Aufgrund des § 22 Abs. 1 des Denkmalschutzgesetzes (DSchG) vom 23.03.1978 (GVBl. S. 159) in der Fassung vom 26.11.2008 (GVBl. S. 301), zuletzt geändert am 28.09.2021 durch Artikel 4 (GVBl. S. 543), erlässt die Kreisverwaltung Südliche Weinstraße als Untere Denkmalschutzbehörde, im Benehmen mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe - Direktion Landesarchäologie, folgende Rechtsverordnung:
Das in § 2 dieser Rechtsverordnung näher bezeichnete und in der beigefügten Flurkarte gekennzeichnete Gebiet in der Gemarkung Gommersheim wird gemäß § 22 DSchG zum Grabungsschutzgebiet erklärt.
Das Grabungsschutzgebiet trägt die Bezeichnung Grabungsschutzgebiet 'Villa Rustica Bellengärtel'.
1) Das Grabungsschutzgebiet umfasst folgende Grundstücke bzw. Teile von Grundstücken innerhalb der Gemeinde Gommersheim, Fl. St. 681, 682, 683, 684, 685, 686, 687, 688, 690, 692, 693, 694, 695, 696, 697, 698.
2) Das Grabungsschutzgebiet ist in der als Anlage beigefügten Karte, welche Bestandteil dieser Rechtsverordnung ist, gekennzeichnet. Die Abgrenzung der Karte ist die verbindliche Festsetzung des Grabungsschutzgebietes.
Im vorgenannten Areal ist mit erheblichen Funden und Befunden aus der Römischen Kaiserzeit und Spätantike zu rechnen.
Nordwestlich des Ortes Gommersheim befindet sich auf dem Ackergelände „Bellengärtel“ direkt an der Gemarkungsgrenze zum Neustadter Ortsteil Geinsheim eine ausgedehnte Trümmerstelle. Von 1913 bis ins Jahr 2003 wurden bei insgesamt 30 Feldbegehungen und zwei Bodeneingriffen Unmengen an römischen Funden aufgelesen. Darunter Massen an römischer Keramik (Gebrauchskeramik, Terra Sigillata und Terra Nigra) (vgl. Anlage 3, Abb. 2 und Anlage 4, Abb. 2), Bronze-, Eisen- und Bleireste, Bronzeringe, -schnallen und -knöpfe, ein Bronzelöffelchen, zwei bronzene Fingerringe, elf Teile von Bronzefibeln, eine Bronzenadel, 27 unterschiedliche Gerätschaften aus Bronze, ein Bronzeniet, drei Bronzeanhänger, das Fragment eines vergoldeten germanischen bronzenen Halsringes, ein Glöckchen, sechs Bronzeknöpfe, zwei Bronzeringe, zwei Bronzeattaschen, angeschmolzene Blei- und Bronzeteile, Eisennägel, zwei Eisenschlüssel, Glasscherben und zwei Spielsteine (vgl. Anlage 4, Abb. 1 und 3).
Die große Anzahl an Bronzeschmelzresten und Eisenschlacken deuten auf eine Metallverarbeitung vor Ort hin und die zahlreichen luxuriösen Metallartefakte sowie die hochwertige Terra Sigillata weist darauf hin, dass sich an dieser Stelle einst der Gutshof (Villa rustica) eines reichen Landbesitzers befunden hatte. Das außergewöhnlichste Objekt auf dem Gelände wurde um das Jahr 1997 herum gefunden. Es handelt sich um eine aufwendig ausgeführte lokal hergestellte noch 65 cm hoch erhaltene römische Sonnenuhr aus gelbem Sandstein (vgl. Anlage 5, Abb. 1). Die Uhr besteht aus einer muschelartigen konkaven Schale, die auf einem viereckigen Pfeiler ruht an dessen Vorderseite sich eine kniende Figur befindet. Ein weiterer Beleg für die aufwendige Architektur der Villa stellt eine gefundene Granitsäule dar, die aus 1,20 m langen Trommeln zusammengesetzt war (vgl. Anlage 5, Abb. 2). Möglicherweise gehörte sie zum Säulengang an der Front der Villa oder zu einem Lichthof (atrium) im Inneren.
Für das Vorhandensein einer Villa rustica an dieser Stelle sprechen zudem Baufunde wie römische Dachziegel (tegulae und imbrices), verschiedenfarbig bemalter Wandputz, das Bruchstück eines Mühlsteins aus Lava, Fragmente von Estrichböden, zugehauene Quader aus Sandstein, Tonplatten und Hohlziegel (tubuli) einer römischen Heizung.
Ende des 19. Jahrhunderts wurden von dieser Stelle große Mengen an behauenen Mauersteinen aus rotem Sandstein entnommen, die für den Bau neuer Häuser in Gommersheim verwendet wurden. Teile der Villa wurden angeblich bei tiefgründigem Pflügen im Zusammenhang mit einer Flurbereinigung 1965 zerstört. Noch Ende der 1970er Jahre jedoch ließen sich vor Ort im Pflanzenbewuchs mehrere Mauern feststellen. Auch im Baubereich beiderseits der Landstraße stellte man 1975 parallel Südost-Nordwest verlaufende Mauerzüge im Ackerboden fest. Im Frühjahr 1999 wurden mehrere sich noch im Mörtelverband befindende Mauerwerksteile an der K 6 zwischen Altdorf und Gommersheim gefunden (vgl. Anlage 3, Abb. 1), außerdem nicht weit entfernt hiervon Stellen mit aufgepflügter rotbrauner Erde in denen Scherben und Ziegelstücke dokumentiert werden konnten. Dabei auch eine römische Bilderschüssel des Töpfers Verecundus I mit der Darstellung eines Bogenschützen darauf. Dies deutet darauf hin, dass sich noch heute große Teile der Mauern im Boden befinden müssen. Aus den Jahren 1967 und 2011 stammende Luftbilde des Geländes lassen zudem eine beachtliche Anzahl an Gruben und Pfostengruben im Ackerbewuchs erkennen.
Hinweise auf eine Besiedlung im „Bellengärtel“ ab der Vorrömischen Eisenzeit gibt eine spät-latènezeitliche Potinmünze der Leuker und einige ohne Drehscheibe hergestellte Fragmente von Keramikgefäßen. Die römische Keramik datiert vom 2. Drittel des 1. Jh. n. Chr. bis in das 3/4. Jh n. Chr. Insgesamt wurden 176 römische Bronze- und Silbermünzen im „Bellengärtel“ aufgelesen. Die Münzfunde zeigen eine kontinuierliche Besiedlung dieser Stelle von 250-400 n. Chr. Die jüngste dort aufgelesene Münze wurde unter Kaiser Constantin III. geprägt und stammt aus der Zeit zwischen 407 und 411 n. Chr. Das Jahr 406 n. Chr. gilt in der Regel als Ende der römischen Besiedlung am Rhein, da zu dieser Zeit verheerende Einfälle von Alanen, Sweben und Wandalen stattfanden. Die Münze belegt jedoch, dass in Gommersheim noch im zweiten Jahrzehnt des 5. Jh. n. Chr. gesiedelt wurde und die römische Bevölkerung noch zum Teil bis in das 5. Jh. hinein an den ursprünglichen Wohnstätten verblieb.
Römische Gutshöfe waren in der Regel von einer Einfassungsmauer begrenzt, wobei die „Villa Vorderberg“ in Büchelberg (Ldkr. Germersheim) dazu einen vollständigen Grundriss liefert. Die die Villa umgebende Fläche ist dort ca. 16-Mal größer als die überbaute Fläche des Hauptgebäudes (ebenfalls in Fließem, Vierherrenborn, Winningen, Frankfurt a. M. und Wiesbaden Neroberg zu beobachten), sodass auch in Gommersheim mit einem entsprechend größeren Villenareal gerechnet werden muss. So ist um die bereits ausgegrabenen Gebäude mit einer Vielzahl weiterer Wirtschaftsbauten und einer Umfassungsmauer zu rechnen.
Der Fundplatz von Gommersheim reiht sich somit in die reiche Villenlandschaft der Pfalz ein. Er bildet ein Detail in den deutlich wahrnehmbaren Siedlungsketten entlang der Wasserläufe (hier: Triefenbach). Die Villa liegt 114 m ü. NN, direkt westlich fließt der Triefenbach in typischer Lage auf leicht geneigtem Gelände oberhalb einer Niederungszone. Die nächste benachbarte Villa rustica liegt 1,7 km entfernt südlich von Gommersheim im Gewann „Im Bremig“, Gemar-kung Böbingen. Die Villa rustica „Bellengärtel“ mit ihrer luxuriösen Ausstattung wurde in der Vergangenheit mehrfach in Zusammenhang mit den im Jahr 1834 etwa 140 m nordwestlich auf der Gemarkung von Böbingen entdeckten Teilen einer römischen Wagenbestattung unter einem Grabhügel gebracht. Möglicherweise handelte es sich um den Bestattungsplatz von einigen der Bewohner des römischen Landgutes.
Bei der Erforschung der Siedlungslandschaft der römischen Kaiserzeit sowie der Spätantike (1. bis 5. Jahrhundert) kommt den Villen eine wichtige Rolle zu, da sie die typische Bebauungsform im ländlich geprägten Hinterland großer städtischer Zentren darstellen. Es ist zusätzlich mit einer noch größeren Anzahl bislang nicht belegter Hofanlagen zu rechnen, die sich jedoch über Prognosemodelle ermitteln lassen. Diese beruhen wiederum auf der Normalverteilung nachweisbarer Villen. Daher ist jede neue, modern gegrabene römerzeitliche Villa rustica wichtig, um die kaiserzeitlichen und spätantiken Siedlungsstrukturen der Pfalz in all ihren Facetten darzustellen. Darüber hinaus spielen sie eine große Rolle bei Fragen hinsichtlich einer Zäsur oder eines kontinuierlichen Übergangs zu den frühmittelalterlichen, merowingerzeitlichen Hofgründungen.
Damit zählt die Villa rustica von Gommersheim „Bellengärtel“ zur römerzeitlichen Villenlandschaft, die zum einen für die Beurteilung der Siedlungsgeschichte des ländlich geprägten Raumes der Pfalz von der römischen Kaiserzeit bis zur Spätantike und zum anderen auch des Übergangs von Spätantike zu Frühmittelalter eine herausragende Stellung einnimmt und daher von besonderer wissenschaftlicher und kulturhistorischer Bedeutung ist.
Das Denkmal erfüllt daher den Tatbestand des § 3 Abs. 1 DSchG.
Um den Erhalt eines möglichst großen Teils dieser einzigartigen archäologischen Befunde zu gewährleisten und um die im Zuge einer möglichen Umgestaltung des Geländes unumgänglichen Grabungen und Untersuchungen nach denkmalpflegerischen und wissenschaftlichen Gesichtspunkten fach- und sachgerecht durchführen zu können, beantragen wir, das o. g. Gebiet im Sinne des § 22 DschG als Grabungsschutzgebiet auszuweisen.
Eine landwirtschaftliche Nutzung des unter Schutz gestellten Areals ist weiterhin möglich und bedarf keiner denkmalrechtlichen Genehmigung, sofern sich deren Bodeneingriffe auf den Mutterboden beschränken. Jegliche tiefer in den Unterboden reichenden landwirtschaftlichen Eingriffe sollten nach der künftigen Rechtsverordnung genehmigungspflichtig werden.
| 1) | Vorhaben in Grabungsschutzgebieten, die verborgene Kulturdenkmäler gefährden können, bedürfen der Genehmigung der Unteren Denkmalschutzbehörde (§ 22 Abs. 3 DSchG). |
| 2) | Nachforschungen, insbesondere Geländebegehungen mit Schatzsuchgeräten sowie Ausgrabungen, mit dem Ziel, Kulturdenkmäler zu entdecken, bedürfen der Genehmigung der Unteren Denkmalschutzbehörde (§ 21 Abs. 1 DSchG). |
| 3) | Die Anträge auf Erteilung der Genehmigung und Anzeige sind schriftlich bei der Kreisverwaltung Südliche Weinstraße als Untere Denkmalschutzbehörde, An der Kreuzmühle 2, in 76829 Landau, einzureichen. |
Eigentümer, sonstige Verfügungsberechtigte und Besitzer haben der Kreisverwaltung Südliche Weinstraße als Untere Denkmalschutzbehörde und der Fachbehörde Generaldirektion Kulturelles Erbe - Landesarchäologie, sowie ihren Beauftragten die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Die genannten Behörden bzw. deren Beauftragte sind berechtigt nach vorheriger Unterrichtung und Darlegung des Zweckes, Grundstücke zu betreten, Vermessungen und Untersuchungen vorzunehmen sowie Fotografien anzufertigen (§§ 6 und 7 DSchG).
Verstöße gegen die aufgrund dieser Rechtsverordnung erlassenen Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes sind im § 33 Abs. 1 und 2 DSchG geregelt. Sie können mit einer Geldbuße bis zu 125.000 €, in den Fällen des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 DSchG bis zu 1.000.000 € geahndet werden. Die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit verjährt in fünf Jahren gemäß § 33 Abs. 3 DSchG. Der § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) findet Anwendung.
Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die Untere Denkmalschutzbehörde.
Für alle innerhalb des Geltungsbereiches gelegenen Grundstücke dieser Rechtsverordnung wird der Vermerk Denkmalschutz in die Geobasisinformationen des amtlichen Vermessungswesens aufgenommen.
Diese Rechtsverordnung tritt am Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.
Landau i. d. Pfalz,
Kreisverwaltung Südliche Weinstraße
Dietmar Seefeldt
Landrat