Wie in der vergangenen Ausgabe des Stadtkurier bereits angekündigt, erscheinen in dieser Ausgabe die Rede der seitherigen Bürgermeisterin Ulrike Pfeiffer-Pantring zur Verabschiedung von Stadtverordnetenvorsteherin Ute Arendt-Söhngen nach mehr als 50 Jahren in der Kommunalpolitik sowie ihre Abschiedsworte in eigener Sache an die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Ortenberg.
wir verabschieden Dich heute nach über 50 Jahren aus der Stadtverordnetenversammlung. Du warst schon Politikerin, bevor es diesen Zusammenschluss Stadt Ortenberg mit 10 Stadtteilen gab. Du kommst aus dem Stadtteil, der noch der kleinste Ort ist, der sich aber in den letzten Jahren verdoppelt hat. Wobei? Was ist groß - was bedeutet klein? Fläche? Menschen? Steueraufkommen? Lebendigkeit?
Allein diese Fragen zeigen, in politischen Entscheidungsprozessen spielt immer alles eine Rolle! Du bist die erste Bürgerin der Stadt und als Vorsitzende des Parlaments meine oberste Chefin.
Es war immer gut zu wissen, dass ein kompetenter Mensch, eine erfahrene Pädagogin, eine Persönlichkeit mit einem christlichen Menschenbild den Vorsitz in diesem Haus hat.
Du hast neben diesem Ehrenamt und Deinem Beruf als Lehrerin und Schulleiterin der Maria-Sibylla-Merian-Schule auch ehrenamtlich Gottesdienste in der Region begleitet.
Du bist auch Gründungsmitglied im Kulturkreis „Altes Rathaus Ortenberg“ und im Haus in den Salzwiesen in Selters beim „NABU Ortenberg“, im Förderkreis der Sozialstation Oberes Niddertal aktiv im Vereinsleben der Stadt und in deinem Wohnort engagiert.
Du pflegst nicht nur deinen Garten. Du pflegst auch ein öffentliches Grundstück und schaffst selbst eine lebenswerte Umgebung. Schimpfen und jammern sind Deine Sache nicht, Du bist eine Macherin.
Über Jahre hinweg hast Du den Vorsitz der SPD Ortenberg geführt und bist mir als Sozialdemokratin stets ein Vorbild. Bei all diesem Engagement hast Du immer auch Deiner Familie zur Seite gestanden. Selbstverständlich unterstützt Du Deinen Sohn Sven und Deinen Mann Joachim.
Du hast schon früh Verantwortung übernehmen müssen, denn als sehr junge Frau hast Du erlebt, wie Deine Mutter sehr schwer erkrankte und früh verstarb. Deine Schwester war in meinem Grundschuljahrgang. Ich erinnere mich wohl, wie alle sagten: Gut, dass Ute für Jutta da ist. Von Dir wurde immer erwartet, dass Du Verantwortung übernimmst. Du bist dieser Verantwortung gerecht geworden.
Dir war keine Aufgabe zu schwer. Wenn von Dir etwas verlangt wurde, hast Du Deine Pflicht erledigt.
Du hast neben den vielen Aufgaben im Beruf und im politischen Ehrenamt auch Deine Großmutter und Deinen Vater Willi Schneider zuhause gepflegt. Er, der auch ein engagierter Kommunalpolitiker und Bürger war. Kantholz Willi, der anpackte, wo immer es nötig war - ebenso wie Du.
Als Kontakt für unsere städtische Patenschaft mit der Bundeswehr war Euer Zuhause immer die erste Adresse.
Ortenberg als erste Bürgerin der Stadt ein menschliches Gesicht zu geben, war Dir dabei immer ein Anliegen. Du hast es nicht eingefordert, sondern vorgelebt. An Dich selbst hast Du dabei kaum gedacht.
Du hast stringent Ziele für die Menschen in unserer Stadt, vor allem für Kinder, im Blick gehabt.
Du hast Dich dafür eingesetzt, dass die Grundschule eine eigene Turnhalle bekam, damit - nach einem Abend wie diesem - nicht das Schulturnen ausfallen muss.
Du hast mit dafür gesorgt, dass wir ausreichend Kindergartenplätze anbieten konnten.
Denn Dir als aktiver Schulleiterin war täglich vor Augen, dass man Jahresabschlüsse nachholen kann, Bildung von Kindern nicht. Bildung und Erziehung sind Investitionen in die Zukunft unserer Stadt. Gerade nach dem harten Einschnitt durch die Pandemie spüren wir das besonders deutlich, wie richtig Deine Sichtweise war.
Zurückblickend auf die Zeit davor, die Zeit der Banken- und Finanzkrise, sieht man, dass man die Chancen, die man bekommt - wie die der Konjunkturprogramme - nutzen muss. Aber dazu braucht man mutige Politiker und ein geeintes Parlament, um sie zu nutzen. Wir konnten dank Deiner Führung diese Chancen vielfach nutzen. Wir haben die Zeit der niedrigen Baukosten und der niedrigen Zinsen gepaart mit Fördermitteln in einer Geschwindigkeit genutzt, dass es atemberaubend war. Wir haben Schulden getilgt und neue Investitionen auf den Weg gebracht. Neue Wertschöpfungsketten aufgebaut. Einsparpotenziale genutzt, um regelmäßig wiederkehrende Kosten zu senken, und haben so strukturell konsolidiert.
Mit allen „alten“ erfahrenen Amtsleitungen und Mitarbeitern mit ein paar hundert Jahren Berufserfahrung konnten wir einen wesentlichen Teil unseres Entwicklungsrückstands aufholen.
Dieser war entstanden, weil wir mit der historischen Grenzöffnung 1989 plötzlich im ganzen Oberen Niddertal und vor allem im Frankfurter Osten Arbeitsplätze an die neuen Bundesländer und andere Regionen verloren haben. Gewerbe- und Einkommensteuereinbrüche gingen damit einher. Die Finanzausgleichssysteme gerieten in Schieflage. Das war und ist eine schwierige Zeit.
Zur Jahrhundertwende, als ich das Bürgermeisteramt übernahm, war mir nicht bewusst, wie groß unsere Investitionslast und damit Ausgaben und Schuldenlast sind. 9000 Menschen mit Wasserleitungen zu versorgen, heißt im ländlichen Raum etwas anderes als in einem Hochhausquartier in der Metropole Frankfurt. Immer neue zusätzliche Aufgaben kamen in den letzten Jahren dazu. Mich hat das manchmal sehr niedergeschlagen und zermürbt.
Du hast mir und auch vielen anderen Entscheidern immer Zuversicht gegeben, dass wir vorangehen.
Du hast kritisch hinterfragt und wohlwollend begleitet. Das war ein Segen. Mut in der Politik ist im ländlichen Raum besonders wichtig, denn die Skyline der Metropole am Horizont ist unsere Konkurrenz.
Hier sind wir weniger Menschen, die die Last der Verantwortung tragen, und müssen mit geringeren Mitteln die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse erreichen. Gemeinsam können wir einiges bewirken.
Wenn ein Bundesligaverein aus der Jugend einen erfolgreichen Spieler hervorbringt und dieser geht, erhält ein Verein Millionen. Wir Gemeinden gehen bei unseren Einwohnern, die uns verlassen, leer aus.
Ein Mensch an der Spitze der Stadt, der vermittelt, dass wir dennoch gut und gerne hier leben, ist deshalb unverzichtbar. Dieses Leitbild hast Du unausgesprochen vertreten und mit Deinem ehrenamtlichen Tun gezeigt, dass wir so manches Defizit überwinden und gut hier leben können.
Deine besondere Stärke ist dabei Dein stilles Wirken hinter den Kulissen. Du hast ein großes Netzwerk von Menschen, die Du immer eingebunden hast, wenn es darum ging, etwas in die richtige Richtung zu lenken.
Und selbst hast Du auch immer wieder ohne in die Öffentlichkeit zu treten, geholfen, vermittelt, Frieden gestiftet - und auch mit eigenen Mitteln geholfen.
Ute, Du bist selbstlos und einzigartig. Unsere Stadt kann froh und dankbar sein, eine so kompetente und fürsorgliche Politikerin wie Dich in der Funktion der Stadtverordnetenvorsteherin gehabt zu haben.
Es war für mich immer einfach, an Deiner Seite wirken zu dürfen.
Es war eine aufregende und spannende Zeit.
Es gab viele sehr schwierige Themen wie die Erneuerungsbeiträge, den Bürgerentscheid zum Feuerwehrhaus. Die Gründung des Bürgervereins als Fraktion im Parlament, die Banken- und Finanzkrise, die Pandemie, … und vor allem, die 10 Stadtteile unter einen Hut zu bekommen.
Die Vielfalt und das Aufgabenspektrum von Ortenberg werden vielfach unterschätzt. Hättest Du nicht immer wieder aufs Neue für ein konstruktives und positives Klima gesorgt, hätten wir nicht so viel bewegen können.
Ich bin erst auf der Hälfte Deines politischen Wirkens dazugekommen. Die Zeit, als es um das Regionalprojekt Vulkanradweg ging. Die Ängste, was kostet es, aber auch die Frage, was wird es bewirken und nutzen. Du bist geerdet und hast einen Blick für das Notwendige und Machbare, bist zuverlässig, belastbar und unerschrocken - das schätze ich an Dir.
Ich sage ganz herzlich DANKE für Dein Wirken für unsere Stadt Ortenberg und ihre Menschen. Du hast gezeigt, dass man als einzelner Mensch, als einzelne Person etwas tun kann für seine Heimat und hast viel Gutes bewirkt. UTE Du GUTE bist großartig!
In unserem Anlagennachweis der Investitionen stehen die vielen Projekte, die wir vorangebracht haben.
Die Hilfe, die Du Menschen gegeben hast, steht dort nicht drin, aber die kann man in den unerreichten Wahlergebnissen, die Du erzielt hast, ablesen. Deswegen kann ich hier schließen, denn länger darf ich nicht reden - es ist Fußball-Europameisterschaft!
Du liebst Deine Stadt und Deine Stadt liebt Dich!
Alles Gute für Dich und Glückauf!
Ulrike Pfeiffer-Pantring,
Bürgermeisterin (bis 12.07.2024)