Heutige Straßenschilder im alten Ortskern, Fotoarchiv Kai Schraub.
Die Pfarrgasse mit den Geschwistern Hofmann links und rechts und einer Freundin in der Mitte.
Blick in die Neugasse mit Karl Julius Heil und seinem Wagengespann (Bertlams Karl)
Blick in die Elisabethenstraße Ecke Borngasse, Fotoarchiv Vera Rupp
Blick in die Zwetschengasse in Richtung Ludwigstraße
Die Taunusstraße mit Blick zur Frankfurterstraße und Kirchturm. Fotoarchiv Kai Schraub
Vielfach herzlich beschrieben und besungen in Mundartgedichten und Heimatliedern, so wie z.B. auch einst durch Friedrich Silcher, im 19. Jahrhundert mit „Nun leb wohl du kleine Gasse, nun ade du stilles Dach…“ sind die Straßen und Gassen der Heimatdörfer. Gassen, oft verwinkelt und eng, prägten schon immer die alten Ortskerne, so auch in Ober-Mörlen. Je schmaler sie sind, umso niedlicher ist mit „Gässchen“ oder „Gässi“ ihre Bezeichnung im Volksmund. Dass diese Dorfgassen über die Jahrhunderte ihre Namen ab und an änderten, ist keine Seltenheit. Entweder hießen sie nach einem dort ansässigen Berufsstand, nach ihrer Lage im Ort oder besonderen Bauten. So ist es auch in Ober-Mörlen, worüber Kai Schraub heute erzählt.
Aus „Römergasse“ wird „Frankfurter Straße“
In Ober-Mörlen kennt man die „Pfarrgasse“ von alters her, deren Namen nie geändert wurde. Sie beginnt an der katholischen Kirche mit dem benachbarten Pfarrhaus und schlängelt sich hangabwärts in Richtung Usa-Bach, wo sie auf die Mühlgasse stößt. An diesem Abschnitt der Usa befanden sich früher zwei Mühlen, die der „Mühlgasse“ ihren Namen gaben. Auch dieser Gassenname änderte sich nie, lediglich die frühere „Mühleck“ wurde ihr angegliedert. Anderen Gassen jedoch widerfuhr eine neue Namensgebung über die lange Zeit ihres Bestehens. Dazu zählen die „Sandgasse“, die zuvor „Weißgasse“ hieß, und die „Belsgasse“, die früher ebenfalls „Sandtgasse“ genannt wurde. Die „Hintergasse“ nannte man auch „Hinterm Ort“, ein Hinweis auf ihre frühere Lage am östlichen Ortsrand von Ober-Mörlen. Die heutige „Frankfurter Straße“ hieß dagegen im Volksmund „Vorm Ort“, denn sie führte vor Jahrhunderten am alten Dorfkern vorbei, der sich westlich davon rund um die Kirche erstreckte. Weitere Bezeichnungen für sie waren auch „Römergasse“ oder „Hauptstraße“, so dass es bei ihr mehrfach Namensänderungen gab.
Durch die „Pfortengasse“ in den Ort
Die heutige „Ankergasse“ war früher eine „Sackgasse“ und hieß auch so. Auch die „Elisabethenstraße“ war anfangs nicht voll durchfahrbar. Auf einem alten Ortsplan mit der Bebauung um 1716 ist sie noch als „Zwerchgasse“ eingetragen, was aus dem mundartlichen „zwerch“ für „quer“, also „Quergasse“, abgeleitet ist. Die „Borngasse“ nannte man früher „Neue Pfortengasse“. Ihr Name verrät, warum dies so war. Ober-Mörlen war nämlich früher von einem Haingraben umgeben. Durch Pforten bzw. Tore gelangte man in den Ort. Eine „Usinger Straße“ gab es im Ortskern nicht, denn so wurde einst die heutige „Wintersteinstraße“ bezeichnet. Die jetzige „Usinger Straße“ war die „Obergasse“ und in ihrer Verlängerung lag die „Vorstadt“, wie der Volksmund sagte. Nördlich davon fand man früher nicht die „Neugasse“, sondern die „Bauerngasse“, die die „Schustergasse“ mit einbezog. Der Name ging mit der Berufsbezeichnung der dort wohnenden Ortsbürger einher. Die frühere „Nebengasse“ wurde mit ihrem Ausbau in „Taunusstraße“ umbenannt.
Frösche als Namensgeber für die „Froschstraße“
Die „Zwetschengasse“ sollte durchweg ihre mundartliche Bezeichnung für Zwetschgen ohne den Buchstaben „g“ im Namen behalten. Eine einstige „Froschstraße“ ist zu Beginn des letzten Jahrhunderts im Ort belegt, ihre Lage mit nachweislich nur sehr wenigen Häusern befand sich dem Namen nach an einem Gewässer und das stimmt auch, nämlich der Usa. Der damals noch nicht begradigte Bachlauf mit seinen abzweigenden Mühlgräben war früher bestimmt ein großer Lebensraum für Frösche, die dort in den Auen ungestört quaken konnten. Die „Froschstraße“ wurde dann kurzzeitig in „Jlsagasse“, mundartlich „Usgass“, umbenannt und dies dann schließlich in die heutige Version „Usagasse“ abgeändert. Verschwunden ist im Dorf lediglich über die Jahrhunderte durch Neubebauung ein kleiner Stichweg der von der „Frankfurter Straße“ in die heutige „Usinger Straße“ führte und dessen Namen nicht mehr bekannt ist.
Viele neue Straßennamen im Dorf
Erst mit Beginn des letzten Jahrhunderts verlor die alte Dorfbefestigung mit dem Haingraben ihre Bedeutung, Straßennamen wurden abgeändert und die Ortschaft in alle Himmelsrichtungen erweitert und ausgebaut. In diesem Zusammenhang stehen die Straßennamen „Schulstraße“, „Ludwigstraße“, „Nauheimer Straße“ und „Friedberger Straße“. Die beiden letztgenannten trugen erst noch die Bezeichnung „Weg“ hinter dem Ortsnamen, bevor man diese in „Straße“ abänderte. Auch die Jahrzehnte danach waren geprägt von neuen Straßennamen für Ober-Mörlen, gerade in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als in den 1950er Jahren die Siedlung entstand. In den folgenden Jahrzehnten verstärkte sich dies mit dem Ortsausbau noch mehr. Dazu gehören der „Maiberg“ und neuerdings das Neubaugebiet „Schießhütte“, wo jetzt im dritten Bauabschnitt abermals neue Straßennamen gegeben wurden und werden. In den jeweiligen Ortsvierteln hat man sich zumeist auf eine klare Richtung fixiert, so z.B. „Dichter und Denker“, „Ortspersonen und Persönlichkeiten“, „Pflanzen und Sträucher“ oder „Bäume und Berge“, so wie man dies in vielen anderen Dörfern oder Städten oft vorfindet. Straßen- und Gassennamen verraten oft einiges über die Geschichte einer Ortschaft - so auch in Ober-Mörlen. Bei einem Spaziergang kann man immer wieder etwas Neues zur Dorfgeschichte entdecken und sich in eine längst vergangene Zeit zurückversetzen.
In Fotoalben schlummern bestimmt noch viele Fotos aus dem alten Ober-Mörlen. Über viele Meldungen freuen sich Vera Rupp, Tel. 7869 und Kai Schraub, Tel. 992650.