen, wie die neuesten Entwicklungen der Kreis- und Schulumlage. Die Aufzählung könnte noch ewig weitergeführt werden.

Vielleicht stellen Sie sich jetzt die Frage, warum ich all diese Problemfelder anspreche, um die sich doch andere kümmern müssen. Wir haben doch in unserer Gemeinde genug eigene Probleme.

Wir leben nun mal nicht auf einer Insel und jeden von uns gehen diese Themen etwas an, da all diese Ereignisse eine Auswirkung auf uns haben. Wir spüren es und sprechen darüber sowohl im Privaten als auch auf kommunaler Ebene.

Als Bürgermeisterin unserer Gemeinde beschäftigen mich selbstverständlich zunächst erstmal unsere kommunalen Themen, wie z.B.: Brandschutz, Finanzen, Naturschutz, Kinderbetreuung, Sanierungen, Straßenbau und vieles mehr.

Jedes Aufgabengebiet hat dabei seine ganz eigenen Herausforderungen. Die Auflagen und Vorschriften, die von übergeordneten Ebenen erlassen werden, sind zahlreich und unsere finanziellen Mittel zur Erledigung der Aufgaben sind begrenzt. Nichts desto trotz können wir uns vor den oben genannten Themen aber nicht abschotten und müssen mit all den Rahmenbedingungen unserer Zeit zurechtkommen.

In dieser so verrückten Zeit haben wir im Grunde jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder wir legen die Hände in den Schoß und bejammern unsere Situation oder wir krempeln die Ärmel hoch und arbeiten daran die Situation für uns zu verbessern. Da uns Jammern nicht weiterbringt, schlage ich die zweite Möglichkeit vor.

Es ist jetzt notwendig, dass wir bestehende Strukturen neu durchdenken und nach Lösungen suchen, die zu unseren Erfordernissen passen. Wir sollten erkennen, dass jede Krise auch den Raum für Chancen öffnet.

Seit einigen Jahren haben wir großes Glück in der Gemeinde Lohra. Attraktiv als Wohnort mit wohnortnahen Arbeitsplätzen, eine gute Versorgungsstruktur sowie eine lebendige Vereinswelt bilden dabei eine Kombination, dass gerade Familien unsere Gemeinde als Lebensmittelpunkt wählen. Darauf können wir stolz sein.

Um nach wie vor attraktiv für alle Bürgerinnen und Bürger zu bleiben, ist es daher erforderlich, dass wir für unsere Jüngsten u.a. eine qualitative Kinderbetreuung bieten und bis hin zu den Älteren die Nahversorgung erreichbar erhalten.

Das ausreichende Vorhalten von Kinderbetreuungsplätzen ist seit einigen Jahren in der gesamten Gemeinde Lohra ein führendes Thema. In den letzten Jahren wurden verschiedene Lösungsansätze erörtert und diskutiert. Die verschiedenen Ideen wurden sowohl mit der Aufsichtsbehörde, dem Fachbereich Familie, Jugend und Soziales des Landkreises Marburg-Biedenkopf als auch mit den aktuellen Trägern der Kindertagesstätten besprochen. Leider konnten hier keine tragfähige Lösung gefunden werden.

Durch das Aufstellen der mobilen Räumlichkeiten hinter dem Rathaus im Februar 2023 war es erstmals möglich, ausreichend Plätze für die Kinderbetreuung zur Verfügung zu stellen. Diese Übergangslösung ist jedoch nur für einen begrenzten Zeitraum möglich. Eine dauerhafte Perspektive für Eltern wird gebraucht.

Hinzu treten noch weitere Herausforderungen im Ortsteil Lohra. Bereits in 2012 wurde durch ein Gutachten festgestellt, dass der Kindergarten Lohra - Schulstraße einen erheblichen Sanierungsbedarf aufweist. Nicht alle aus diesem Gutachten aufgezeigten Mängel konnten beseitigt werden. Auch die sehr bedenkliche Verkehrssituation in der Schulstraße ist bekannt. Diese ist nicht nur für die Eltern, Erzieher/innen und Anlieger ein Ärgernis, sondern führt auch zu einem erhöhten Aufsichtsbedarf durch das Betreuungspersonal.

Ebenso ist eine weitere Liegenschaft der Gemeinde - das Rathaus - nach über 40 Jahre in einem sanierungswürdigen Zustand. Wie bei jedem privaten Wohnhaus, so ist auch im Rathaus nach über 40 Jahren der Stand der Technik überholt und grundhafte Sanierungen werden nötig.

Die Summe der Problemfelder legt nahe, dass man sie zusammen betrachtet.

Im Moment steht daher in den gemeindlichen Gremien folgender Lösungsansatz zur Debatte:

Erster Bereich:

Das Rathaus und das Außengelände werden saniert und kindgerecht zu einem 5-gruppigen modernen und großzügigen Kindergarten umgebaut. In den neuen Räumen finden dann die 3 Gruppen aus der Schulstraße und die 2 Gruppen aus den mobilen Räumlichkeiten eine neue Bleibe. Durch die räumliche Nähe zum bestehenden Kindergarten Lohra Heinrich-Naumann-Weg, wird die Zusammenarbeit der beiden Einrichtungen vereinfacht. Nach gemeinsamer Besichtigung und Besprechung mit dem Träger hat dieser Vorschlag bereits große Zustimmung erfahren. Weitere Vorteile ergeben sich durch die gemeinsame Nutzung eines Spielplatzes und die Nutzung des BGH (vormittags) als zusätzlichen Bewegungsraum. Ebenso wird insbesondere die Parksituation durch die vorhandenen Parkplätze verbessert.

Zweiter Bereich:

In einem neukonzeptionierten Dorfmittelpunkt wird ein neues Multifunktionsgebäude durch einen namenhaften und vertrauensvollen Projektpartner errichtet. Das Rathaus verkleinert sich räumlich und zieht mit in das neue Multifunktionsgebäude in die Ortsmitte. Die Erreichbarkeit des Rathauses mit öffentlichen Verkehrsmitteln verbessert sich. Neben dem Netto-Markt, dem Bäcker und der Volksbank eröffnet diese Lösung die Chance, dass sich weitere Geschäfte oder andere Interessierte in dem Multifunktionsgebäude ansiedeln, vielleicht ein kleines Café. Das Grundstück ist bereits erschlossen. Der Standort gewinnt an Attraktivität und sichert letztlich die Versorgungssicherheit mit Nahversorgern und einer Bankfiliale auf viele Jahre. Und dies ist kein Aspekt, der aus der Luft gegriffen ist. Wir erleben in Nachbarkommunen, dass Filialen auch geschlossen werden können. Ist der Standort hingegen attraktiv und lukrativ, dann bleibt man!

Dritter Bereich:

In Absprache mit der Kirchengemeinde Lohra kann das (noch) Kindergartengebäude in der Schulstraße einer anderen Nutzung zugeführt werden.

Zur Finanzierung dieses Vorhabens besteht die Chance, in einem Förderprogramm berücksichtigt zu werden. Für beide Maßnahmen (Umbau Rathaus in Kindergarten und Neubau Rathaus - Anteil im Multifunktionsgebäude) könnte eine Förderung in Höhe von 2/3 der förderfähigen Kosten erzielt werden.

Vielleicht sind Sie jetzt gerade geschockt, warum wir über so ein kompliziertes Konstrukt überhaupt nachdenken und damit möglicherweise eine Unruhe in die Gemeinde bringen.

Kindergartenplätze könnte man ja auch durch einen Neubau auf der grünen Wiese „ganz einfach“ realisieren.

Natürlich könnten wir jetzt den vermeintlich „einfacheren“ Weg gehen, ein 3000 m2 Grundstück kaufen, Bebauungsplan drüberlegen, die naturschutzrechtlichen Auflagen erfüllen, erschließen und einen Generalunternehmer mit dem Bau beauftragen.

Ohne große Anstrengung schaffen wir es bei einem Neubau eines 5-gruppigen Kindergartens dann eine Summe von 5,5 bis 6 Millionen Euro (realistische Schätzung vergleiche dazu die Ausgaben unserer Nachbarkommunen) auszugeben. Die Chance auf eine Gesamtförderung ist jedoch gering und leider lösen sich unsere anderen Problemfelder davon nicht in Luft auf.

Wenn man politisch taktierend auf das Thema schaut, wäre mit Sicherheit die Variante „Neubau auf der grünen Wiese“ für alle Mitglieder der Gemeindevertretung und für mich die „schadfreiere“ Lösung. Wahrscheinlich würden auch Sie bei „schon wieder“ Neubau zwar mit den Zähnen knirschen im Hinblick auf die Kosten, aber letztlich würde keiner etwas gegen einen Kindergarten sagen. Er ist doch notwendig und gewünscht.

Aber vielleicht sind Sie auch kritischer und würden die Frage stellen, ob günstigere Alternativen geprüft wurden und welche es gibt. Und genau da stehen wir jetzt.

Wirtschaftliche Alternativen unter Berücksichtigung der vielfältigen Problemlagen aufzeigen und prüfen. Mit dem aufgezeigten Lösungsansatz wird an etablierten Strukturen gerüttelt und es bedarf mutiger, aber auch besonnener Schritte. Es ist an der Zeit, dass wir uns nicht nur isoliert ein Themenfeld anschauen.

Ist das etwa nicht auch genau ihr Anspruch an Politik im „Kleinen“ wie im „Großen“?

Wie oben bereits erwähnt, steht unsere Gemeinde in finanzieller Hinsicht nicht gut dar, und der große Umbruch klingt erstmal unendlich teuer. Stellt man jedoch nur einmal den Neubau mit der Sanierung des Rathauses und den Anteil am Multifunktionsgebäude gegenüber, ergibt sich ein deutlich anderes Bild.

Soll heißen: Der vermeintlich einfachere Weg ist nicht gleichzeitig der Wirtschaftlichste.

Aufgrund des deutlichen finanziellen Vorteils und der anderen genannten Vorteile sollten wir doch zumindest unsere Chancen und Risiken abwägen.

Bevor die Prüfungen nicht abgeschlossen und keine endgültigen Entscheidungen getroffen wurden, bleibt es einfach nur eine Idee. Etwas von vornherein kaputt zu reden, ohne die Fakten auf dem Tisch zu haben, wäre eine verpasste Gelegenheit. Wie soll sich denn etwas verändern, wenn sich nichts ändern darf?

Genießen Sie die Feiertage und kommen Sie gut ins neue Jahr. Wir gehen spannenden und herausfordernden Zeiten entgegen. Nur gemeinsam werden wir für (fast) jedes Problem eine Lösung finden.

Bleiben Sie fröhlich und gesund!

Ihre Bürgermeisterin
Karina Schlemper-Latzel